Ein einsamer Held
Das Grauen könnte nicht größer sein in diesen Tagen in Frankreich. Drei islamistische Anschläge in nur gut einem Monat: Ein Angriff mit dem Metzgerbeil vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude der Satirezeitung „Charlie Hebdo“, die Enthauptung eines Lehrers in der Nähe von Paris und eine Messerattacke mit drei Toten in einer Kirche in Nizza. Zumindest zwei der drei Attentate hängen mit den Mohammed-Karikaturen zusammen, die „Charlie Hebdo“Anfang September erneut abdruckte. Die Journalistinnen und Journalisten berufen sich mit ihren frechen Zeichnungen auf die Meinungsfreiheit, die in Frankreich ein hohes Gut ist. Im Land von „Liberté, Egalité, Fraternité“geht sie sogar weiter als anderswo: Blasphemie ist seit 1881 erlaubt. Im Geiste der Aufklärung sollen sich die Menschen selbst ein Urteil darüber bilden, was sie schockiert und was nicht. Der nackte Hintern des Propheten Mohammed? Der Papst als schwuler Liebhaber eines Schweizer Gardisten?
Emmanuel Macron, selbst oft Gegenstand des Spotts, verteidigt das Recht auf die spitze Feder. „Wir werden nicht auf die Karikaturen verzichten“, sagte der Präsident bei der Trauerfeier für den enthaupteten Lehrer Samuel Paty. Es war eine mutige Ansage an all jene, die die Meinungsfreiheit im Namen der Religion bekämpfen wollen.
Eigentlich müsste der Staatschef die Unterstützung jeder Europäerin und jedes Europäers haben. Denn die Meinungsfreiheit geht jeden an. Für seine Äußerung schlagen Macron nun in der muslimischen Welt heftige Proteste entgegen. Seine Bilder werden verbrannt, französische Produkte boykottiert. Doch die Solidarität Europas beschränkt sich auf verbale Verurteilungen. Für Sanktionen gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der die Proteste anheizte, wirbt die französische Regierung bisher vergeblich. Dabei hätte Frankreich durchaus mehr Unterstützung verdient: Macron darf kein einsamer Held der Meinungsfreiheit werden.