Lindauer Zeitung

Hoffen auf Wunder

Helfer in Türkei suchen nach Verschütte­ten – Zahl der Toten steigt

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(dpa) - Nach dem Erdbeben in der Ägäis mit zahlreiche­n Toten suchen Helfer in der türkischen Metropole Izmir weiter nach Überlebend­en – doch die Hoffnung schwindet. Zugleich verbrachte­n Menschen, die nicht in ihre beschädigt­en Häuser zurückkehr­en konnten, die Nächte in Notunterkü­nften. Auch auf der griechisch­en Insel Samos schliefen aus Angst vor Nachbeben viele Menschen erneut im Freien, in Autos und Zelten. Die türkische Katastroph­enschutzbe­hörde Afad meldete auch am Sonntag weitere kleinere Nachbeben.

Nach 33 Stunden konnten die Helfer in Izmir einen 70-jährigen Mann aus den Trümmern ziehen, wie der Sender CNN Türk berichtete. Einsatzkrä­fte klatschten und jubelten, als er zum Krankenwag­en getragen wurde. „Es ist ein Wunder“, sagte ein Rettungshe­lfer dem Sender. Er sei besonders glücklich, weil er Geburtstag habe, fügte er hinzu. Die Rettung des 70-Jährigen habe das gesamte Einsatztea­m motiviert.

Die Helfer bargen aber auch weitere Leichen. Die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu berichtete unter Berufung auf Afad, die Zahl der Todesopfer in der Türkei sei auf 62 gestiegen. Hunderte Menschen wurden nach offizielle­n Angaben verletzt, acht sind auf der Intensivst­ation, mehr als 100 Menschen wurden aus den Trümmern gerettet.

Zwei Jugendlich­e waren auf der griechisch­en Insel Samos von einer Mauer erschlagen worden. Der 17jährige Schüler und seine 15 Jahre alte Freundin waren auf dem Nachhausew­eg offenbar von dem Erdbeben überrascht worden, in einer engen Gasse brach eine Mauer über ihnen zusammen.

Das erste Beben Freitag um 14.51 Uhr Ortszeit (12.51 Uhr MEZ) hatte nach Angaben der türkischen Katastroph­enbehörde eine Stärke von 6,6. Das Zentrum lag demnach in der Ägäis vor der türkischen Provinz Izmir. Die für Erdbeben zuständige US-Behörde USGS gab die Stärke des Bebens sogar mit sieben an.

Nach Angaben des Seismologe­n Marco Bohnhoff vom Deutschen GeoForschu­ngsZentrum GFZ in Potsdam handelte es sich um ein sogenannte­s Abschiebun­gsbeben in der oberen Erdkruste – ein Teil des Untergrund­es habe sich also nach unten bewegt. „Für diese Art von Erdbeben ist diese Stärke am oberen Ende des Möglichen und wird eher selten beobachtet“, teilte er mit.

Am stärksten war das Viertel Bayrakli der türkischen Millionens­tadt Izmir betroffen. Mehrere Gebäude stürzten komplett ein. Hunderte Bauten wurden beschädigt, sagte Vize-Präsident Fuat Oktay am Sonntag. Arbeiter begannen mit dem Abriss von unbewohnba­ren Gebäuden.

Insgesamt müssten 26 Gebäude eiligst abgerissen werden, sagte Oktay. Er warnte die Einwohner eindringli­ch davor, in beschädigt­e Häuser zurückzuke­hren. Der Staatssend­er TRT zeigte ein mehrstöcki­ges Haus, das zur Seite gekippt war und mit Kränen abgestützt wurde. Die Bewohner wurden in Sicherheit gebracht. Feuerwehrl­eute retteten eine Katze, die in einer Wohnung zurückgebl­ieben war.

Oktay sagte weiter, Vereinshei­me und Sporthalle­n stünden als Notunterkü­nfte zur Verfügung. Zudem seien 1500 Zelte errichtet worden, mehr als 2000 weitere sollen folgen. Auch Container würden bereitgest­ellt. Der

Bürgermeis­ter von Izmir, Tunc Soyer, sagte, es würden Decken und Heizer ausgeteilt, weil in den nächsten Tagen kühlere Temperatur­en erwartet werden. Schulen in Izmir wurden für eine Woche geschlosse­n.

Nach offizielle­n Angaben vom Sonntag suchten die Helfer an acht Gebäuden weiter nach Überlebend­en. Die Rettungsar­beiten wurden zwischenze­itlich von umliegende­n einsturzge­fährdeten Gebäuden behindert. Immer wieder mahnten sie Einsatzkrä­fte zur Stille, um Stimmen hören zu können.

In der Nacht zu Samstag wurde eine Frau nach fast zehn Stunden lebend aus den Trümmern eines siebenstöc­kigen Gebäudes gerettet, die zuvor mit Helfern telefonier­en konnte. Nach rund 23 Stunden bargen die Helfer am Samstag eine Frau mit ihren drei Kindern lebend aus einem achtstöcki­gen Gebäude. Nach Angaben von Gesundheit­sminister Fahrettin Koca starb ein Kind, ein siebenjähr­iger Junge, die anderen würden weiter behandelt.

Auf Videoaufna­hmen war zu sehen, wie Helfer eine Katze und später auch ein Kaninchen aus den Trümmern retteten. Trotz politische­r Spannungen ließ das Beben die Nachbarn Türkei und Griechenla­nd zunächst näher zusammenrü­cken.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der griechisch­e Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis hatten am Freitagabe­nd auf Twitter ihre gegenseiti­ge Solidaritä­t ausgedrück­t. Die Europäisch­e Union und die Nato boten der Türkei und Griechenla­nd Unterstütz­ung an. Erdogan bedankte sich via Twitter für die weltweite Solidaritä­t.

In der Türkei verlaufen mehrere Verwerfung­slinien. Das Land wird immer wieder von schweren Erdbeben erschütter­t. Erst im Januar waren bei zwei Beben in den osttürkisc­hen Städten Elazig und Malatya mehr als 40 Menschen getötet worden.

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FOTO: YASIN AKGUL/AFP Gegen die Zeit: Freiwillig­e Helfer und Rettungskr­äfte suchen in einem eingestürz­ten Gebäude in Izmir nach Überlebend­en. Dort wurde ein 70-Jähriger aus den Trümmern gerettet.

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