An die Hammerschläge erinnert sich das Opfer nicht
Zweiter Verhandlungstag im Prozess gegen 63-Jährigen wegen versuchten Mordes an seiner Frau
- Mit der Vernehmung des Opfers hat am Freitag vor dem Landgericht Ravensburg der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen einen 63-jährigen Mann aus dem östlichen Bodenseekreis begonnen. Er soll im Mai seine Ehefrau in Tötungsabsicht 15 Mal mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen haben. Weitere Angehörige sagten an diesem Tag ebenfalls aus.
Die zum Tatzeitpunkt 57-jährige Frau, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, erlitt durch den Angriff ein lebensgefährliches SchädelHirntrauma. Über zwei Stunden nahm sich der Vorsitzende Richter Veiko Böhm Zeit, um die Frau zu befragen. „Es ist für Sie keine einfache Situation, das ist mir vollkommen klar,“begann Richter Böhm behutsam. Er wollte zunächst Näheres über die Anfänge der Beziehung und den Verlauf der Ehe wissen. Beide kennen sich seit über 30 Jahren, das Ehepaar hat erwachsene Kinder.
„Er war immer für die Familie da. Für mich und für die Kinder“, erinnert sich die Frau an frühere Zeiten.
Eifersüchtig sei er zwar schon ab und zu gewesen, aber es habe eigentlich nie Streit oder gar Handgreiflichkeiten gegeben. „Er war immer der ruhigere Pol. Ich bin temperamentvoller“, schildert sie die gegensätzlichen Charaktere. In den letzten Jahren hätten sie sich mehr und mehr auseinandergelebt. Nach dem Auszug zweier Kinder stellt sie irgendwann fest: „Wir haben uns eigentlich nicht mehr viel zu sagen.“Sie habe eine sechsmonatige Auszeit gewollt, um sich über ihre Gefühle klar zu werden. Ihr Mann hatte am ersten Prozesstag behauptet, sie habe eine Affäre gehabt. Diese Behauptung weist sie weit von sich. Sie habe lediglich einen alten Bekannten zufällig wiedergetroffen und sei einige Male mit ihm spazierengegangen. „Es gibt keine neue Beziehung, es gab keine, und es wird auch keine geben“, stellt sie entschieden fest, um gleich darauf einschränkend zu sagen: „Unsere WhatsApps sprechen eine andere Sprache als das, was wir getan haben.“Auszüge daraus verliest der Richter. Doch auch der später als Zeuge geladene Bekannte weist dies ebenfalls von sich.
An die Hammerschläge auf den Kopf kann sich die Frau nicht erinnern. Sie weiß nur noch, dass sie am Tattag von der Arbeit nach Hause gekommen ist und mit ihrem Mann gestritten hat. „Er hat mich aufs Bett geschmissen, am Hals gepackt und mit den Worten ,Jetzt schließ’ mit deinem Leben ab’ gewürgt.“Ihre Hilferufe habe niemand gehört. „Ich habe keine Luft mehr gekriegt und gedacht, jetzt ist es vorbei.“Sie sei bewusstlos geworden und kam erst wieder im Krankenhaus zu sich.
Bis heute leidet sie unter den Folgen der Tat. Neben Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus und Taubheit auf einem Ohr hat sie ihren Geruchsund Geschmackssinn verloren. Psychische Folgeschäden hätten sich bei ihr bislang noch nicht eingestellt, was laut Aussage ihres behandelnden Reha-Arztes daran liegen könne, dass sie keine Erinnerung an die Hammerattacke habe.
Seit der Tat sei die Familie gespalten, äußert sie: Nur ein Kind halte noch zu ihr, der andere Teil der Familie gebe ihr die Schuld für das Ausrasten des Vaters. „Aber nichts rechtfertigt diese Tat“, erklärt die Frau.
In der Zeugenbefragung der Kinder und der Schwester des Opfers schildern alle den Angeklagten als friedlichen, hilfsbereiten Mann, der über viele Jahre „das Gekeife“und die Beleidigungen der Ehefrau still ertragen habe. „Nichts konnte er ihr recht machen“, erklären alle. „Hier ist das Opfer zum Täter gemacht worden“, zitiert Richter Böhm die Aussage eines der Kinder aus dem Polizeiprotokoll. Die Kinder sind es, die beide Eltern am Morgen nach der Tat blutüberströmt in der Wohnung auffinden. Der Ehemann hatte versucht, sich das Leben zu nehmen. Die Kinder verständigen den Notarzt.
Der Prozess wird am 13. November fortgesetzt. Ein Urteil soll im Dezember fallen.