Lindauer Zeitung

Der Koch, der Nordkorea infiltrier­te

Eine dänische Dokumentat­ion zeigt Enthüllung­en, die die UN interessie­ren dürften – und Konsequenz­en nach sich ziehen könnten

- Von Steffen Trumpf

(dpa) - Warum er sich in das Doppellebe­n eines Nordkorea-Spions geworfen hat, das ist auch Ulrich Larsen selbst ein Rätsel. Er lebt mit seiner Familie in einem Vorort von Kopenhagen, arbeitete als Koch, ehe er in Vorruhesta­nd ging. Dann kam Nordkorea. „Also, ich weiß das selbst eigentlich nicht genau. Ich war immer nur ein ziemlich gewöhnlich­er Mann“, sagt der Däne, der nun im Zentrum einer aufsehener­regenden dänischen Dokumentat­ion steht – und dessen Enthüllung­en gar die Vereinten Nationen beschäftig­en könnten.

Nun ist ein ganz gewöhnlich­er Däne gemeinhin nicht die klassische Figur, aus der Spionagefi­lme gemacht werden, geschweige denn eine Dokumentat­ion über echte Machenscha­ften Nordkoreas. Dennoch oder gerade deshalb ist die Doku „Muldvarpen – undercover i Nordkorea“(Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea) des Dokumentar­filmers Mads Brügger so brisant. Sie zeigt auf, wie die nordkorean­ische Führung UN-Sanktionen umgehen will und sich bereitwill­ig als Waffenlief­erant und Drogenprod­uzent anbietet, um an Geld und auch an Öl zu gelangen.

Der dänische Rundfunkse­nder DR hat all das nun in einer dreiteilig­en Doku-Serie veröffentl­icht, es handelt sich um eine Koprodukti­on mit dem norwegisch­en Rundfunk NRK, dem schwedisch­en Sender SVT sowie der britischen BBC.

Für Larsen beginnt alles mit der Neugier auf ein abgeschott­etes Land, die durch Brüggers in Nordkorea heftig kritisiert­e Fernseh-Doku „Det Røde Kapel“(Die rote Kapelle) geweckt wird. Der ehemalige Koch tritt darauf in die dänisch-koreanisch­e Freundscha­ftsvereini­gung ein – einen recht seltsamen und langweilig­en Haufen, wie er sagt.

Doch schnell arbeitet sich der zurückhalt­ende Mann in der Vereinigun­g hoch und trifft auf den Vorsitzend­en der internatio­nalen koreanisch­en Freundscha­ftsvereini­gung KFA, einen Spanier mit aristokrat­ischen Wurzeln, der sich in besonderem Maße für Nordkoreas Belange einsetzt. Larsen wird zu seinem engen Vertrauten, reist mit Hilfe von Brügger erstmals nach Nordkorea und findet sich schließlic­h immer stärker in einem Doppellebe­n wieder, von dem selbst seine Frau nichts weiß.

Im Laufe von zehn Jahren infiltrier­t Larsen der Dokumentat­ion zufolge somit die KFA, begegnet erst einem Kontaktman­n im nordkorean­ischen Kulturmini­sterium und gelangt dann immer näher heran an Vertreter der nordkorean­ischen Führung. Am Ende verhandeln er und

Nordkorea-Spion Ulrich Larsen ein vermeintli­cher skandinavi­scher Geschäftsm­ann – ein früherer Fremdenleg­ionär und Kokain-Dealer, der in die Rolle von „Mr. James“schlüpft – mit hochrangig­en Nordkorean­ern über den Verkauf komplexer Waffensyst­eme und die Herstellun­g von Drogen. In Uganda – so die Doku – planen sie gemeinsam den Bau einer heimlichen unterirdis­chen Waffenund Drogenfabr­ik, während anderswo der Plan ausgeheckt wird, wie ein Millionen-Deal zwischen Nordkorea, Mr. James und einem jordanisch­en Ölhändler über die Bühne gebracht werden kann.

Bei all dem handelt es sich mutmaßlich um Verstöße gegen die UNSanktion­en, die wegen Nordkoreas Atom- und Raketenpro­gramm verhängt worden sind. Sie verbieten unter anderem ausdrückli­ch den Handel mit Waffen und Öl mit Nordkorea. Nordkorea wurde in den vergangene­n Jahren immer wieder vorgeworfe­n, die Sanktionen zu umgehen. Trotz der damit verbundene­n erhebliche­n Risiken werden die Treffen

mit versteckte­n Mikrofonen und Kameras aufgenomme­n. Die Doku erinnert dabei an manchen Stellen an die Hollywood-Komödie „The Interview“

mit James Franco und Seth Rogen, in der ein US-Showmaster für die CIA im Rahmen eines Interviews den nordkorean­ischen Machthaber Kim Jong-un ermorden soll. Das löste 2014 gehörigen politische­n Ärger mit Pjöngjang aus, in dessen Zuge gar mit Anschlägen auf Kinos gedroht wurde. Der entscheide­nde Unterschie­d diesmal ist: Die Dokumentat­ion ist nicht fiktiv, sondern zeigt reale Treffen und Abmachunge­n.

Dass er sich dabei erhebliche­n Gefahren ausgesetzt hat, ist Larsen durchaus bewusst. „Es besteht kein Zweifel, dass da jemand wütend wird. Ich habe ja einigen Leuten ziemlich ans Bein gepinkelt und gegenüber diesen Menschen unfassbar viel gelogen“, sagte er dem DR.

Internatio­nal hat die Doku nun ein Nachspiel: Dänemark und Schweden haben ihre UN-Vertretung­en damit beauftragt, das Sanktionsk­omitee der Vereinten Nationen über die Serie in Kenntnis zu setzen. Man sei sehr besorgt über den Inhalt und die gezeigten Aktivitäte­n im Zusammenha­ng mit Nordkorea, teilten die schwedisch­e Außenminis­terin Ann Linde und der dänische Außenminis­ter Jeppe Kofod am Montag mit. „Wir nehmen den Inhalt der Dokumentat­ion sehr ernst, da er eine Reihe von zutiefst problemati­schen Fragen und Bedenken hervorruft.“Auch in der EU soll die Angelegenh­eit angesproch­en werden. Und Larsen ist nach DR-Angaben bereits zu einem Treffen mit dem zuständige­n UN-Expertenau­sschuss eingeladen worden.

In der Doku ziehen die Dänen schließlic­h die Handbremse: „Mr. James“taucht ab, da der nächste Schritt gewesen wäre, tatsächlic­h die versproche­nen Millionen auf den Tisch zu legen. Und auch der Maulwurf macht reinen Tisch, indem er seine Frau einweiht, die über all die Jahre nichts davon wusste. Und auch seinem spanischen KFA-Mentor legt er die Wahrheit schließlic­h offen. Der kappt die Verbindung, und Larsen atmet tief durch. „Würdest du gerne nochmal Maulwurf sein?“, fragt ihn Filmemache­r Brügger. „Nicht auf die gleiche Weise“, sagt Larsen. Dann ergänzt er: „Aber man soll ja niemals nie sagen.“

„Ich war immer nur ein ziemlich gewöhnlich­er Mann.“

 ?? FOTO: JONAS BERLIN/DR/MULDVARPEN/DPA ?? Die undatierte, am 13.10.2020 vom dänischen Rundfunkse­nder DR herausgege­bene, Aufnahme aus der Dokumentat­ion „Muldvarpen – Undercover i Nordkorea“(Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea) zeigt den Protagonis­ten Ulrich Larsen.
FOTO: JONAS BERLIN/DR/MULDVARPEN/DPA Die undatierte, am 13.10.2020 vom dänischen Rundfunkse­nder DR herausgege­bene, Aufnahme aus der Dokumentat­ion „Muldvarpen – Undercover i Nordkorea“(Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea) zeigt den Protagonis­ten Ulrich Larsen.
 ?? FOTO: KLAUS VEDFELT, WINGMAN/DR/MULDVARPEN/DPA ?? Der dreiteilig­e Dokumentar­film ist eine Koprodukti­on mit dem norwegisch­en Rundfunk NRK, dem schwedisch­en Sender SVT sowie der britischen BBC.
FOTO: KLAUS VEDFELT, WINGMAN/DR/MULDVARPEN/DPA Der dreiteilig­e Dokumentar­film ist eine Koprodukti­on mit dem norwegisch­en Rundfunk NRK, dem schwedisch­en Sender SVT sowie der britischen BBC.

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