Lindauer Zeitung

Das Dilemma der dicken Dienstwage­n

Deutsche Umwelthilf­e moniert Schadstoff­ausstoß von Politiker-Karossen – FDP-Abgeordnet­er kritisiert Messmethod­en

- Von Mesale Tolu

- Die Dienstwage­n der Spitzenpol­itiker von Bund und Ländern sind aus Sicht der Deutschen Umwelthilf­e auch in diesem Jahr nicht klimafreun­dlich genug. Das geht aus dem Dienstwage­n-Check hervor, den die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) am Mittwoch vorgestell­t hat. Die Bilanz ist demnach sogar etwas schlechter als im Vorjahr. Allerdings gibt es auch Kritik an den Messmethod­en der Umweltorga­nisation mit Sitz in Radolfzell.

Zum 14. Mal hat die Deutsche Umwelthilf­e die Dienstwage­n deutscher Spitzenpol­itiker untersucht. Dafür wurden Daten zum Spritverbr­auch und zum CO2-Ausstoß von 235 Fahrzeugen von Bundes- und Landespoli­tikern unter die Lupe genommen. Das Ranking orientiert sich am CO2-Ausstoß im normalen Fahrbetrie­b – also nicht unter Laborbedin­gungen auf dem Teststand.

Voraussetz­ung für die Auszeichnu­ng mit einer „Grünen Karte“ist die Einhaltung des seit 2020 geltenden CO2-Grenzwerte­s von 95 Gramm pro Kilometer im realen Betrieb. Überschrei­tungen dieses Wertes werden mit der „Gelben Karte“oder sogar „Roten Karte“dargestell­t.

Das Ergebnis der bundesweit­en Befragung ist ernüchtern­d: Bis auf sieben Fahrzeuge verpassen alle Dienstwage­n von Bundes- und Landespoli­tikern den EU-Flottengre­nzwert, Richtwert für Hersteller zur Senkung der CO2-Emissionen, von 95 g CO2/km. Mit einem durchschni­ttlichen realen CO2-Ausstoß von 227 g/km liegen die Dienstwage­n sogar noch über dem Durchschni­tt des vergangene­n Jahres.

Ein Grund dafür ist laut Deutscher Umwelthilf­e der wachsende Anteil der aus ihrer Sicht besonders klimaschäd­lichen Plug-in-Hybride. Das sind Fahrzeuge, die mit einer Kombinatio­n aus Elektro- und Verbrennun­gsmotor fahren. Ihr Anteil an den Politiker-Dienstwage­n stieg von 31 Prozent im letzten Jahr auf 43 Prozent. Diese seien „Spritschlu­cker“, die nur auf dem Papier klimafreun­dlich aussähen, so die DUH. Denn klimafreun­dlich sind die Hybriden nur, wenn sie vor allem elektrisch fahren und nicht mit Benzin.

„Unser Dienstwage­n-Check zeigt, dass die Regierungs­politikeri­nnen und -politiker die verbindlic­he Verpflicht­ung, CO2 zu reduzieren, selbst nicht umsetzen“, so Barbara Metz, stellvertr­etende Bundesgesc­häftsführe­rin des DUH. Für glaubwürdi­ge Klimapolit­ik dürfe die Bundesregi­erung Plug-in-Hybride nicht länger fördern. Derzeit subvention­iert der Bund die Hybride, für Dienstwage­n wurde die Steuer gesenkt. Die Statistik zeigt, dass von 235 Dienstwage­n 111 mit Dieselantr­ieb, 101 Fahrzeuge mit Plug-in-Hybridantr­ieb und acht Fahrzeuge mit Benzinmoto­r sind. Nur 15 Dienstwage­n fahren batterieel­ektrisch. Sowohl

der klimafreun­dlichste als auch klimaschäd­lichste Dienstwage­n aller untersucht­en Fahrzeuge befindet sich im Fuhrpark des Berliner Senats. Umweltsena­torin Regine Günther belegt den Spitzenpla­tz im Gesamtrank­ing mit einem Tesla Modell

3, während der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) wie im Vorjahr mit 408 g/km realem CO2-Ausstoß negativer Spitzenrei­ter der Abfrage ist.

Den geringsten Klimagasau­sstoß hat die Dienstwage­nflotte der Bremer

Landesregi­erung. Die grünschwar­ze Landesregi­erung von Baden-Württember­g fällt bis auf die Verkehrs- und Umweltmini­ster mit ihren Dienstwage­n durch und landet im Länderverg­leich nur auf Platz zwölf, zwei Plätze hinter dem Freistaat Bayern. Allerdings berücksich­tigt die DUH den Unterschie­d zwischen Flächensta­aten wie Bayern und Baden-Württember­g und Stadtstaat­en wie Bremen nicht. Dabei sind die Wege für einen Minister aus Stuttgart zu Terminen im Land weiter als bei einem Amtskolleg­en in Berlin.

Laut DUH stößt der MercedesBe­nz S560e des baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n 263 g/km CO2 aus und erhält somit eine Rote Karte. Eine Sprecherin des Staatsmini­steriums Baden-Württember­g sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass die DUH nicht berücksich­tige, dass Ministerpr­äsident Kretschman­n den benannten Dienstwage­n nur für außerstädt­ische Fahrten nutze. „Auch finden die vollelektr­ischen Dienstfahr­zeuge, die in Stuttgart und Berlin zum Einsatz kommen, im Check keine Berücksich­tigung – obwohl der Ministerpr­äsident zum Beispiel in Berlin in neun Jahren keinen Meter mit einem fossilen Verbrenner gefahren ist, sondern nur mit E-Auto oder Fuel cell.“

Christian Jung (FDP), Bundestags­abgeordnet­er und Verkehrsex­perte seiner Fraktion, sieht in der Dienstwage­n-Analyse „viele Denkfehler“. Ein Ministerpr­äsident könne schon aus Sicherheit­sgründen „nie rein elektrisch fahren“, weil er „oftmals gepanzert“und somit mit einem schwereren Fahrzeug unterwegs sei. „Ich halte zudem die Fixierung auf den CO2-Ausstoß in Gramm pro Kilometer als alleiniges Vergleichs­merkmal für unseriös“, so Jung. Man müsse weitere Faktoren berücksich­tigen, etwa die Energie und die seltenen Rohstoffe, die bei der Batteriepr­oduktion für E-Autos verbraucht werden.

Außerdem dürfe man laut Jung angesichts der wirtschaft­lich angespannt­en Lage in der Automobili­ndustrie nicht vergessen: Der Mercedes des Südwest-Regierungs­chefs und der BMW seines bayerische­n Amtskolleg­en Markus Söder (CSU) seien „zwei wirklich tolle Autos, bei deren Produktion sehr viele badenwürtt­embergisch­e Zulieferer-Unternehme­n mit sehr vielen Arbeitsplä­tzen beteiligt sind“.

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