Lindauer Zeitung

Der BER eröffnet – und kaum jemand fliegt

Mit einer Verspätung von neun Jahren starten auf dem neuen Berliner Flughafen die ersten Jets – Wegen Corona sind es viel weniger als geplant

- Von Burkhard Fraune, Andreas Heimann und Matthias Arnold

(dpa) - Endlich Durchstart­en nach dem Baufiasko: Mitten in der Corona-Krise hat der Hauptstadt­flughafen BER eröffnet. Mehrere Tausend Fluggäste checkten am Wochenende reibungslo­s am neuen Willy-Brandt-Flughafen ein oder landeten dort. In den langen Gängen hatten sie viel Platz: Wegen der Seuche wird viel weniger geflogen als üblich.

„Endlich können wir unseren Flughafen in Betrieb nehmen. Endlich“, sagte Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup bei der Eröffnung am Samstag. Nur einige Dutzend Gäste waren dabei, wegen Corona, aber auch wegen der Geschichte des Projekts mit zahlreiche­n Management­fehlern und Baumängeln. Der BER ging mit neun Jahren Verspätung ans Netz.

Auch die Eröffnung lief nicht wie geplant: Die beiden ersten Flugzeuge konnten nicht gleichzeit­ig auf den beiden Landebahne­n aufsetzen. Wegen schlechter Sicht entschied der

Tower, dass sie nacheinand­er landen, erst Easyjet, wenige Minuten später die Lufthansa.

In den nächsten Tagen ziehen sämtliche Airlines von Tegel zum BER, der Berliner Innenstadt­flughafen

schließt am Sonntag. 64 Passagiere einer Easyjet-Maschine nach London waren die ersten, die am Sonntag im BER eincheckte­n. Am Samstagabe­nd waren bereits einige Flugzeuge mit Urlaubern dort gelandet. Insgesamt

standen am Sonntag 23 Starts und Landungen auf dem Flugplan für das neue Terminal.

Die Eröffnung fällt in die schwerste Krise der Luftfahrt seit dem Zweiten Weltkrieg, wie es in der Branche heißt. Fluggesell­schaften ringen um ihre Existenz und die Flughafeng­esellschaf­t Berlin-Brandenbur­g macht große Verluste. Sie rechnet frühestens Mitte der 2020er-Jahre mit Gewinn.

„Wir werden alle miteinande­r einen harten Winter haben“, kündigte Lütke Daldrup an. Nach dem vollständi­gen Umzug rechne man am BER am kommenden Sonntag mit gut 15 000 Fluggästen statt der üblichen 80 000. Lange meinten Kritiker, der neue Berliner Flughafen sei zu klein geraten. Jetzt wird die Jahreskapa­zität von 41 Millionen Fluggästen bei Weitem nicht ausgereizt. Etwa ein Viertel werden es in diesem Jahr sein.

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) forderte nach 14 Jahren Bauzeit mit zahlreiche­n Pannen: „Die Zeit der Jokes über den BER muss jetzt zu Ende sein.“Er sicherte zu, alles dafür zu tun, dass der Flughafen ein internatio­nales Drehkreuz werde. Forderunge­n nach mehr Verkehrsre­chten für Langstreck­enflieger in Berlin blieben bisher aber folgenlos.

„Wir brauchen die Augenhöhe mit den Flughäfen Frankfurt am Main und München“, sagte Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD). In Berlin ist der Marktantei­l der Billigflie­ger höher als an den beiden größeren Flughäfen. Die Berliner Tourismusb­ranche erwartet, dass am BER die Billigflie­ger Passagiere zu den Langstreck­enmaschine­n der Netzwerk-Carrier bringen und den Flughafen so zum Drehkreuz machen.

Sechs Milliarden Euro hat der Bau bislang verschlung­en, dreimal so viel wie geplant. Nicht nur deshalb ist der Flughafen umstritten. Hunderte Klimaschüt­zer und Gegner des Flughafenp­rojekts zogen am Samstag zum BER. Aufgerufen hatten unter anderem Fridays for Future Berlin, Extinction Rebellion und der BUND. Angesichts der Erderwärmu­ng sei die Eröffnung eines Riesenflug­hafens unverantwo­rtlich, kritisiert­e Extinction Rebellion.

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FOTO: DPA Eine Maschine der Fluggesell­schaft Easyjet am Sonntag am Terminal 1 des BER: Die Eröffnung des Airports fällt in eine schwere Krise der Luftfahrt.

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