Lindauer Zeitung

Frauen und Frieden: Versammlun­g findet virtuell statt

Religions for Peace plant Veranstalt­ung mit 500 Teilnehmer­n – Gesteuert wird sie von der Inselhalle aus

- Von Julia Baumann

- Die Entwicklun­g der Corona-Pandemie lässt keinen Spielraum: Das im November geplante Treffen von Religions for Peace in Lindau wird komplett virtuell stattfinde­n. Das bedeutet aber auch, dass Lindauer Teil der Konferenz sein können: Die Tagung wird ins Internet übertragen, vieles davon wird frei zugänglich sein.

Noch im Sommer hatte Ulrich Schneider die Hoffnung, dass die Versammlun­g als eine Art Hybrid funktionie­ren könnte: Etwa 250 der Teilnehmer sollten sich in der Lindauer Inselhalle treffen, mehrere Hundert weitere aus der ganzen Welt zugeschalt­et werden. „Wir sind von Anfang an sehr variabel in die Planung gegangen“, sagt der Geschäftsf­ührer der Lindauer Stiftung „Friedensdi­alog der Weltreligi­onen und Zivilgesel­lschaft“, die das Treffen ausrichtet. Mit Blick auf die Entwicklun­g der Pandemie und die bundesweit geplanten Beschränku­ngen im November sei jetzt aber klar, dass die Konferenz nur online möglich sei.

Bisher haben sich zum virtuellen Treffen rund 500 Religionsv­ertreterin­nen und Religionsv­ertreter aus mehr als 60 Ländern angemeldet, darunter auch Ela Gandhi, die Enkelin von Mahatma Gandhi, und Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsit­zende der evangelisc­hen Kirche Deutschlan­d.

Ein Team von rund 70 Köpfen wird die Tagung von der Lindauer Inselhalle aus steuern: Im großen Saal soll eine Art Studio entstehen für die Moderation, Podiumsdis­kussionen und sogar kleine Konzerte, dazu sind insgesamt 18 Workshops geplant. Auf der Internetse­ite der Stiftung wird alles live übertragen.

Damit Corona dem Organisati­onsteam keinen Strich durch die Rechnung macht, ist während der gesamten Tagung eine Hygienesch­utzbeauftr­agte in der Inselhalle. Wer das Gebäude betritt, muss einen Corona-Schnelltes­t machen, und zwar täglich. „Wir wollen unter allen Umständen verhindern, dass sich jemand infiziert“, sagt Schneider bei der Pressekonf­erenz am Donnerstag.

Religions for Peace ist nach eigenen Angaben die größte interrelig­iöse Nichtregie­rungsorgan­isation der Welt. Sie wurde vor 50 Jahren gegründet, ihr Sitz ist in New York. In unregelmäß­igen Abständen

Unter dem Motto „Frauen, Glauben und Diplomatie“werden sich die Teilnehmer der Tagung vom 10. bis zum 13. November mit der Rolle gläubiger Frauen im Friedenspr­ozess auseinande­rsetzen. „Frieden in der Welt geht nicht ohne Frieden zwischen den Religionen“, sagt Stiftungsr­atsvorsitz­ende Annette Schavan. Und sie ist überzeugt: „Keine Religion wird relevant bleiben, wenn finden große Treffen mit Religionsv­ertretern aus der ganzen Welt statt. Das zehnte Welttreffe­n war im vergangene­n Jahr in Lindau. Die Organisati­on setzt sich für Frieden zwischen den Religionen ein. (jule)

Frauen darin keinen Raum bekommen.“

Religions for Peace selbst geht mit gutem Beispiel voran: Bei der Welttagung im vergangene­n Jahr, zu der knapp tausend Religionsv­ertreter aus der ganzen Welt auf die Lindauer Insel gereist waren, wurde die Ägypterin Azza Karam zur Generalsek­retärin der Nicht-Regierungs-Organisati­on mit Sitz in New York gewählt. „Wir werden diskutiere­n, wie Glaube das Führungsve­rhalten auf der Welt verändert und welche Rolle Frauen dabei spielen“, sagt Azza Karam, die per Livestream aus New York zur Pressekonf­erenz in Lindau zugeschalt­et ist. Die Corona-Pandemie wirke hier wie ein Brennglas: „Jetzt haben wir eine Chance auf Veränderun­g“, sagt sie. „Und wir werden untersuche­n, wie der Glaube dem zugute kommt.“

Die Gerechtigk­eit zwischen Mann und Frau war eines der Themen, die sich die Religionsv­ertreter beim Welttreffe­n im vergangene­n Jahr in Lindau und beim Nachtreffe­n in New York ganz oben auf die Agenda gesetzt hatten. „Die Pandemie hält uns nicht davon ab, die großen, wichtigen Themen zu bearbeiten“, sagt Lindaus Oberbürger­meisterin Claudia Alfons. Sie freue sich, dass die Tagung allen Umständen zum Trotz stattfinde­n kann.

Szenen wie im vergangene­n Jahr, als sich Menschen unterschie­dlicher Herkunft und Religion umarmt, an den Händen gehalten oder in der Pause ungezwunge­n auf einen Kaffee getroffen haben, wird es in diesem Jahr nicht geben – auch wenn allen klar ist, dass es gerade diese zwischenme­nschlichen Gesten sind, die die Treffen von Religions for Peace ausmachen.

Ein bisschen von diesem „Lindauer Geist“, wie es die Teilnehmer im vergangene­n Jahr nannten, wollen die Organisato­ren aber trotzdem aufleben lassen. Am zweiten Tag der Konferenz planen sie am Ring for Peace, der großen Skulptur auf der Hinteren Insel, eine Lichterpro­zession mit Live-Musik, an der Menschen weltweit per Livestream teilnehmen sollen. Außerdem soll es virtuelle Kaffee-Pausen geben, bei denen sich die Teilnehmer online ganz „zufällig“treffen können, wie Ulrich Schneider erklärt: In den Pausen können sie sich gegenseiti­g anklicken und miteinande­r chatten. Jeder an seinem Ende der Welt.

Wer vom 10. bis 13. November selbst Teil der Tagung sein möchte, findet die Livestream­s unter www.ringforpea­ce.org

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Ulrich Schneider, Claudia Alfons, Annette Schawan, Jessica Knall und Azza Karam im Livestream (von links) stellen die virtuelle Tagung in Lindau vor.

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