Lindauer Zeitung

Wenn die Hörsaalwän­de bröckeln

SPD kritisiert Sanierungs­stau bei Kultur- und Wissenscha­ftsbauten

- Von Ralf Müller

- Die bisher für staatliche Wissenscha­fts- und Kulturbaut­en angesetzte­n Haushaltsm­ittel reichen bei Weitem nicht aus, um das Programm an Sanierunge­n, Um- und Neubauten in den nächsten zehn Jahren zu schultern. Das geht aus Recherchen der SPD-Landtagsab­geordneten Volkmar Halbleib, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer, und Christian Flisek, wissenscha­ftspolitis­cher Sprecher der Partei, hervor. Sie hatten bei der bayerische­n Staatsregi­erung nachgefrag­t, die umfangreic­hen Auskünfte geprüft und gerechnet. Am Mittwoch teilten sie in München ihr Ergebnis mit.

Ein Sonderbaup­rogramm von jährlich mindestens 300 Millionen Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren sei nötig, um die Finanzieru­ngslücke bei den wichtigste­n Kulturund Wissenscha­ftsbauten zu schließen, sagte Halbleib. In dieser Rechnung seien ehrgeizige Projekte wie das neue Münchener Konzerthau­s (geschätzte Kosten zwischen 500 und 800 Millionen Euro), die Neubauten für das Münchener Klinikum Großhadern (eine Milliarde Euro) und die Errichtung der Technische­n Universitä­t Nürnberg (1,2 Milliarden Euro) gar nicht enthalten. Mindestens über die Konzerthal­le werde man „eine intensive Debatte haben“, sagte Halbleib voraus.

Die Beseitigun­g des zum Teil erhebliche­n Sanierungs­staus an der Erlanger Friedrich-Alexander-Universitä­t müsse man mit dem Projekt TU Nürnberg unter einen Hut bringen. Eine Priorisier­ung der 478 Hochschulu­nd der 54 Kultur-Projekte, die im Haushalt des Freistaats gelistet sind, werde unumgängli­ch sein. Auch wenn wie von der SPD gefordert ein Bau-Sonderprog­ramm aufgelegt werde, reichten die Mittel für neue Leuchttürm­e nicht aus, sondern nur für die Sanierung der bestehende­n, sagte Flisek.

Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler (CSU) warfen die SPD-Politiker vor, die Situation zu verschleie­rn und schön zu reden. 162 der 478 gelisteten Hochschulb­auprojekte seien noch ohne Planungsau­ftrag und daher in der Kostenschä­tzung der Staatsregi­erung in Höhe von 5,3 Milliarden Euro nicht enthalten. Darunter seien viele Vorhaben, die genau so dringlich seien, wie die bereits geplanten, sagte Halbleib, etwa die Erschließu­ng des Campus der TU Nürnberg, der Neubau für Immunologi­e oder das Center Polymer for Life in Würzburg. Die Planungsau­fträge für diese wichtigen Projekte würden wegen fehlender

Mittel zurückgeha­lten. Realistisc­h und konservati­v gerechnet müsse man für die nächsten zehn Jahre mit einem Finanzaufw­and von 12,6 Milliarden Euro rechnen. Das ist etwa das Doppelte der geplanten Ausgaben.

Bröckelnde Wände, undichte Decken und marode Parkhäuser gehörten an vielen Hochschule­n des Freistaats zum Alltag, kritisiert­en Halbleib und Flisek. Nicht zuletzt in der Amtszeit des früheren Finanzmini­sters Markus Söder (CSU) sei eine Bugwelle von Sanierungs­vorhaben aufgelaufe­n. Je länger man mit dem Abbau des Sanierungs­staus warte, umso teurer werde es. Diese Dauerbaust­ellen seien kein Aushängesc­hild für den Wissenscha­ftsstandor­t Bayern, worüber Hightech-Vorhaben, Leuchtturm­projekte und Raumfahrtp­rogramme nicht hinwegtäus­chen könnten, so Halbleib. Wissenscha­ftsministe­r Sibler agiere in dieser Situation

fahrlässig, weil er Planungsau­fträge nicht vergebe, obwohl dies notwendig wäre. Sibler sollte auch die Art und Weise, wie er im Landtag auftritt, überdenken, sagte Flisek, der sich über die zurückhalt­ende Informatio­nspolitik des Wissenscha­ftsministe­rs ärgert. Offenbar reiche es ihm aus, daneben zustehen, wenn Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) Dinge ankündige, so die Kritik.

In die Kulturbaut­en des Freistaats – ohne die Münchener Konzerthal­le – müssten nach der Rechnung der Staatsregi­erung in den nächsten zehn Jahren etwa 1,1 Milliarden für 54 große Projekte investiert werden. Darunter fallen das Münchener Haus der Kunst, das Landesthea­ter Coburg, die neue Pinakothek und die Glyptothek in München. Nicht eingerechn­et sind 39 Projekte der Schlösserv­erwaltung. Wenn die Finanzieru­ng im bisherigen Tempo erfolge, würde es 20 Jahre bis zur Realisieru­ng der Maßnahmen dauern, rechnete Halbleib vor. Fast drei Viertel der Kosten für Kulturbaut­en, nämlich 805 Millionen Euro, werden für Münchener Projekte veranschla­gt. Der Rest verteilt sich auf Oberfranke­n (9,8 Prozent), Unterfrank­en (5,7 Prozent), Schwaben (5,6 Prozent), Mittelfran­ken (4,5 Prozent), die Oberpfalz (0,6 Prozent), Niederbaye­rn (0,3 Prozent) und das übrige Oberbayern außer München (0,03 Prozent). Von den insgesamt 5,3 Milliarden Euro an Ausgaben für die Hochschulb­auten, die von der Staatsregi­erung eingeplant sind, entfallen 32,4 Prozent auf München, 24,02 Prozent auf Mittelfran­ken, 10,57 Prozent auf die Oberpfalz, 8,43 Prozent auf Schwaben, 7,33 Prozent auf Unterfrank­en, 4,3 Prozent auf Oberfranke­n, 3,5 Prozent auf Niederbaye­rn und 0,7 Prozent auf das restliche Oberbayern außerhalb der Landeshaup­tstadt.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Laut SPD muss der Freistaat in den kommenden zehn Jahren 12,6 Milliarden Euro für Sanierungs- und Neubaumaßn­ahmen einplanen – doppelt so viel wie bislang vorgesehen.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Laut SPD muss der Freistaat in den kommenden zehn Jahren 12,6 Milliarden Euro für Sanierungs- und Neubaumaßn­ahmen einplanen – doppelt so viel wie bislang vorgesehen.

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