„Blind vor Wut“: Randale im Ausländeramt
Hausfriedensbruch, Körperverletzung und einiges mehr: Nigerianer erhält Bewährungsstrafe
- Diesen Besuch vergessen die Mitarbeiterinnen im Ausländeramt des Landratsamts nicht so bald. Eine von ihnen leidet noch heute darunter, befindet sich in Behandlung. Dabei ist es schon neun Monate her, dass ein nigerianischer Kunde, der seit drei Jahren in Deutschland lebt, ein Dienstzimmer des Ausländeramts verwüstete, Computer und Mobiliar durch den Raum warf und für Angst und Schrecken sorgte. Jetzt musste er sich nicht nur wegen Hausfriedensbruchs vor Gericht für seine Taten verantworten.
Er will wieder zurück nach Nigeria, der gut gekleidete groß gewachsene Angeklagte, der grinst, als der Richter bei der Verlesung der vorliegenden Personalien sein Alter mit 32 Jahren angibt. Er meint, er sei tatsächlich 36 oder 37, legt sich dann auf 36 Jahre fest. So genau weiß das Alter keiner, auch er offensichtlich nicht, denn der Mann, der da ohne Verteidiger, aber mit
Dolmetscher auf der Anklagebank sitzt, hat keinen Pass – und sich um einen Identitätsnachweis in all den Jahren in Deutschland auch nicht bemüht. Dafür liegt ein Ticket für ihn bereit – zurück nach Nigeria.
Vorher allerdings musste er sich im Tettnanger Amtsgerichtssaal den Vorwürfen stellen, die sich im Laufe dieses Jahres angehäuft haben: neben Hausfriedensbruch versuchte und vorsätzliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Mehr oder weniger haben sich alle Anklagepunkte bestätigt, wird am Ende die Staatsanwältin plädieren, nachdem das Gericht neun Zeugen und den meist geständigen Mann gehört hat.
Eingeräumt hat der Angeklagte unter anderem, am Morgen des 19. Februar dieses Jahres im Landratsamt randaliert, Mitarbeiterinnen bedroht, Akten aus den Schränken und Mobiliar herumgeworfen und einen Sachschaden von mehreren Tausend Euro verursacht zu haben.
Warum? Er sei wütend gewesen, weil er seine Papiere vorlegen und warten sollte. „Der war blind vor Wut“, berichtet eine Mitarbeiterin im Zeugenstand. Er habe herumgebrüllt und sich nicht beruhigen lassen, wollte nicht warten bis er dran war. Die Mitarbeiterin hatte Angst. Sie arbeitet seit 20 Jahren in der Ausländerbehörde, habe so etwas aber noch nicht erlebt und leide heute noch unter dem Erlebnis. Bei der anschließenden Personenfeststellung durch Security und Polizei wehrte sich der Randalierer nach der Tat massiv. Nur mit hohem Kraftaufwand konnte der Mann festgenommen werden und verletzte dabei auch einen Beamten.
Tage später wollte der Angeklagte mehrmals ohne Terminvereinbarung ins Amt für Migration, obwohl ihm mittlerweile Hausverbot erteilt worden war. Sicherheitskräfte hinderten ihn daran, ins Gebäude zu gelangen. Gegen ein ausgesprochenes Platzverbot durch die Polizei wehrte er sich, schlug einem Beamten gegen den Arm und trat nach ihm. Er warf Steine gegen das Landratsamt und dessen Fenster, ohne erkennen zu können, ob sich dahinter Personen befanden, die hätten verletzt werden können.
In einem anderen Fall hat er im Einkaufsmarkt Lidl in Tettnang fremde Sachen beschädigt, die Spuckscheibe an der Kasse demoliert und die Kassiererinnen in einem Wortschwall in Englisch und Deutsch bedroht. Warum? Er hat sich provoziert gefühlt, was eine Kassiererin im Zeugenstand nicht nachvollziehen konnte.
„Ich weiß, ich habe große Fehler gemacht“, räumte der Beschuldigte, dessen Asylantrag abgelehnt worden war, im Prozessverlauf ein und begründete sein Auftreten damit,
Der Richter zum Angeklagten in seiner Botschaft keinen Pass bekommen zu haben, den er aber im Landratsamt vorlegen sollte. Immer habe es geheißen „warten, warten, warten“. Keiner habe sich um ihn gekümmert. Das und das Rumsitzen zu Hause seit mittlerweile drei Jahren, ohne arbeiten zu dürfen, habe ihn geärgert, weshalb er zurück nach Nigeria wolle.
Die Staatsanwältin summierte die Vorwürfe und beantragte eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren ohne Bewährung. Das Gericht reduzierte das Strafmaß und verurteilte den Mann letztlich zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten – auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
„Ihr Verhalten war unter aller Sau“, rügte der Richter den Angeklagten-Auftritt im Landratsamt. Er warnte ihn davor, wenn’s mit dem Rückflug im Dezember nichts werden sollte, nicht auf die Idee zu kommen, in der Ausländerbehörde wieder „Rambazamba“zu machen. In dem Fall sei die Bewährung schnell widerrufen.
„Ihr Verhalten war unter aller Sau.“