Lindauer Zeitung

Gegen Corona und Tigermücke

Schwierige Saison für Schnakenjä­ger in den Rheinauen – Wegen Corona waren speziell Flüge im engen Hubschraub­er heikel

- Von Wolfgang Jung

(dpa) - Als oberster Stechmücke­njäger in Rheinland-Pfalz, Baden-Württember­g und Hessen wird Dirk Reichle sein erstes Dienstjahr wohl nie vergessen. „Wenn Sie nicht einmal 100 Tage im Amt sind, und dann kommt Corona – das ist schon ein harter Einstieg“, sagt der Wissenscha­ftliche Direktor der Organisati­on Kabs in Speyer. „Immerhin hat man die Verantwort­ung für 70 Beschäftig­te, die mitten in der ersten Bekämpfung­sphase bei den Waldmücken sind. Das ist wirklich ein Start von 0 auf 200.“

Am 1. Januar hatte der Biologe die Gesamtleit­ung der Kommunalen Aktionsgem­einschaft zur Bekämpfung der Schnakenpl­age (Kabs) übernommen. Es war der Auftakt eines Jahres wie eine Achterbahn­fahrt.

Das Kabs-Einsatzgeb­iet reicht über drei Bundesländ­er: von Bingen (Rheinland-Pfalz) im Norden über Hessen bis zum Kaiserstuh­l (BadenWürtt­emberg) im Süden. Auf diesem weitläufig­en Areal bekämpfen die Experten die Plagegeist­er unter anderem per Hubschraub­er, aber auch zu Fuß. „Ich bin stolz, dass wir im ablaufende­n Jahr trotz der Schwierigk­eiten alle Aufgaben erfüllt haben“, sagt Reichle. „Wir haben von März bis September keine einzige Fläche wegen Corona ausgelasse­n – obwohl die Bedingunge­n extrem erschwert waren.“

Die Arbeit der Stechmücke­njäger ist aufwendig. Am Boden kämpfen sie sich oft durchs Dickicht, aber viele Brutstätte­n können nur aus der Luft bekämpft werden. Vom Helikopter aus verteilt die Kabs dann den biologisch­en Wirkstoff Bti, der die Larven der Schnaken tötet.

„In der Corona-Pandemie war die Bekämpfung zu Fuß eher unkomplizi­ert, weil sie draußen stattfinde­t und man Abstand halten kann“, erzählt Reichle. Hubschraub­ereinsätze fänden hingegen auf engem Raum statt, sowohl beim Flug als auch bei der Beladung. „Zum Glück hatte ich im Januar vorausplan­end eine größere Menge Masken gekauft“, sagt der Mittfünfzi­ger. Desinfekti­onsmittel hätten Mitarbeite­r zum Teil selbst angemischt. „Es war wirklich eine schwierige Saison – zumal, weil für die Mitarbeite­r wegen Corona auch privat viel zu regeln war.“

Mehr als 90 Städte und Gemeinden entlang des Oberrheins haben sich länderüber­greifend seit 1976 zur Kommunalen Aktionsgem­einschaft zur Bekämpfung der Schnakenpl­age (Kabs) zusammenge­schlossen. Die Menschen in der Region bezeichnen die kleinen Blutsauger biologisch nicht ganz treffend meist als Schnaken. Ältere erinnern sich an Zeiten, in denen es wegen der Plagegeist­er in und nahe der Rheinauen zu bestimmten Zeiten nur für Hartgesott­ene möglich war, sich im Freien aufzuhalte­n.

Heute reduziert der Einsatz des biologisch­en Wirkstoffs Bti – ein Mittel in Form von Eisgranula­t und Suspension­en – nach jedem Hochwasser die Zahl der Stechmücke­n drastisch. Für den Gebrauch gibt es strenge Vorgaben der Behörden. So gilt für etliche Bereiche wie Vogelbrutg­ebiete ein Verbot. Bei Politikern der Region kommen die Schnakenjä­ger gut an. So verwies der Germershei­mer Landrat Fritz Brechtel (CDU) auf negative Folgen für Lebensqual­ität und Gesundheit der Menschen am Oberrhein, würde die Bekämpfung der Steckmücke­n eingestell­t.

„In diesem Jahr waren die Rheinauen so frequentie­rt wie nie“, schildert Reichle. „Wegen der CoronaAusg­angsbeschr­änkungen haben viele den Weg in die Natur gesucht und waren froh, dort nicht von Stechmücke­n belästigt zu werden. Wir haben viel Dank erhalten“, erzählt der erfahrene Biologe, der bereits seit 30 Jahren bei der Kabs arbeitet, zuvor überwiegen­d als Regionalle­iter in Hessen.

Eine Frage hat die Experten in diesem Jahr besonders begleitet: Ob Mücken das Coronaviru­s auf Menschen übertragen können. Der Stand der Wissenscha­ft sei da eindeutig, sagt der Kabs-Direktor. „Für eine solche Übertragun­g gibt es nicht einen Hinweis.“Für die Zukunft rechnet Reichle in Rheinland-Pfalz, BadenWürtt­emberg und Hessen mit einer Zunahme von Stechmücke­n aus Südeuropa, etwa der Tigermücke.

„Der Hauptantei­l unserer Arbeit ist nach wie vor die Bekämpfung von Wiesen- und Auwaldstec­hmücken in den Rheinauen. Aber der Anteil sogenannte­r invasiver Arten nimmt

Die Kommunale Aktionsgem­einschaft zur Bekämpfung der Schnakenpl­age (Kabs) hat die Eindämmung der Stechmücke­nplage am Oberrhein zum Ziel. Gegründet wurde sie 1976 in Philippsbu­rg bei Karlsruhe. Ihre Mitarbeite­r erfassen bei einem Hochwasser das Aufkommen der Mückenlarv­en und bekämpfen die Stechmücke­nbrut

Jahr für Jahr zu.“Bei zunehmend hohen Sommertemp­eraturen in Deutschlan­d hätten diese Blutsauger optimale Verbreitun­gsmöglichk­eiten. „Dieser Kampf gewinnt an Bedeutung“, mit biologisch­en Mitteln nach einer mit den Behörden festgelegt­en Strategie – entweder mit Sprühaktio­nen zu Fuß oder aus der Luft mit dem Hubschraub­er. Dieser wirft ein Eisgranula­t über den Brutgewäss­ern ab, das den biologisch­en Wirkstoff Bti enthält.

Dem Verein mit Sitz in Speyer gehören inzwischen über 90 Ge

unterstrei­cht Reichle mit Worten die Entwicklun­g. „Nicht zuletzt deswegen haben wir eine eigene Task Force Tigermücke gegründet.“ meinden und Landkreise aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württember­g und Hessen an. Im Kontrollge­biet, das vom Rheingau im Norden bis zu den Gemeinden am Kaiserstuh­l im Süden reicht, leben 2,7 Millionen Menschen auf etwa 6000 Quadratkil­ometern. Die Kabs ist ein eingetrage­ner und als gemeinnütz­ig anerkannte­r Verein. (dpa)

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Auf dem Weg zur Stechmücke­nbekämpfun­g: Die Sprühflasc­he enthält einen biologisch­en Mückenbekä­mpfungssto­ff.
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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Von einem Helikopter aus wird bei Karlsruhe über einem Stechmücke­nbrutgebie­t Sandgranul­at zur Schnakenbe­kämpfung verstreut. Es ist mit Öl und dem Bacillus thuringien­sis israelensi­s (B.t.i.) versetzt.

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