Zweitwohnungen werden im Allgäu vielerorts teurer
Nach einer Änderung der Berechnungsgrundlage steigen die Steuersätze für die Domizile teils enorm
(sih) - „Das ganze Prozedere ist extrem aufwendig“, sagt Füssens Kämmerer Marcus Eckert. Die Kommune erstellt derzeit einen Mietspiegel und erfragt dazu von Mietern und Eigentümern unter anderem Lage, Größe, Ausstattung und Baujahr ihrer Wohnungen. Der Grund: 2019 hat das Bundesverfassungsgericht die bis dato geltende Berechnungsgrundlage für die Zweitwohnungssteuer gekippt. Ein neues System musste her, dafür wurde ein Mietspiegel notwendig. Betroffen ist nicht nur Füssen, zahlreiche Orte im ganzen Allgäu mussten nach dem Urteil ihr Vorgehen bei der Zweitwohnungssteuer anpassen. Vielerorts wurde nicht nur die Berechnungsgrundlage geändert, sondern auch der Steuersatz erhöht. Das heißt im Klartext: Wer eine Zweitwohnung hat, muss tiefer in die Tasche greifen.
Früher wurde die Zweitwohnungssteuer meist anhand der Jahresrohmiete (siehe Infokasten) berechnet. Der Wert basierte auf der Einheitsberechnung von Grundstücken aus dem Jahr 1964. Das führt zu Verzerrungen, urteilten die Richter. Jetzt dient in der Regel die Jahresnettokaltmiete als Grundlage. Ist die Zweitwohnung angemietet, ist diese schnell errechnet. Die meisten Zweitwohnungen aber dienen dem Eigentümer selbst, beispielsweise als Feriendomizil. Hier wird die Vergleichsmiete dann oft über einen Mietspiegel ermittelt – denn der zeigt an, welche Mieten im jeweiligen Ort üblich sind.
„Füssen ist bundesweit die erste Kommune, die Eigentümer und Mieter zur Teilnahme an der Mietspiegel-Befragung verpflichtet hat“, sagt Eckert. Der Rücklauf mit 70 Prozent sei gut. Dennoch werde die Stadt für die Säumigen wohl bald Bußgelder verhängen. Der Mietspiegel soll im November im Stadtrat verabschiedet werden. Noch ist laut Eckert nicht absehbar, wie sich die veränderte Berechnungsgrundlage tatsächlich auf die Steuereinnahmen auswirkt.
In Füssen sind knapp über 1000 zweitwohnungssteuerpflichtige Wohnungen erfasst. Die durchschnittlichen Steuereinnahmen lagen zwischen 2016 und 2019 bei 660 000 Euro. Für 2020 gilt aber die neue Berechnungsgrundlage, zudem wurde der Steuersatz hier von zehn auf 15 Prozent erhöht. Ab dem Jahr 2021 werden sogar 20 Prozent der jährlichen Nettokaltmiete fällig.
Das neue Vorgehen sorgt vielerorts für mehr Einnahmen. In Lindau beispielsweise gibt es etwa 500 Zweitwohnungen, sagt Kämmerer Felix Eisenbach. In den vergangenen vier Jahren lagen die Einnahmen im Schnitt bei 535 000 Euro. Da lag der Steuersatz aber noch bei elf Prozent der Jahresrohmiete. Mittlerweile wurde aber ein Satz von 20 Prozent der Nettokaltmiete beschlossen. „Wir rechnen mit Mehreinnahmen in Höhe von 250 000 Euro“, sagt Eisenbach. Die Oberallgäuer Kommunen Sonthofen, Oberstdorf, Immenstadt und Burgberg haben die Steuersätze ebenfalls auf 20 Prozent erhöht. Damit soll unter anderem der personelle und finanzielle Aufwand für das neue Vorgehen ausgeglichen werden. Teils waren zwar schon Mietspiegel vorhanden, dennoch bedeutete die Veränderung viel Arbeit. Der Markt Oberstaufen hat den Satz auf 17 Prozent erhöht. „Wir wollen die Zweitwohnungsbesitzer nicht schröpfen. Sie lassen auch Geld in Oberstaufen liegen“, sagte Bürgermeister Martin Beckel.
Jahresrohmiete ist das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benutzung des Grundstücks für ein Jahr zu entrichten haben. Umlagen und alle sonstigen Leistungen des Mieters sind einzubeziehen. Nettokaltmiete oder Grundmiete bezieht sich auf den Teil der Miete, der allein die Raumnutzung abdeckt. Heizkosten und sogenannte kalte Betriebskosten sind nicht enthalten.