Lindauer Zeitung

Abschied vom Helden

Sag niemals nie: Sean Connery, der Arbeiter und Edelmann des Kinos ist mit 90 Jahren gestorben

- Von Rüdiger Suchsland

Haben wir ihn immer falsch verstanden? „Die Leute haben nicht kapiert, dass die Bond-Rolle eine vollendete komödianti­sche Schauspiel­leistung war“, sagte Sean Connery in einem seiner vielen Interviews. Bereits 1971, da war er gerade erst 40, verabschie­dete sich Connery mit „Diamantenf­ieber“von dieser Figur, die er sechsmal gespielt hatte, und die trotz aller eigenen Distanz zur Rolle seines Lebens wurde. Einmal noch wurde er rückfällig, 1983 in „Sag niemals nie“, dem nicht nur im Titel selbstiron­ischen inoffiziel­len „Feuerball“-Remake.

In seinen letzten Jahrzehnte­n war Connery mit 007 versöhnt. Aber in der Dekade nach Bond tat er eine Menge dafür, sich von dieser Figur zu distanzier­en: Ob als alternder ExHeld Robin Hood in „Robin and Marian“(1972), ob in der meisterhaf­ten psychedeli­schen Science-FictionDys­topie „Zardoz“(1974) vom Briten John Boorman oder in der bösen Mediensati­re „Flammen am Horizont“(1982) als Kriegsrepo­rter.

Dabei hätte er das gar nicht nötig gehabt: Bereits in Alfred Hitchcocks „Marnie“(1964) bewies Connery, dass er viel mehr war als ein Kleiderstä­nder mit breiten Schultern. Mit Sidney Lumet drehte er den Kriegsfilm „Ein Haufen toller Hunde“(1965), in dem er einen sadistisch­en Offizier mimte. Auch sonst spielte er in frühen Jahren gern gebrochene Charaktere, Gegenfigur­en zum eindimensi­onalen Playboy im Geheimdien­st ihrer Majestät. Als ob er im Nachhinein all jene Kritiker bestätigen wollte, für die Bond nur ein reaktionär­er Raufbold in Nadelstrei­fen war.

Schade, dass Sean Connery in seinen Memoiren nur wenig über seine Kindheit geschriebe­n hat, über die der sowieso interview-scheue Schauspiel­er nur selten etwas offenbaren wollte. So konnte man nur Vermutunge­n anstellen: Als Kind einer Putzfrau und eines Fernfahrer­s in den Hinterhöfe­n von Edinburgh aufgewachs­en – das hieß erst einmal in den 1930er-Jahren Kampf ums nackte Überleben.

Connery wuchs auf in der Weltwirtsc­haftskrise und das erste, was man dazu brauchte, waren Muskeln, um sich auf der Straße durchzuset­zen unter den anderen Kindern. Aber schon damals machte Connery mehr aus dieser Notwendigk­eit. Er wurde nämlich Bodybuilde­r, neben seiner Arbeit als Milchmann, Bademeiste­r, Sargpolier­er und Aktmodell.

Er sah nicht nur gut aus, sondern konnte auch gut spielen, und so machte er als junger Mann Karriere am Theater, im Fernsehen und in Filmen. Aber erst mit 32 bekam er die Chance, bei einem sonderbare­n neuen Spionage-Filmprojek­t mitzumache­n – Connery war erst die fünfte Wahl, unter anderem hatte Cary Grant abgesagt.

„Dr. No“wurde ein voller Erfolg, Kalter Krieg und Jet-Set, Wunderwaff­en und Sexbomben, dazwischen ein gut aussehende­r Mann von Welt, der Snobismus mit Bodenständ­igkeit kombiniert. James Bond und damit Connery wurde zur Projektion­sfläche für die Sehnsüchte und Träume der Macho-Männer – jener schweigend­en Mehrheit, die mit den neuen Flower-Power-Softies der 68er nichts am Hut hatten.

Seine letzte millionens­chwere Bond-Gage spendete Connery dann dem von ihm mitgegründ­eten „Scottish Internatio­nal Educationa­l Trust“, der bis heute junge Schotten aus einfachen Verhältnis­sen unterstütz­t. Das war wohl ein Grund, warum er im Jahr 2000 von Königin Elizabeth II. geadelt wurde. Auch durch diverse „ideale Briten“hatte sich Connery um die Erinnerung an den Glanz des Empire verdient gemacht: In John Hustons Rudyard-KiplingVer­filmung „Der Mann, der König sein wollte“, als Ex-Soldat und

Hochstaple­r, der im 19. Jahrhunder­t im wilden Afghanista­n von den Bergbewohn­ern für einen Gott gehalten wird, und es irgendwann selber glaubt. Oder als General in Richard Attenborou­ghs „Die Brücke von Arnheim“, und als König Arthur in „First Knight“. Connery setzte sich allerdings auch früh für die schottisch­e Unabhängig­keit ein.

Den verdienten Oscar bekam er endlich für eine amerikanis­che Figur: Als Anti-Mafia-Kämpfer in „Die Unbestechl­ichen“vom genialen Regie-Outsider Brian DiPlama.

Dazu kamen Filme, die man eher vergessen kann, und mindestens eine bemerkensw­erte Absage: Die Rolle des Zauberers Gandalf in der „Herr der Ringe“-Trilogie wollte er nicht spielen: „Ich hatte Tolkien nie gelesen und habe das Drehbuch nicht verstanden.“Es hat ihm nicht geschadet. Sean Connery wird für immer der Mann bleiben, der als erster James Bond war.

Auf den Bahamas, so ziemlich dem Gegenteil der schottisch­en Berge, die er so liebte, ist er jetzt im Alter von 90 Jahren gestorben.

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