Europas Corona-Hilfe steckt fest
Polen und Ungarn blockieren Grundsatzeinigung – Damit stoppen sie auch das Corona-Finanzpaket der EU
- Die deutsche Ratspräsidentschaft hat es darauf ankommen lassen. Sie legte am Montag den EUBotschaftern den mit dem EU-Parlament ausgehandelten Rechtsstaatsmechanismus und den Haushaltsplan zur Abstimmung vor – und kassierte wie erwartet das Veto aus Ungarn und Polen. Der neue Mechanismus ermöglicht Mittelkürzungen, wenn ein Land die rechtsstaatliche Kontrolle der Geldflüsse nicht gewährleisten kann. Ungarn und Polen hatten das neue Instrument im Vorfeld scharf kritisiert. Die erforderliche qualifizierte Mehrheit kam dennoch zustande. Der Vorgang ist ungewöhnlich, da die Ratspräsidentschaft um Konsens bemüht ist.
Doch Michael Clauß, dem deutschen Botschafter, sitzen die Zeit und das Europaparlament im Nacken. Vor allem die Gelder für den CoronaHilfsfonds werden dringend gebraucht. Unter diesem Zeitdruck hatte sich vergangene Woche das Europaparlament mit seiner Forderung durchsetzen können, das Mitte Juli von den Regierungschefs beschlossene Rechtsstaatskontrollinstrument nachzuschärfen. Stellt die EU-Kommission fest, dass in einem Mitgliedsland die Gerichtsbarkeit zu schwach ist, um Misswirtschaft und Korruption bei EU-Mitteln zu kontrollieren und auszuräumen, kann sie dem Rat der Regierungen vorschlagen, diese Mittel einzufrieren. Der Rat braucht dafür eine qualifizierte Mehrheit.
Das Thema ist seit Monaten umstritten und emotional aufgeladen. Vor allem Ungarns Premierminister
Victor Orbán wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Klausel, da er sie als Angriff gegen sich und seine Politik wertet. Auch die polnische Regierung will ein derartiges Instrument nicht einführen. Gegen beide Länder läuft ein Rechtsstaatsverfahren, weil nach Überzeugung der EUKommission die richterliche Unabhängigkeit und die Medienfreiheit nicht mehr gewährleistet sind.
Ein derartiges Verfahren ist allerdings kompliziert. Es endet im Erfolgsfall damit, dass die Mitgliedsrechte des betreffenden Staates ausgesetzt werden, bis die Mängel behoben sind. Allerdings müssen sich alle EU-Staaten dafür aussprechen, nur das betroffene Land darf nicht mit abstimmen. Wenn – wie in der aktuellen Lage – zwei Mitgliedsländer unter verschärfter Beobachtung stehen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie sich gegenseitig mit einem Veto aus der Patsche helfen.
Das EU-Parlament will mit allen Mitteln verhindern, dass der neue Mechanismus ein ebenso zahnloser Tiger wird wie der schon existierende Vertragsartikel 7. Mit großer Mehrheit sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, auf einem wirksamen Verfahren zu bestehen und andernfalls die Haushaltsverhandlungen zu blockieren. Im Trilog mit Rat und Kommission setzte die Parlamentsdelegation alles auf diese Karte und gab sich dafür mit vergleichsweise geringen finanziellen Nachbesserungen zufrieden. In den Bereichen Bildung, Forschung, Migration und gemeinsame Verteidigung
hatten die Regierungen bei ihrem Gipfeltreffen Mitte Juli den Rotstift angesetzt. Die Abgeordneten erreichten nur einen Nachschlag von 16 Milliarden Euro, verteilt auf sieben Jahre, und blieben damit weit hinter ihren Forderungen zurück.
Rasmus Andresen, der grüne Vertreter in den Haushaltsverhandlungen, gab sich am Montag gelassen. Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“sagte er: „Nun muss Angela Merkel ihren Job machen und den Kompromiss auf dem Gipfel kommenden Donnerstag durchsetzen. Wir wollen doch mal sehen, ob die polnische PIS-Partei wirklich die Nerven hat, Förderpakete zu blockieren, die einen erheblichen Effekt auf ihre Volkswirtschaft und ihre Unternehmen haben.“Die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler sagte: „Natürlich wird, je näher wir den Abstimmungen kommen, über die Hauptstädte mehr Druck ausgeübt werden. Aber für uns ist die Rechtsstaatlichkeit ein Kernanliegen. Und wir haben die Wähler auf unserer Seite – wohin Sie schauen: Die Leute wollen diese korrupten Systeme nicht.“
Orbán, so Niebler, wolle vor allem verhindern, dass daraus ein politisches Agitationsinstrument gegen sein Land werde. Die Missstände auf Malta oder in der Slowakei müssten ebenso scharf geahndet werden. „Vielleicht kann man über eine Protokollerklärung noch mal klarstellen: Der Rechtsstaatsmechanismus ist keine politische Bewertung. Ich habe großes Vertrauen in die deutsche Ratspräsidentschaft und Botschafter Clauß, der ein sehr guter Verhandler ist.“