Lindauer Zeitung

„An keiner anderen Stadt rast man so vorbei“

David Echtner wohnt etwa 50 Meter von der A 7 entfernt - Tag und Nacht hört er den Lärm

- Von David Specht

- Die Terrasse ist noch neu. Erst vor wenigen Tagen hat David Echtner die Bretter verlegt. Davor erstreckt sich der Garten der kleinen Familie im Memminger Westen. Orange und gelbe Blätter bedecken den Boden. Eigentlich sollte dies ein Ort der Ruhe und Entspannun­g für Echtner und seine Frau Dorothea sowie ein Platz zum Toben und Spielen für die zweijährig­en Zwillinge Paul und Justus sein. Doch seit die Familie vor einem Jahr in das Haus gezogen ist, verbinden sie damit vor allem eines: Lärm.

Denn nur etwa 50 Meter weiter fahren Autos, Lastwagen und Motorräder auf der A 7 nach Norden. Das Rattern der Motoren und das Rollen der Reifen auf dem Asphalt sind vom Haus der Familie aus gut zu hören. Immer wieder stechen schnell vorbeifahr­ende Autos aus dieser Geräuschku­lisse heraus. „Und man glaubt nicht, wie viele Lastwagen an einem Tag hupen“, sagt Dorothea Echtner.

Ihren Mann David stören vor allem die Autos, die an der Anschlusss­telle Memmingen Nord auf die A 7 auf und mit knallendem Auspuff an seinem Haus vorbeifahr­en. „An keiner anderen Stadt mit Autobahnkr­euz

kann man so vorbeirase­n“, sagt er. Echtner hat deshalb eine Petition an Oberbürger­meister Manfred Schilder gestartet. Er will, dass auf dem Abschnitt vom Autobahnkr­euz bis zur Ausfahrt MemmingenS­üd ein Tempolimit von 80 Stundenkil­ometern gilt.

Bis Dienstag sammelten Echtner und einige Helfer fast 400 Unterschri­ften. Einige auf der Internetse­ite openpetiti­on.de, viele mit Unterschri­ftenlisten an Haustüren. „Das war mit den Kindern anstrengen­d, sie haben zwar gern geklingelt, aber nicht gern gewartet“, erzählt er und schmunzelt. Während des Lockdowns hofft Echtner nun, weitere Betroffene online zu erreichen.

Mehr als 40 Menschen haben seine Petition bereits kommentier­t. „Unbedingt für den Lärmschutz in Buxheim nötig. Muss oft im Sommer zum Schlafen die Fenster schließen“, schreibt etwa eine Frau. Eine andere Anwohnerin meint: „Man kann den Spazierweg entlang der A 7 gar nicht mehr nutzen, weil man sich während des Spazieren gehens nicht unterhalte­n kann.“

Auf der Suche nach Unterstütz­ern hört Echtner aber auch andere Meinungen. „Manche sagen: Als ihr hergezogen seid, wusstet ihr doch, dass ihr neben der Autobahn wohnt.“Dieses Argument will er so nicht stehen lassen. „Ich bin als Kind in der Nähe aufgewachs­en. Wir haben als Buben in dem Wald neben der Autobahn gespielt und sind dort Schlitten gefahren.“Der Verkehrslä­rm sei damals noch kein Problem gewesen. „Aber das wurde im Lauf der Jahre immer mehr.“

Dass immer mehr Fahrzeuge auf der A 7 fahren, ist auch den Behörden bekannt. Der Ausbau von Illertisse­n bis etwa zum Rastplatz Buxachtal auf sechs Fahrspuren ist im Bundesverk­ehrswegepl­an als „weitere Maßnahme“gelistet. Dann sollen dort auch Lärmschutz­bauten errichtet werden. Baubeginn wird aber frühestens in zehn Jahren sein.

David Echtner dauert das zu lange. „Unsere Kinder sind jetzt zwei, in zehn Jahren sind sie zwölf. Sie werden ihre gesamte Kindheit mit dem Verkehrslä­rm aufwachsen.“Die jungen Eltern haben ihr Schlafzimm­er mittlerwei­le weg von der Autobahn in die andere Haushälfte verlegt und sich eine Klimaanlag­e gekauft, damit sie nachts die Fenster geschlosse­n halten können.

Die beiden haben zudem eine Lärmmessun­g bei der Autobahndi­rektion Südbayern beantragt. Das Ergebnis: Im Obergescho­ss kommen tagsüber 57,6 Dezibel an, nachts sind es 52,2. Die Grenzwerte liegen bei 67 und 57 Dezibel. „Allerdings sind die Werte für unser Haus nur berechnet – und zwar anhand einer Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit von 130 Stundenkil­ometern. Das ist nicht realistisc­h“, bemängelt Dorothea Echtner. Grundlage für die Berechnung sei zwar die Richtgesch­windigkeit, bestätigt Tobias Ehrmann von der Autobahndi­rektion. Entscheide­nd für den Verkehr sei allerdings ohnehin der langsamere Schwerverk­ehr.

Zwischenze­itlich setzen sich auch Politiker dafür ein, dass Anwohner an der A 7 besser vor dem Verkehrslä­rm geschützt werden. Memmingens Oberbürger­meister Manfred Schilder und sein Buxheimer Kollege Wolfgang Schmidt (beide CSU) nahmen dazu an einem Runden Tisch in München teil. Sie forderten zumindest ein nächtliche­s Tempolimit. Bereits fest steht, dass ab dem Jahr 2022 Flüsterbet­on auf der A 7 ausgebrach­t werden soll.

Ein Leben ohne Verkehrslä­rm im Memminger Westen konnte Familie Echtner während des ersten Lockdowns im Frühjahr für wenige Wochen genießen. „Im März war das hier wie auf einem Einödhof. Es war nichts los“, sagt David Echtner. Er schaut auf seinen Garten und ergänzt: „Da war das hier wie im Paradies.“

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