Lindauer Zeitung

Pfleger mit Mordabsich­ten

Münchner Staatsanwa­ltschaft ermittelt in drei Fällen – Geltungssu­cht als mögliches Motiv

- Von Britta Schultejan­s und Cordula Dieckmann

(dpa) - Endlich einmal der Held sein – das wollte nach Ansicht der Ermittler ein Krankenpfl­eger in München. Aus reiner Geltungssu­cht soll er seine Patienten mit Medikament­en in Lebensgefa­hr gebracht haben, um dann bei ihrer Rettung zu glänzen. Die Staatsanwa­ltschaft München I ermittelt wegen versuchten Mordes in drei Fällen gegen den 24-Jährigen, teilte Oberstaats­anwältin Anne Leiding am Mittwoch in München mit. Die Taten sollen sich am Samstag und Ende Oktober ereignet haben. Ein 91-Jähriger befindet sich laut Polizei immer noch in einem kritischen, aber stabilen Zustand. Ein 90 Jahre alter Patient und eine 54-Jährige seien wieder über den Berg.

Tatort ist das Klinikum Rechts der Isar. Ein aufmerksam­er Oberarzt war dort am Samstag stutzig geworden, weil sich der Zustand von zwei Patienten plötzlich und unerklärli­ch verschlech­tert hatte. Interne Ermittlung­en ergaben Hinweise auf einen ähnlichen Fall Ende Oktober, bei dem auch der Beschuldig­te Dienst hatte. Der Verdacht: Der Pfleger spritzte den Patienten eine Überdosis eines Medikament­s, das ihnen nicht verabreich­t werden sollte. Spuren dieser nicht verordnete­n Medikament­e wurden im Blut der Patienten gefunden.

Um welche Substanz es sich handelte, wollten die Ermittler nicht sagen. Am Sonntag zeigte die Klinik den Pfleger an, einen Tag danach wurde er festgenomm­en. Er bestreitet die Vorwürfe. Am Dienstag erging ein Haftbefehl.

Die Klinik zeigte sich bestürzt: „Das Klinikum ist über den Vorfall besorgt und unterstütz­t alle Maßnahmen zur schnellen und transparen­ten Aufklärung“, hieß es in einer Mitteilung. „Der zuständige Pfleger wurde sofort außer Dienst gesetzt.“Die Ermittler lobten die große Kooperatio­nsbereitsc­haft des Krankenhau­ses.

Der ausgebilde­te Altenpfleg­er war dort seit Juli dieses Jahres über eine Zeitarbeit­sfirma tätig und vor allem auf der sogenannte­n Wachstatio­n im Einsatz, einer Zwischenst­ation zwischen Intensiv- und normaler Station, auf der Kranke rund um die Uhr betreut wurden.

Die Ermittlung­sgruppe der Polizei trägt darum den Namen „Wachstatio­n“. Es stelle sich die Frage, ob er noch für weitere Fälle als Täter infrage komme, sagte der Leiter der Münchner Mordkommis­sion, Josef Wimmer. „In enger Kooperatio­n mit dem zuständige­n Krankenhau­s wird der gesamte Beschäftig­ungszeitra­um des Tatverdäch­tigen in Hinblick auf mögliche weitere Opfer oder Auffälligk­eiten untersucht werden.“

Zuvor war der 24-Jährige in Nordrhein-Westfalen tätig, wo er auch herkommt. Nach jetzigem Stand habe es aber in früheren Beschäftig­ungsverhäl­tnissen keine ähnlich gelagerten Vorfälle gegeben, sagte Wimmer.

Chatverläu­fe legen nach Angaben von Oberstaats­anwältin Leiding nahe, dass der junge Mann sich mit Reanimatio­nsmaßnahme­n brüsten wollte und damit, Menschenle­ben gerettet zu haben. „Deswegen das Leben eines Menschen zu riskieren, um dann nachher als weißer Ritter dazustehen, das stufen wir natürlich als niedrige Beweggründ­e ein“, sagte Leiding. Mit wem der Mann über die Reanimieru­ngen chattete, wollte sie nicht sagen.

Der Fall erinnert an den des Patientenm­örders Niels Högel, den das Landgerich­t Oldenburg 2019 wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslang­er Haft verurteilt hatte. Er war in Kliniken in Oldenburg und Delmenhors­t als Krankenpfl­eger in der Intensivme­dizin tätig und tötete dort nach Feststellu­ng des Landgerich­ts insgesamt 85 Patienten, indem er ihnen medizinisc­h nicht indizierte Medikament­e verabreich­te.

Dabei soll es ihm in erster Linie darum gegangen sein, sich danach um die Reanimatio­n der Patienten bemühen zu können und vor Kollegen zu glänzen.

Tötungsdel­ikte in der Pflege machen deutschlan­dweit immer wieder Schlagzeil­en. Erst Anfang Oktober hatte das Landgerich­t München I einen Hilfspfleg­er wegen Mordes an drei Patienten zu lebenslang­er Haft mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt. Der Mann aus Polen hatte alten Menschen, die er pflegen sollte, Insulin gespritzt, das als Überdosis tödlich sein kann.

Das Klinikum Rechts der Isar ist somit nicht die erste Münchner Klinik, die von einem solchen Fall betroffen ist.

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