Zwei Punkte zu wenig
Schalke kriselt weiter, die überlegenen Stuttgarter trauern dem verpassten Sieg hinterher
(SID/dpa) - Als seine Sieglos-Schalker wieder mal mit hängenden Köpfen aus der leeren Arena schlichen, versuchte es Manuel Baum mit ein wenig Aufmunterung – und erinnerte sich an seinen alten Job als Lehrer. „Eine Drei minus oder Vier hätte ich uns heute gegeben“, sagte der Trainer nach dem ernüchternden 1:1 (1:0) gegen Aufsteiger VfB Stuttgart, dem 22. Bundesligaspiel in Folge ohne Dreier: „Sie sind total bemüht.“
Doch das Bemühen alleine wird nicht genügen, um das Klassenziel zu erreichen, das weiß auch der 41-Jährige. Denn „befriedigend“oder „ausreichend“war der Auftritt der Königsblauen wieder nicht (wenn sie auch erstmals zwei Kilometer mehr liefen als die Gegner), die Versetzung ist schon nach wenigen Wochen stark gefährdet. Baum, einst Lehrer an der Walter-Klingenbeck-Realschule in Taufkirchen, muss auf Schalke beim kleinen Fußball-Einmaleins anfangen. „Läuferisch und kämpferisch war das okay, die Spieleröffnung war ganz ordentlich“, beurteilte er, „aber vorne wirken wir extrem harmlos.“
Auch einen Monat nach seinem Amtsantritt hat Baum den Absturz des Traditionsclubs noch nicht stoppen können. Zwei Punkte aus vier Spielen stehen in seiner Zwischenrechnung, addiert mit den letzten Partien seines Vorgängers David Wagner ergibt sich der schlechteste Schalker Saisonstart in der Bundesliga seit 1967. Selbst in den drei Abstiegsjahren in den grauen Achtzigern hatte Schalke mindestens einen Sieg in den ersten sechs Saisonspielen verbucht.
Jetzt ist der hoch verschuldete Club, vor wenigen Jahren noch Stammgast in der Champions League, die alleinige Nummer 2 in der Liste der am längsten erfolglosen Teams der Bundesliga-Geschichte – hinter Tasmania Berlin, das vor 55 Jahren 31 Spiele am Stück verlor. Doch von der „22“will Baum gar nichts hören. „Ich beschäftige mich wirklich nicht mit dieser Zahl“, sagte der Ex-Augsburger. „Das ist rückwärtsgewandtes Denken. Wir dürfen uns nicht runterziehen lassen und auf dieser Zahl rumreiten.“Nach drei Klatschen gegen die Spitzenclubs Bayern (0:8), Leipzig (0:4) und Dortmund (0:3) und nur zwei Zählern gegen Teams, die um den Klassenerhalt spielen wie Bremen (1:3), Union Berlin (1:1) und Aufsteiger Stuttgart, steckt Schalke tief im Abstiegskampf. Und für die Vorstellung, wie die völlig verunsicherte und spielerisch arg limitierte Mannschaft da herauskommen soll, ist sehr viel Fantasie erforderlich. Auch bei Baum.
Sogar eine Pleite im Pokal am Dienstag (16.30 Uhr) gegen den Regionalligisten FC Schweinfurt ist nach neuneinhalb Monaten ohne Bundesligasieg nicht undenkbar. Mit dieser Eventualität will sich Baum aber nicht befassen. „Mit dem Konjunktiv beschäftige ich mich überhaupt nicht“, sagte der Ex-Lehrer, mit dem kleinen Einmaleins hat er schon genug zu tun.
Der VfB jubelte zwar über das erste Saisontor des erstarkten Stürmers Nicolas Gonzalez, der nach der Pause viel Schwung brachte, war aber am Ende unzufrieden. Für die Gäste wäre mehr als der Ausgleich in der 56. Minute drin gewesen. „Man hat das Gefühl, dass wir zwei Punkte zu wenig bekommen haben für das, was wir geleistet haben“, sagte Mislintat. Und: „Es sagt schon etwas aus, wenn wir nicht zufrieden sind, auf Schalke nicht zu gewinnen.“
Der starke Saisonstart mit neun Punkten aus sechs Spielen hat dem jungen Team eine breite Brust verschafft. Die Leistung sei „sehr, sehr, sehr gut“gewesen, sagte Mislintat. Gonzalez, der im Sommer noch weg wollte, habe ihn überzeugt. „Nico hat ein Interview gegeben, das, glaube ich, ein bisschen fremdgesteuert war. Danach haben wir ganz sauber miteinander geredet und er hat sich vorbildlich verhalten“, sagte Mislintat über den Stürmer, der nach seinen 14 Toren in der Vorsaison öffentlich auf einen Wechsel gedrängt hatte. „Ich glaube, dass er froh ist, dass er geblieben ist“, sagte Mislintat. „Er sieht, dass wir nicht das Stuttgart aus dem Abstiegsjahr sind. Das war so ein bisschen seine Sorge. Er fühlt sich sehr wohl in der Gruppe. Und das sieht man auch.“