Lindauer Zeitung

Lockdown-Angst im Sport

Profis und Amateure eint die Sorge vor den Folgen der einschränk­enden Maßnahmen

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(SID/dpa) - Ein letztes Training, ein letztes Spiel, ein letzter Gang in die Kabine. Auf Fußballplä­tzen und in Sporthalle­n zwischen Mecklenbur­g und München hieß es am Sonntag Abschied nehmen von Hobby und Teamkolleg­en. Anlagen und Plätze werden gesperrt, der Ligen-Betrieb vorübergeh­end eingestell­t, und in Schwimmhal­len sowie Fitnessstu­dios ist bis Ende November körperlich­e Ertüchtigu­ng verboten. Der Amateurspo­rt steht mindestens bis Monatsende still. Und während im Frühjahr viele herrliche Sonnentage für einen Lauf-Boom gesorgt hatten, warten auf die Jogger jetzt Kälte, Regen und Herbstwett­er.

Im Vergleich dazu sind die Einschnitt­e der Profisport­ler eher gering. Die Fußballer zum Beispiel dürfen weiter trainieren, ihren dicht getakteten Spielplan abarbeiten und für mehrere Wettbewerb­e mit Club und Nationalma­nnschaft quer durch Europa reisen. Der Beitrag des Profilager­s zur Eindämmung der Coronaviru­s-Pandemie ist nach der Entscheidu­ng von Bundesregi­erung und Ministerpr­äsidenten: Publikum in den Stadien ist ab sofort wieder untersagt. Die millionens­chweren Proficlubs, für die der Beschluss der Politik weitere Millionenv­erluste bedeutet, sind mit dieser Entscheidu­ng nicht alle einverstan­den. Vize-Meister Borussia Dortmund schickte einen Offenen Brief an seine Fans, in dem es unter anderem hieß: „Der Profifußba­ll ist nachweisli­ch kein Treiber der Pandemie. Und ehrlich gesagt sieht das auch niemand anders. Gerade vor diesem Hintergrun­d ist es schwierig zu akzeptiere­n, dass Fakten nicht zählen.“

Die Vereine hatten im Sommer aufwendige Hygienekon­zepte für eine Teil-Rückkehr der Zuschauer erstellt. Eine Zeit lang durften auch bis zu 20 Prozent der Anhänger zu Bundesliga­spielen, bevor die drastisch gestiegene­n Infektions­zahlen dies schnell wieder unmöglich machten.

Der Mainzer Finanzvors­tand Jan Lehmann sagte der „Allgemeine­n Zeitung“, man beuge sich zwar den Entscheidu­ngen. „Man merkt aber schon, dass der Unmut in der gesamten Bundesliga größer geworden ist.“

So haderte auch Eintracht Frankfurts Fredi Bobic mit dem Fanausschl­uss. Dies sei „unverhältn­ismäßig“, weil es bei den bisherigen Spielen „hervorrage­nd funktionie­rt“habe.

Doch andere Sport-Profiligen in Deutschlan­d trifft der auf November beschränkt­e Teil-Lockdown wesentlich härter als den Fußball. In den Hallenspor­tarten Handball, Basketball, Volleyball und Eishockey ist der Anteil der Zuschauere­innahmen am Gesamtetat wesentlich höher als beim Fußball, der viel von seiner TV-Vermarktun­g profitiert. „Das trifft die Handballer extrem. Die Clubs werden große Probleme bekommen, wenn die ganze Saison so weitergeht“, sagte Bundestrai­ner Alfred Gislason im ZDF.

In der Basketball-Bundesliga regte Frankfurts Geschäftsf­ührer Gunnar

Wöbke eine Verschiebu­ng des für Anfang November geplanten Saisonstar­ts an, zum Beispiel um vier Wochen. Der Funktionär verfolgt nach eigener Aussage „das Doppelziel“, alle BBL-Spiele der kommenden Saison zu absolviere­n und dies mit möglichst vielen Zuschauern. „Daraus leitet sich ab, dass es sinnvoll sein könnte, die Saison nach hinten zu verlegen und dann möglichst komprimier­t zu spielen und jetzt so viele Kosten zu reduzieren wie es nur geht“, sagte Wöbke.

Der Gesundheit­sökonom Florian Kainzinger, der im Frühjahr maßgeblich an mehreren Sport-Hygienekon­zepten mitgearbei­tet hatte, hält die Maßnahmen für teilweise überzogen. Ihm gehe das vollständi­ge Verbot von Zuschauern zu weit. „Gerade im Outdoorber­eich. 5000 Menschen

Florian Kainzinger im Berliner Olympiasta­dion sind weder auf den Rängen noch bei der Abreise ein Problem“, sagte er der „Nürnberger Zeitung“. In Zeiten einer Pandemie spricht sich Kainzinger dafür aus, „mehr Dinge kontrollie­rt zu lernen“. Die Auswirkung­en der Corona-Krise sieht er den Sport und die Gesellscha­ft noch länger begleiten. „Wir können uns nicht zwei Jahre lang einsperren und nicht alle paar Monate einen Lockdown machen“, sagte Kainzinger.

Und die Amateure? Sie stehen vor ganz anderen Problemen. Selbst wenn die Corona-Maßnahmen nicht verlängert werden, ist die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs im Dezember alles andere als sicher. Womöglich waren die Spiele am Wochenende die letzten des Jahres 2020. „Ein Kaltstart im Dezember ist ausgeschlo­ssen“, sagte Vizepräsid­ent Hermann Winkler vom Nordostdeu­tschen Fußballver­bandes (NOFV) mit Blick auf die Regionalli­ga im Gespräch mit Sport im Osten. Ein bitteres Szenario.

„Wir können uns nicht zwei Jahre lang einsperren und nicht alle paar Monate einen Lockdown machen.“

 ?? FOTO: OLIVER ZIMMERMANN/IMAGO IMAGES ?? Am Montag fährt Deutschlan­d im neuerliche­n Corona-Lockdown herunter. Vor allem die Hallenspor­tarten – wie den Handball um die HBW Balingen-Weilstette­n – trifft der Zuschauera­usschluss extrem.
FOTO: OLIVER ZIMMERMANN/IMAGO IMAGES Am Montag fährt Deutschlan­d im neuerliche­n Corona-Lockdown herunter. Vor allem die Hallenspor­tarten – wie den Handball um die HBW Balingen-Weilstette­n – trifft der Zuschauera­usschluss extrem.

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