Gegen Corona und Tigermücke
Schwierige Saison für Schnakenjäger in den Rheinauen – Wegen Corona waren speziell Flüge im engen Hubschrauber heikel
(dpa) - Als oberster Stechmückenjäger in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen wird Dirk Reichle sein erstes Dienstjahr wohl nie vergessen. „Wenn Sie nicht einmal 100 Tage im Amt sind, und dann kommt Corona – das ist schon ein harter Einstieg“, sagt der Wissenschaftliche Direktor der Organisation Kabs in Speyer. „Immerhin hat man die Verantwortung für 70 Beschäftigte, die mitten in der ersten Bekämpfungsphase bei den Waldmücken sind. Das ist wirklich ein Start von 0 auf 200.“
Am 1. Januar hatte der Biologe die Gesamtleitung der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) übernommen. Es war der Auftakt eines Jahres wie eine Achterbahnfahrt.
Das Kabs-Einsatzgebiet reicht über drei Bundesländer: von Bingen (Rheinland-Pfalz) im Norden über Hessen bis zum Kaiserstuhl (BadenWürttemberg) im Süden. Auf diesem weitläufigen Areal bekämpfen die Experten die Plagegeister unter anderem per Hubschrauber, aber auch zu Fuß. „Ich bin stolz, dass wir im ablaufenden Jahr trotz der Schwierigkeiten alle Aufgaben erfüllt haben“, sagt Reichle. „Wir haben von März bis September keine einzige Fläche wegen Corona ausgelassen – obwohl die Bedingungen extrem erschwert waren.“
Die Arbeit der Stechmückenjäger ist aufwendig. Am Boden kämpfen sie sich oft durchs Dickicht, aber viele Brutstätten können nur aus der Luft bekämpft werden. Vom Helikopter aus verteilt die Kabs dann den biologischen Wirkstoff Bti, der die Larven der Schnaken tötet.
„In der Corona-Pandemie war die Bekämpfung zu Fuß eher unkompliziert, weil sie draußen stattfindet und man Abstand halten kann“, erzählt Reichle. Hubschraubereinsätze fänden hingegen auf engem Raum statt, sowohl beim Flug als auch bei der Beladung. „Zum Glück hatte ich im Januar vorausplanend eine größere Menge Masken gekauft“, sagt der Mittfünfziger. Desinfektionsmittel hätten Mitarbeiter zum Teil selbst angemischt. „Es war wirklich eine schwierige Saison – zumal, weil für die Mitarbeiter wegen Corona auch privat viel zu regeln war.“
Mehr als 90 Städte und Gemeinden entlang des Oberrheins haben sich länderübergreifend seit 1976 zur Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) zusammengeschlossen. Die Menschen in der Region bezeichnen die kleinen Blutsauger biologisch nicht ganz treffend meist als Schnaken. Ältere erinnern sich an Zeiten, in denen es wegen der Plagegeister in und nahe der Rheinauen zu bestimmten Zeiten nur für Hartgesottene möglich war, sich im Freien aufzuhalten.
Heute reduziert der Einsatz des biologischen Wirkstoffs Bti – ein Mittel in Form von Eisgranulat und Suspensionen – nach jedem Hochwasser die Zahl der Stechmücken drastisch. Für den Gebrauch gibt es strenge Vorgaben der Behörden. So gilt für etliche Bereiche wie Vogelbrutgebiete ein Verbot. Bei Politikern der Region kommen die Schnakenjäger gut an. So verwies der Germersheimer Landrat Fritz Brechtel (CDU) auf negative Folgen für Lebensqualität und Gesundheit der Menschen am Oberrhein, würde die Bekämpfung der Steckmücken eingestellt.
„In diesem Jahr waren die Rheinauen so frequentiert wie nie“, schildert Reichle. „Wegen der CoronaAusgangsbeschränkungen haben viele den Weg in die Natur gesucht und waren froh, dort nicht von Stechmücken belästigt zu werden. Wir haben viel Dank erhalten“, erzählt der erfahrene Biologe, der bereits seit 30 Jahren bei der Kabs arbeitet, zuvor überwiegend als Regionalleiter in Hessen.
Eine Frage hat die Experten in diesem Jahr besonders begleitet: Ob Mücken das Coronavirus auf Menschen übertragen können. Der Stand der Wissenschaft sei da eindeutig, sagt der Kabs-Direktor. „Für eine solche Übertragung gibt es nicht einen Hinweis.“Für die Zukunft rechnet Reichle in Rheinland-Pfalz, BadenWürttemberg und Hessen mit einer Zunahme von Stechmücken aus Südeuropa, etwa der Tigermücke.
„Der Hauptanteil unserer Arbeit ist nach wie vor die Bekämpfung von Wiesen- und Auwaldstechmücken in den Rheinauen. Aber der Anteil sogenannter invasiver Arten nimmt
Die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) hat die Eindämmung der Stechmückenplage am Oberrhein zum Ziel. Gegründet wurde sie 1976 in Philippsburg bei Karlsruhe. Ihre Mitarbeiter erfassen bei einem Hochwasser das Aufkommen der Mückenlarven und bekämpfen die Stechmückenbrut
Jahr für Jahr zu.“Bei zunehmend hohen Sommertemperaturen in Deutschland hätten diese Blutsauger optimale Verbreitungsmöglichkeiten. „Dieser Kampf gewinnt an Bedeutung“, mit biologischen Mitteln nach einer mit den Behörden festgelegten Strategie – entweder mit Sprühaktionen zu Fuß oder aus der Luft mit dem Hubschrauber. Dieser wirft ein Eisgranulat über den Brutgewässern ab, das den biologischen Wirkstoff Bti enthält.
Dem Verein mit Sitz in Speyer gehören inzwischen über 90 Ge
unterstreicht Reichle mit Worten die Entwicklung. „Nicht zuletzt deswegen haben wir eine eigene Task Force Tigermücke gegründet.“ meinden und Landkreise aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen an. Im Kontrollgebiet, das vom Rheingau im Norden bis zu den Gemeinden am Kaiserstuhl im Süden reicht, leben 2,7 Millionen Menschen auf etwa 6000 Quadratkilometern. Die Kabs ist ein eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein. (dpa)