Zwitter aus Aktie und Anleihe
Genussscheine versprechen überdurchschnittliche Verzinsung, aber die Risiken sind hoch
- Geld anlegen mit Genuss? Klingt wunderbar, doch die Anlageform, die dies suggeriert, hat es in sich. Sogenannte Genussscheine stellen eine eigene, nicht regulierte Wertpapierform dar, die eine Art Zwitter aus Aktien und Anleihen bildet. Wie bei anderen Wertpapieren auch werden sie von Unternehmen herausgegeben, die sich auf diese Weise Geld von Anlegern leihen, ohne diese allerdings direkt an der Gesellschaft zu beteiligen. „Die Ausgestaltung von Genussscheinen ist kaum reguliert, die Gestaltungsspielräume der emittierenden Unternehmen also groß“, sagt dazu Hermann-Josef Tenhagen von der Verbraucherplattform Finanztip, der die Papiere aus diesem Grund dem grauen Kapitalmarkt zuordnet. Anleger erwerben sich mit dem Genussschein für eine bestimmte Laufzeit von meist drei bis zehn Jahren eine Art stille Beteiligung am Gewinn oder an den Erträgen aus einem bestimmten Projekt wie etwa einem Windpark. Einst hatte die damalige Audi NSU Auto Union in Neckarsulm für ihren avantgardistischen Wankelmotor 1969 Genussscheine ausgegeben, über die Anleger von den Erträgen aus den Wankel-Lizenzen profitieren konnten.
Anders als bei einer Aktie haben die Halter von Genussscheinen nur ein reines Gläubigerrecht, aber kein Mitspracherecht bei gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen, weshalb „Genüsse“den im Ausland vorkommenden stimmrechtslosen Vorzugsaktien gleichkommen. Grundsätzlich sichert das Unternehmen dem Anleger eine jährliche Verzinsung seines eingesetzten Kapitals zu, ebenso die Rückzahlung des Anlagebetrags zum Nennwert am Laufzeitende. Die Höhe der nicht garantierten Verzinsung hängt aber, wie die Dividende einer Aktie, vom Jahresgewinn des emittierenden Unternehmens ab. Bei einem Bilanzverlust kann der Emittent die Ausschüttung aussetzen oder sogar den Rückzahlungsanspruch verringern. Im Gegenzug sind mit Genussscheinen aber Renditen möglich, die deutlich über dem allgemeinen Zinsniveau liegen.
Dies wird am Beispiel eines Genussscheins der Bertelmann AG klar, bei dem der Gewinnanteil 15 Prozent beträgt, wenn die Gesamtkapitalrendite zwischen zwölf und 16 Prozent pendelt. Liegt die Gesamtkapitalrendite darüber oder darunter, wird auch der Gewinnanteil für den Genussschein angepasst. Immerhin, wie hier im Fall Bertelsmann können Fehlbeträge in einem Jahr den Gewinnanspruch des Folgejahres erhöhen. Sehen lassen kann sich auch der Gewinnanteil eines Genussscheins der
Drägerwerk AG (WKN: 555067), für den es das Zehnfache der Jahresdividende der Aktie gibt – wenn eben alles gut läuft. Die Ausschüttung kann grundsätzlich fest vereinbar oder variabel sein und neben der Verzinsung auch eine Beteiligung am Unternehmensgewinn vorsehen. Die Verzinsung erfolgt meist nicht über eine Auszahlung, sondern über einen Aufschlag auf den Kurs der Papiere.
Das größte Risiko, das ein Anleger beim Kauf von Genussscheinen eingeht, ist der Umstand, dass diese Anlage nur nachrangig besichert ist. Das heißt, die Verbindlichkeiten werden im Falle einer Insolvenz des Emittenten erst nach den Forderungen der anderen Fremdkapitalgläubiger bedient. „Ein Totalausfall der Investments ist deshalb möglich“, macht Tenhagen klar.
Sofern Genussscheine an der Börse gehandelt werden, können sie auch börsentäglich veräußert werden. Allerdings empfiehlt sich hier ein genauer Blick auf die Spreads, also die Geld-/Briefspanne. Bei dem beschriebenen Bertelsmann-Genussschein lag der Geldkurs, den der Verkäufer erzielt, vergangene Woche bei 182 Euro. Der Briefkurs, zu dem der Käufer den Genussschein erwirbt, bei 190 Euro. Das ergibt eine Geld-/Briefspanne von 8 Euro oder 4,396 Prozent. Das heißt, um in die Gewinnzone zu kommen, muss der Kurs erst mal um 4,396 Prozent steigen. Die Spreads können aber auch niedriger sein, wie man am Schein der Drägerwerk AG mit 1,19 Prozent sieht. Der Grund für die insgesamt dennoch verhältnismäßig weiten Geld-/Briefspannen liegt zum einen in den meist niedrigen Emissionsvolumina von Genussscheinen. Und zum anderen in dem Umstand, dass es bei diesen Papieren keine Market Maker gibt, die für zusätzliche Liquidität sorgen. Derzeit sind an der Börse Stuttgart gerade mal 13 Genussscheine notiert.