Knietief im Dispo
Bürgerbewegung Finanzwende kritisiert hohe Überziehungszinsen der Geldhäuser – Gefahr von Privatinsolvenzen
- Auch in der CoronaKrise kommen die Banken ihren Kunden beim Dispositionskredit nicht entgegen. Im Schnitt verlangen sie 9,94 Prozent Zinsen für die Überziehung des Girokontos. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung der FMH-Finanzberatung für die Bürgerbewegung Finanzwende. Sie beruht auf den Entgeltinformationen von 1240 Kreditinstituten mit insgesamt 3400 Kontomodellen. Die Höhe der Dispozinsen kritisieren Verbraucherschützer schon lange, verstärkt aber im Niedrigzinsumfeld, seitdem es also auf Guthaben kaum noch Zinsen gibt und die Sparer für hohe Einlagen sogar Gebühren zahlen müssen.
In der Corona-Krise seien hohe Dispozinsen ein besonderes Ärgernis, zehn Prozent und mehr, das sei zu viel, erklären die Verantwortlichen der Bürgerbewegung Finanzwende. „Dispozinsen von zehn Prozent und mehr sollte es während der Corona-Krise nicht geben“, heißt es bei der als Verein organisierten Organisation. Einzelne Banken hätten im Vergleich zu der ersten Auswertung vor einem halben Jahr die Dispozinsen während der Krise sogar erhöht. Einige wenige Institute hätten sie zwar während der CoronaKrise zumindest für Bestandskunden gesenkt, dies aber inzwischen wieder rückgängig gemacht, sagt Julian Merzbacher, der bei der Bürgerbewegung zuständig ist für Verbraucherschutz: „Mittlerweile ist davon nur noch die Taunus-Sparkasse übriggeblieben.“
Einen zweistelligen Zinssatz verlangte mehr als die Hälfte der Banken. Dabei sticht die Volksbank Raiffeisenbank Oberbayern Südost mit 13,75 Prozent heraus, sechs der zehn teuersten Banken stammen aus Bayern. In Baden-Württemberg ist die Volksbank Rottweil Spitzenreiter mit einem Dispozins von 12,5 Prozent. Teuerste Sparkasse sogar in ganz Deutschland ist die Sparkasse im baden-württembergischen Gengenbach, die 12,31 Prozent verlangt.
Die Branche verweist darauf, dass Dispokredite von den Kunden besonders kurzfristig genutzt werden könnten. Deshalb seien die Zinsen im Vergleich zu Ratenkrediten auch höher, heißt es von der Deutschen Kreditwirtschaft. Die Banken argumentierten zum Teil, sie wollten mit hohen Zinsen ihre Kundschaft abschrecken vom Dispokredit, sagt Julian Merzbacher von Finanzwende: „Das ist makaber. Das nehmen wir zum Anlass, bei diesem Thema auf jeden Fall dranzubleiben und weiter darauf zu drängen, dass die Banken und Sparkassen den Dispo endlich senken.“
Dispokredite solle man nur in Ausnahmefällen und nur für kurze Zeit nutzen, dazu rät auch die Stiftung Warentest. Günstiger seien da
Ratenkredite. Viele Menschen seien gerade in einer Ausnahmesituation, Aufträge könnten plötzlich wegbrechen, Menschen würden schnell auf
Kurzarbeit umgestellt oder entlassen, meint Merzbacher: „Die Banken müssen da zur Lösung der Probleme beitragen, die die Leute jetzt draußen haben, und nicht mit überteuerten Dispozinsen noch den Reibach machen.“
Über Preise und damit auch Zinsen, entscheide jedes Institut selbst, argumentiert die Deutsche Kreditwirtschaft. Denn die bildeten sich am Markt. Doch einen wirklichen Wettbewerb gebe es bei den Dispozinsen nicht, hält Finanzwende dagegen, denn bei der Auswahl des Girokontos sei die Höhe des Dispozinses nicht das wesentliche Entscheidungskriterium. „Die einzelnen Unternehmen agieren da im freien Raum, unabhängig von dem was andere Institute tun“, sagt Merzbacher.
Einzelne Institute verhalten sich jedoch auch vorbildlich: So gewähren sowohl die Deutsche Skatbank als auch die GLS Bank einen Dispositionskredit sogar zinslos – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Bei der Skatbank ist ein monatlicher Mindestgeldeingang erforderlich, bei der GLS Gemeinschaftsbank darf der Dispokredit nicht mehr als 10 000 Euro betragen. Ansonsten verlangen sie vergleichsweise moderate Zinsen. Wenige Banken kommen mit Dispozinsen von unter sieben Prozent aus.