Der Lockdown in Vorarlberg macht Lindauern Angst
200 Pandemie-Leugner protestieren in Lindau gegen Maskenpflicht und Lockdown
- Der Lockdown in Vorarlberg bereitet Lindauern Angst. Dort sind Intensivstationen fast voll, die Corona-Zahlen sind um ein Vielfaches höher, aber die Vorarlberger dürfen jederzeit über die Grenze.
13 Intensivbetten standen am Montag in ganz Vorarlberg noch zur Verfügung. 35 Menschen mussten wegen ihrer Corona-Erkrankung auf Intensivstationen behandelt werden. Fast 200 Patienten liegen mit Corona in einem Krankenhaus. 74 Menschen sind in Vorarlberg bisher an Corona gestorben, davon 52 allein in den vergangenen sieben Wochen.
Vertreter der Kliniken sind deshalb mit einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit gegangen und haben gewarnt, dass sie ausschließlich Notfallpatienten aufnehmen können. Bei einem schweren Unfall könnten sie wahrscheinlich nicht mehr alle Verletzten behandeln, weil die Kliniken voll seien. Es sei nicht auszuschließen, dass die Ärzte in naher Zukunft vor die Entscheidung gestellt würden, wen sie aufnehmen und wem sie zu helfen versuchen und wem sie nicht mehr helfen können. Die zumeist älteren Patienten hätten in der Isolation vor allem mit Atemnot und Angst zu kämpfen.
Angesichts sehr hoher Infektionszahlen rechnen Fachleute mit steigenden Patientenzahlen. Die Sieben-Tage-Quote in Vorarlberg lag am Montag bei 774, im Bezirk Dornbirn ist fast die Marke von tausend erreicht. Die Ärzte und Pfleger baten deshalb inständig darum, dass die Menschen die Beschränkungen einhalten, daheim bleiben und nur zur Arbeit und für die notwendigsten Einkäufe das Haus verlassen. Anders ließen sich diese Zahlen nicht verringern.
Doch zunächst führten die Nachrichten vom bevorstehenden Lockdown dazu, dass die Vorarlberger am Samstag die Geschäfte stürmten. Dabei herrschte nicht nur im Messepark Dornbirn Andrang, sondern auch in Lindau. Der Aldi-Markt musste die Türen zeitweise wegen Überfüllung schließen. Auffällig war auch beim Lindaupark die überdurchschnittlich große Zahl an Autos mit Vorarlberger Kennzeichen auf dem Parkplatz.
Manche Lindauer haben nun Angst, dass das in den kommenden Wochen so bleibt, wenn in Vorarlberg nur Supermärkte und Apotheken öffnen dürfen, hierzulande aber alle Geschäfte offen sind. Bekanntlich hat der Freistaat Bayern die im Oktober verbotene Einreise von Einkäufern vor gut einer Woche wieder erlaubt.
Landrat Elmar Stegmann „teilt diese Sorge“, wie Pressesprecherin Sibylle Ehreiser auf Anfrage der LZ mitteilt. Allerdings habe er keine Chance, daran etwas zu ändern, denn für den Grenzverkehr seien ausschließlich Bund und Länder zuständig. Allerdings habe sich Stegmann bereits im Oktober mehrfach an das Gesundheitsministerium gewandt und davor gewarnt, den sogenannten Kleinen Grenzverkehr wieder zuzulassen „leider ohne Erfolg“, wie Ehreiser schreibt. Das Landratsamt räumt damit erstmals öffentlich ein, dass ein Teil der hohen Lindauer Corona-Zahlen mit der Nähe zum besonders belasteten Vorarlberg zu erklären ist.
Das für die Regeln im Grenzverkehr zuständige Gesundheitsministerium hat sich am Montag auf Anfrage der LZ nicht gemeldet.
Während in Vorarlberg täglich Menschen an Corona sterben und auf Intensivstationen leiden, haben am Sonntag in Lindau etwa 200 Leugner der Pandemie gegen Schutzmaßnahmen demonstriert. Veranstalterin Loba Salome Pahl, eine Unternehmensberaterin aus Lindau, wandte sich bei „Klardenken“Lindau ebenso gegen die aus ihrer Sicht überzogenen Maßnahmen wie Gerhard Brutscher, Musiker aus Sigmarszell.
Als Redner trat erneut der Kauferinger Arzt Rolf Kron auf, der NaziVorwürfe zurückwies, weiter aber nicht auf den an gleicher Stelle vor drei Wochen gezeigten Hitlergruß einging. Weitere Redner waren der aus Illertissen stammende Zahnarzt Wolfgang Gänsler, der zu den Gründern
von „Klardenken“Schwaben gehört, und der Augsburger Rechtsanwalt Edgar Krein. Sie sind sich einig darin, dass die Menschen Opfer einer großen Verschwörung sind, sie sprachen mehrfach vom angeblichen „großen Reset“, den eine Elite aus Wirtschaft und Politik wolle.
Mehrfach beschworen die Redner die Gefahr von Zwangsimpfungen, obwohl Bundespolitiker aus Regierung und Opposition in Bund und Ländern vielfach erklärt haben, dass sie das nicht vorhaben, dass dies auch in keinem
ANZEIGE Gesetzesentwurf enthalten ist. Krein schürte aber die Angst mit dem Hinweis, dass die Bundesregierung dies nachholen werde.
„Corona ist letztlich nichts als eine groß aufgesetzte Lüge“, sagte Krein. Das Virus sei weniger gefährlich als das Influenza-Virus – eine Behauptung, die Pandemie-Leugner seit dem Frühjahr oft wiederholen, obwohl Mediziner wegen der hohen Ansteckungsraten und der damit verbundenen Gefahr überfüllter Krankenhäuser und hoher Todesraten dies vielfach widerlegt haben. Laut Kron ist die Welt im „Dritten Weltkrieg“. Wer da angeblich gegen wen kämpft, sagte er nicht. Seine Behauptung, es gebe keine Übersterblichkeit, hat das Statistische Bundesamt bereits Anfang Oktober widerlegt und gezeigt, dass in Deutschland von März bis Mai deutlich mehr Menschen gestorben sind als in den Vorjahren.
Gänsler verglich die Bundesregierung mit den Nationalsozialisten, nannte Ministerpräsident Markus Söder einen „Seuchendiktator“und behauptete, die Intensivstationen ständen überall leer. Die von den Behörden genannten Zahlen der Kranken und Toten hierzulande seien falsch.
Pahl hatte zu der Kundgebung Politiker aus Lindau eingeladen. Allerdings standen lediglich Ulrich Jöckel (FDP) und Rainer Rothfuß (AfD) auf der Bühne. Jöckel trug als einziger eine Maske. Da die Zahl der Teilnehmer laut Polizei unter 200 blieb, gab es auf dem Platz keine Maskenpflicht.
Jöckel erntete wiederholt Buhrufe, als er die Teilnehmer aufforderte, sich an Abstand, Hygiene und Maskenpflicht zu halten. Nur mit diesen Methoden ließen sich Ansteckungen verhindern und das Leben wieder normalisieren. Rothfuß sprach vom „großen Reset“, kündigte Widerstand gegen eine Zwangsimpfung an und kritisierte den Teil-Lockdown. Besser wäre ein „spezifischer Lockdown“der Altenheime und Senioreneinrichtungen gewesen.
Während die Polizei bei der Kundgebung der Pandemie-Leugner nicht eingreifen musste, gab es Störungen durch Gegendemonstranten, die Schilder trugen mit Texten wie „Wer mit Nazis demonstriert, der hat wirklich nichts kapiert“.
Laut Polizei forderten Gegendemonstranten mit Plakaten vorbeifahrende Autofahrer auf, die Versammlung durch Hupen zu stören. Die Beamten stellten diese Plakate für die Dauer der Versammlung sicher. Insgesamt ist der Nachmittag laut Polizei störungsfrei verlaufen.