Die roten Gebiete schrumpfen
Nur 1,5 Prozent des Südwestens gelten als nitratbelastet – Naturschützer kritisieren Vorgehen
- Zuerst die gute Nachricht: Statt zuletzt neun Prozent gelten nur noch 1,5 Prozent der Flächen in Baden-Württemberg als nitratbelastet. Das geht aus einer neuen Übersicht des Landes zu Nitratgebieten hervor, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Die schlechte: Nicht in jedem Fall heißt dies, dass das Grundwasser sauberer ist.
Der Druck auf die Bauern war groß – ihre Gegenwehr zuletzt ebenfalls. Vor allem die Landwirtschaft steht im Fokus bei der Frage, wer für zu viel Nitrat im Grundwasser verantwortlich ist. Zu viel bedeutet 50 Milligramm Nitrat pro Liter. Gülle und sonstige Pflanzendünger gelten als Hauptgründe hierfür. Die EUKommission ist zuletzt hart gegen Deutschland vorgegangen, weil die Bundesrepublik Vorgaben zum Wasserschutz nicht einhält. Eine neue Düngeverordnung, die im Januar in Kraft tritt, soll Abhilfe schaffen.
Wie viele andere Länder hat Baden-Württemberg nun seine Problemzonen neu kartiert. Die roten, also belasteten Gebieten sind massiv geschrumpft. Einige wenige kamen aber auch neu hinzu. „Es hat mich richtig gefreut, dass die Arbeit der Landwirte gewirkt hat“, sagt der Sigmaringer CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Burger. Er hat die Thematik im Blick, gerade auch weil der südöstliche Teil des Landkreises rund um Bad Saulgau noch immer Nitratprobleme aufweist. Die belastete Fläche ist aber deutlich kleiner geworden. Gleiches gilt für den südlichen Kreis Biberach.
Die Arbeit der Landwirte mag ein Grund für weniger Problemzonen sein. Burger hat noch eine zweite Erklärung: „Wenn bislang ein einzelner Brunnen negative Werte zeigte, dann galt die gesamte Fläche als belastet.“Nun werde viel präziser analysiert, wo die Werte zu hoch sind und die belasteten Gebiete kleinteiliger ausgewiesen. Auch Bayern ist so vorgegangen. Dort galt ein Viertel der Landesfläche als nitratbelastet – diese Fläche hat sich nun fast halbiert.
Bauernvertreter zeigen sich zufrieden mit dem Vorgehen. „Wir haben immer gefordert, dass man genauer hinschaut“, sagt Gerhard Glaser, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Biberach-Sigmaringen. „Es ist niemandem geholfen, wenn der Bauer das Signal kriegt, dass seine Felder in einem rotem Gebiet liegen, aber das unzutreffend ist.“Für Äcker in roten Gebieten gelten strenge Vorgaben – etwa beim Einsatz von Gülle. Auch mit der neuen Kartierung bleiben rote Gebiete gerade auch in Glasers Region. „Ich glaube aber, dass die Bauern mit den Ämtern Lösungen finden“, sagt er.
Seit Jahren betonen Agrarminister Peter Hauk (CDU) und Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) das Engagement im Land gegen zu viel Nitrat im Grundwasser. Seit 1988 gibt es die sogenannte Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung, kurz: Schalvo. Sie ist bundesweit einmalig. Dank der Verordnung floss über Jahrzehnte Landesgeld an Bauern, deren Felder in roten Gebieten lagen. Das Geld sollte helfen, den Nitrateintrag im Grundwasser zu reduzieren – mit Erfolg. Seit 1994 sei der Nitratgehalt im Grundwasser um rund 26 Prozent auf 22 Milligramm pro Liter gefallen, erklärt ein Sprecher Unterstellers. Das Geld könnte nun aber gänzlich wegfallen, da das Land keine Beihilfen zahlen darf, damit Bauern rechtliche Vorgaben einhalten, heißt es aus dem Agrarministerium.
Dass es zum Streit mit der EUKommission kam, habe nicht an Baden-Württemberg gelegen, betont auch Hauk. „Es ist vor allem der Norden der Republik, der ein Nitratproblem hat.“Während im Südwesten vor allem bäuerliche Strukturen bestünden, gebe es im Norden viel mehr gewerbliche Nutztierhaltung. So viel Gülle, wie dadurch entstehe, werde bei Weitem nicht gebraucht – lande aber dennoch auf den Äckern. In Niedersachsen galten vor einer neuen Kartierung 39 Prozent der Fläche als nitratbelastet.
Alles gut im Südwesten also? Nicht ganz, sagen Kritiker. Jochen Goedecke, Landwirtschaftsexperte des Nabu-Landesverbands, spricht von einer „unvollständigen und damit unkorrekten Darstellung“. Denn: „Wenn man die Karte richtig erstellen wollen würde, wären mehr Gebiete rot. Es ist nicht alles erfasst, was erfasst werden sollte und bisher erfasst wurde.“Laut den Ministerien sind solche Gebiete in der neuen Karte rot markiert, in denen mindestens 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser gemessen wurden, sowie solche, die mindestens 37,5 Milligramm mit steigender Tendenz aufweisen. In früheren Karten waren zusätzlich alle Gebiete rot markiert, in denen der Nitratwert zwischen 35 und 50 Milligramm lag.
Das bereitet der Landeswasserversorgung (LW) Kopfzerbrechen, wie deren Sprecher Bernhard Röhrle erklärt. Die LW versorgt drei Millionen Menschen mit Trinkwasser – etwa in Aalen und Ellwangen. „Unsere Wasserschutzgebiete fallen nicht mehr darunter“, sagt Röhrle zur neuen Karte. In den Wasserschutzgebieten lägen die Nitratwert zwischen 25 und 50 Milligramm. „Probleme, die wir haben, werden nicht mehr berücksichtigt. Man schaut nur noch das an, was zwingend notwendig ist. Das ist kein vorbeugender Gesundheitsund Gewässerschutz mehr.“
Röhrle wirft der Politik im Land vor, sich den Wünschen der Landwirtschaft gebeugt zu haben. „Die Agrarlobby ist sehr stark. Ihre Absicht ist immer die gleiche: Probleme verkleinern, auf Zeit spielen.“Nach zwei Wintern mit wenig Niederschlag befürchtet er, dass in diesem Winter viel Nitrat, das im Boden gespeichert ist, ins Grundwasser gelangt. Wenn sich politisch nichts tut, werde man gegen die Nitratverursacher klagen, sagt er mit Verweis auf ein Beispiel aus Österreich.