Die Kirche als Taubenschlag
Der Gebrauch von Fremdwörtern ist eine Gratwanderung. Sie sind einerseits ein unentbehrlicher Bestandteil unserer Sprache, andererseits kann ihr Einsatz fragwürdig sein, wenn ein deutsches Wort denselben Dienst leistet und auf Anhieb verständlicher ist. Bei der Zeitungslektüre am Dienstag fanden sich zwei Beispiele für diese These:
lautete die Überschrift zu einem Text über den Fußballer Robin Koch. Er sei ein Spieler, „der sich sofort höheren Aufgaben anpasst“und „das Niveau schnell
schwärmte Bundestrainer Joachim Löw. Dass dann bei der schier unfasslichen 0:6-Klatsche im Spiel gegen Spanien am Dienstagabend kein einziger deutscher Spieler irgendein Niveau sei am Rande erwähnt.
Nun heißt nichts anderes als Wir kennen es als Fremdwort, wenn ein Roman für den Film wird, also für das Drehbuch angepasst. Oder wir reden von
wenn ein Organismus sich an andere Umweltbedingungen anpasst. Löw benutzte wohl, um eine Wortwiederholung in seinem Satz zu vermeiden. Aber für den Titel wäre – eine subjektive Anmerkung! – sicher griffiger gewesen als
Hier hatte das Fremdwort keine tragende Funktion. Anders liegt der Fall beim zweiten Beispiel. Da ging es um die Umwandlung von „nicht mehr genutzten Kirchen in sogenannte zur Aufbewahrung von Urnen“. Hier haben wir es mit einem interessanten Fremdwort zu tun. Das Grimm’sche Wörterbuch kannte es um 1850 noch nicht. Laut DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) wird es aber seit 1980 bei uns immer häufiger verwendet. Sehr alt ist es allemal. Während der ersten J ahrhunderte nach Christi Geburt war es in Rom üblich, Urnen in Wandnischen von Grabkammern aufzubewahren. Weil aber eine solche Wand wie ein Taubenschlag aussah, nannten die Römer sie vom lateinischen Wort für Daher kommt übrigens auch der Name der Stadt im Elsass. Sie wurde 823 als erstmals erwähnt – warum, ist nicht belegt. Das Christentum lehnte die Feuerbestattung aus Gründen der Auferstehungslehre bis in die 1960er-Jahre strikt ab. Dennoch setzte sich die Leichenverbrennung bereits nach 1850 mehr und mehr durch, und so entstanden parallel zu den Krematorien auch die ersten
auf den Friedhöfen. Nun nimmt die Zahl der Feuerbestattungen heute enorm zu. Lag ihr Anteil um 1990 gegenüber den Erdbestattungen bundesweit nur bei einem Drittel, so hat sich das Verhältnis fast umgekehrt. Jetzt wählen nur noch 38 Prozent ein herkömmliches Begräbnis. Immer häufiger werden deswegen Urnenwände auf Friedhöfen errichtet oder in schon bestehende Räume eingebaut – etwa in umgewidmete Kirchen.
Dass man sie weiterhin mit dem Fachausdruck benennt, deckt sich mit dem Befund des DWDS. Dort ist beim Wort bislang Fehlanzeige. Ob sich das ändert, wird sich weisen. Sollte sich aber einbürgern, so wäre das Fremdwort eines Tages entbehrlich.
Nebenbei bemerkt: Damit ist auch klar, was heißt: oder
Ein Friedenstauber war jener Entdecker allerdings nicht – zum Leidwesen der Indios.
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