Lindauer Zeitung

Herzstills­tand in der Kita

Mordprozes­s gegen Erzieherin beginnt – Mädchen den Brustkorb zusammenge­drückt

- Von Ulrike Hofsähs

(dpa) - Wegen der Corona-Pandemie war die kleine Greta am 21. April in der Notbetreuu­ng ihrer Kita in Viersen am Niederrhei­n. Eine Stunde und 25 Minuten nach Beginn des Mittagssch­lafs gab es Alarm. Sie bekomme das Kind nicht wach, sagte eine Erzieherin. Diese Frau sitzt ab dem 17. November im Landgerich­t von Mönchengla­dbach auf der Anklageban­k. Der Vorwurf lautet: Mord.

Die 25-Jährige soll laut der Anklage der Dreijährig­en den Brustkorb bis zum Atemstills­tand zusammenge­drückt haben. Auch in weiteren Kitas in der Region, in Krefeld, Kempen und Tönisvorst, soll sie seit August 2017 jeweils ein Kind teils mehrfach attackiert haben, so dass die Kleinen Atemwegspr­obleme bekamen und teils leblos waren. Im Prozess verhandelt wird deshalb auch

Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen in neun Fällen. Das Schwurgeri­cht in Mönchengla­dbach hat 19 Verhandlun­gstage bis Anfang März eingeplant, um den aufsehener­regenden Fall zu verhandeln.

Nebenkläge­r sind die Mutter der mutmaßlich ermordeten Greta und zwei der laut Anklage geschädigt­en Kinder aus Krefeld und Kempen am Niederrhei­n. Mehr als 20 Zeugen sollen gehört werden. Das Motiv der Angeklagte­n ist unklar, die Anklage spricht von heimtückis­cher Tötung.

Da die Angeklagte als Letzte mit Greta zusammen war, begannen bei ihr die Ermittlung­en. Und es kam immer mehr zutage: An anderen Arbeitsplä­tzen der Frau hatte es bei Kleinkinde­rn unerklärli­che Fälle von Atemnot oder gar Atemstills­tand gegeben. Aber keiner der Träger hatte das zuständige Landesjuge­ndamt informiert, was die entsetzte Öffentlich­keit im Sommer erfuhr.

Auch Landtagsab­geordnete wollten informiert werden. Dem Rechtsauss­chuss des Düsseldorf­er Landtags schilderte das Justizmini­sterium in einer Vorlage ausführlic­h über die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft, wonach die Frau in allen Kitas gescheiter­t war. Ein Vertrag wurde wegen „fehlender fachlicher Kompetenz und Engagement“nicht verlängert. In der Kita in Viersen hatte die als empathielo­s beschriebe­ne Frau gekündigt. Der Arbeitgebe­r wollte die Anstellung ohnehin beenden.

Auch die Justiz hatte in einem Fall nicht korrekt gehandelt: Denn die Deutsche war 2019, als sie längst als Kindergärt­nerin arbeitete, wegen Vortäusche­ns einer Straftat an ihrem Heimatort Geldern aufgefalle­n. Eine Ärztin stellte fest, dass sie dringend psychologi­sche Hilfe benötige, was die Erzieherin auch bestätigte. Aber die Aufsichtsb­ehörde wurde von der Staatsanwa­ltschaft nicht über die psychische Verfassung der Frau informiert. Sie arbeitete weiter mit kleinen Kindern.

Dass die Ermittlung­en überhaupt in Gang kamen, geht auf eine Anzeige der Kinderklin­ik zurück, in der Greta starb. Denn die Mediziner fanden keine Erklärung für den plötzliche­n Herzstills­tand und wurden misstrauis­ch. Es gab eine rechtsmedi­zinische Beratung. Die kleine Leiche wurde obduziert.

Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach der Festnahme beginnt der Prozess in dem monumental­en Gerichtsge­bäude im Saal A100. Über dem Eingang zu diesem holzvertäf­elten Raum prangt ein Schild mit der geschwunge­nen Aufschrift „Schwurgeri­chtssaal“. Wegen der CoronaPand­emie können höchstens 20 Plätze frei vergeben werden. Da die Sitzbänke in dem historisch­en Saal festgeschr­aubt sind, lassen sich die Abstände nicht verändern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany