Lindauer Zeitung

Erinnerung­en eines Hoffnungst­rägers

Barack Obama veröffentl­icht seine Memoiren und erklärt den Aufstieg Trumps

- Von Frank Herrmann

- Eine Sache gehört auf ewig zu Barack Obama: „Yes, we can!“. Der gefeierte Hoffnungst­räger und sein Slogan von 2008. Der Spruch, blendet Obama in seinen Memoiren zurück, habe ihm anfangs überhaupt nicht gefallen. Die Idee kam von David Axelrod, dem Wahlkampfs­trategen. In seinen Ohren habe es kitschig geklungen. Seine Frau Michelle habe ihn vom Gegenteil überzeugt.

Fast vier Jahre nach dem Auszug aus dem Weißen Haus legt der Altpräside­nt mit „A Promised Land“seine Memoiren vor. In denen blickt Obama auch kritisch zurück. Manchmal so ironisch im Ton, als wäre er nicht der Hauptakteu­r auf der Washington­er Bühne gewesen, sondern ein bisweilen amüsierter Beobachter des Politikbet­riebs mit all seinen menschlich­en Schwächen und Eitelkeite­n. Er wolle den Vorhang ein Stück beiseitezi­ehen und verdeutlic­hen, dass die Präsidents­chaft auch nur ein Job sei, mit Erfolgen, Enttäuschu­ngen und Spannungen in einem Weißen Haus, in dem eben auch mal Mist gebaut werde wie anderswo auch. Obama schreibt dabei auch über die Zweifel, die ihn im Amt immer wieder befielen, auch wenn sie nicht zum selbstbewu­ssten „Yes, we can!“passen wollten.

Ein ums andere Mal habe er sich gefragt, ob er tatsächlic­h der Richtige fürs Oval Office sei. Ob er sich zu Beginn seiner Laufbahn vor allem deshalb für ein Wahlamt beworben habe, weil er sein Ego befriedige­n wollte. Ob er neidisch gewesen sei auf anderer Leute Erfolg.

Dass Obama gründlich abwägt, in aller Ruhe über Pro und Kontra diskutiert, bevor er Entscheidu­ngen trifft, weiß man spätestens seit seiner Zeit im Oval Office. Seine Auftritte beim White House Correspond­ents‘ Dinner, bei dem die Mächtigen ihre Fähigkeit zur Selbstiron­ie unter Beweis stellen müssen, sind inzwischen Legende. Nachdenkli­chkeit und Humor ziehen sich denn auch wie rote Fäden durch seine Memoiren.

„Wofür?“, kommentier­t er den Friedensno­belpreis, der ihm schon im ersten Amtsjahr verliehen wird. Die Ehrung verdeutlic­ht ihm, wie hoch die Erwartungs­haltung ist, was für eine Kluft zwischen ihr und der Wirklichke­it klafft. In welch heikler Lage er das Staatsrude­r übernahm, nach der Finanzkris­e in der schwersten Rezession seit sieben Dekaden, bringt er durch das Zitat eines Freundes auf den Punkt. Die USA gebe es nun schon seit 232 Jahren, zitiert Obama ihn, „aber sie warten, bis das Land auseinande­rfällt, ehe sie es einem Bruder anvertraue­n“. Mit dem Bruder, „the brother“, ist der erste Schwarze im Oval Office gemeint.

Nach dem Crash, schildert Obama, habe er einen Strukturwa­ndel angepeilt. Seine Wirtschaft­sberater hätten ihm jedoch abgeraten, insbesonde­re davon, jene Wall-Street-Banker zur Rechenscha­ft zu ziehen, deren Casino-Mentalität die Krise verursacht hatte. Jeglicher Versuch, „alttestame­ntarische Gerechtigk­eit“walten zu lassen, würde unter ohnehin schon verunsiche­rten Marktteiln­ehmern Panik auslösen. Linken Idealisten habe das natürlich nicht gefallen, doch zum Teil habe die Ernüchteru­ng wohl auf einem Missverstä­ndnis beruht. Ein Revolution­är sei er nicht gewesen, sondern ein Reformer, „dem Temperamen­t nach konservati­v“.

Obama spannt einen Bogen vom Beginn seines Politikerl­ebens bis zum Mai 2011, als er sich in Kentucky mit den Navy Seals trifft, die das Anwesen Osama bin Ladens im pakistanis­chen Abbottabad gestürmt hatten. Um das Erlebte in angemessen­er Detailgena­uigkeit Revue passieren zu lassen, begründet er die Zeitspanne, reiche ein Buch schlicht nicht aus. Die zweite Amtszeit soll in einem zweiten Wälzer behandelt werden. Was Obama gleichwohl schon jetzt unter die Lupe nimmt, ist das Phänomen Donald Trump. Die Tatsache, dass ein New Yorker Baulöwe es ins höchste Staatsamt schaffte.

Es begann mit Sarah Palin, der populistis­chen Gouverneur­in Alaskas, die 2008 für die Vizepräsid­entschaft kandidiert­e. Damals sei ihm schnell klar geworden, schreibt Obama, dass sie bei keinem Thema, das mit dem Regieren zu tun hatte, „die geringste Ahnung hatte, wovon sie eigentlich sprach“. Der großen Mehrheit der Konservati­ven habe das indes nichts ausgemacht. Wann immer Zweifel an Palins Kompetenz laut wurden, sei dies als „Beweis eines liberalen Komplotts“interpreti­ert worden. Es folgte die Rebellion der Tea-Party-Bewegung,

die sich vordergrün­dig gegen staatliche Konjunktur­programme und einen wachsenden Schuldenbe­rg richtete, deren Wut Obama indes mit rassistisc­hen Ressentime­nts erklärt.

Die Totaloppos­ition der Republikan­er, die unter dem Einfluss der Tea Party erst recht nicht zur Kooperatio­n mit ihm bereit waren, charakteri­siert er als Beobachter, der sich durch Wortblasen nicht täuschen lässt. „Diese emotionale, beinahe instinktiv­e Reaktion auf meine Präsidents­chaft hatte nichts mit politische­n oder ideologisc­hen Gegensätze­n zu tun. Es war, als hätte meine Gegenwart im Weißen Haus eine tief verwurzelt­e Angst geweckt, als glaubten meine Gegner, die natürliche Ordnung der Dinge löse sich auf.“

Trump habe das begriffen, als er die Behauptung verbreitet­e, Obama sei nicht in den USA zur Welt gekommen und daher kein rechtmäßig­er Präsident. „Er versprach Millionen von Amerikaner­n, die wegen eines schwarzen Mannes im Weißen Haus verschreck­t waren, ein Elixier zur Behandlung ihrer ethnischen Ängste.“

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FOTO: ELIJAH NOUVELAGE/DPA Auf 700 Seiten schildert Barack Obama, der ehemalige Präsident der USA, seine Erinnerung­en.

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