So viele Menschen brauchen wirklich Hilfe
Während des Lockdowns melden sich mehr Personen bei der Bahnhofsmission - Bessere Zusammenarbeit gefragt
- Bei der Lindauer Bahnhofsmission melden sich seit dem Lockdown mehr Hilfesuchende als sonst, und häufiger haben sie psychische Probleme. Trotzdem ist Corona laut Leiterin Conny Schäle nicht die Ursache des Problems. Viel eher mache die Pandemie klar, wie viele Menschen wirklich Hilfe bräuchten. Auch deshalb wünscht sie sich, dass alle sozialen Organisationen in Lindau besser zusammenarbeiten.
„Seit dem Lockdown kommen doppelt so viele Menschen zu uns wie normalerweise“, sagt Conny Schäle mit Blick auf die vergangenen Tage. Oft seien Obdachlose da, die auf ein Gespräch vorbeikommen oder Hilfe beim Ausfüllen verschiedener Anträge brauchen. „Viele dieser Anträge müssen mittlerweile online ausgefüllt werden“, sagt Schäle. Die Obdachlosen und andere Menschen, die Hilfe brauchen, haben aber weder Smartphone noch Computer.
„Wichtig ist, dass die Menschen wieder selbstständig werden. Deshalb bekommen sie bei uns einen Computer zur Verfügung gestellt“, sagt sie. Das Formular müssen sie dann aber mit eigener Kraft ausfüllen. Conny Schäle findet, wenn die Menschen lernen, selbstständig zu sein, bräuchten sie später weniger Hilfe. Auch deshalb findet sie es besonders wichtig, dass die sozialen Einrichtungen in Lindau zusammenarbeiten.
So könnte man die Menschen an verschiedenen Stellen in ihrem Leben begleiten, und die Ehrenamtlichen und Sozialarbeiter wissen, wo noch angepackt werden muss, erklärt sie. Denn die Probleme, mit denen die Obdachlosen und andere Menschen zu kämpfen haben, sind vielfältig. Bei der Bahnhofsmission bekommen sie Essen oder Hilfe, wenn sie auf der Suche nach einer Unterkunft sind. Was Conny Schäle aber auffällt: Immer mehr Menschen, die bei der Bahnhofsmission vorbeikommen, scheinen psychische Probleme zu haben. Eine Frau habe beispielsweise Probleme mit ihren Nachbarn und behauptet, sie hätten ihr das eine Glas Sauerkraut direkt aus der Küche geklaut. Auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist - solche Probleme versuche sie ernst zu nehmen. „Nur, wenn sich jemand ernst genommen fühlt, kann man auch herausfinden, wo das wirkliche Problem liegt.“
Seit dem Lockdown habe sich dieser Eindruck verstärkt. Die Menschen haben weniger sozialen Kontakt, die Vereinsamung verstärke sich. „Ich glaube aber nicht, dass Corona alleine an dieser Entwicklung schuld ist“, sagt sie. Viel mehr mache die Pandemie klar, dass die Probleme tiefer liegen, als gedacht. Denn momentan sind viele soziale Einrichtungen in Lindau geschlossen. Unter anderem die Tafel, das Wallstüble, der Treffpunkt Zech. „Außerdem fallen die Zusammenkünfte im St. Josef weg“, erklärt Conny Schäle. Auch deshalb kommen vermutlich mehr Menschen zur Bahnhofsmission.
Was fehle, sei beispielsweise eine Wärmestube, in der sich die Menschen treffen könnten. Außerdem müsse die digitale Versorgung besser abgedeckt werden, damit die Menschen sich selbst helfen können.
Die Bahnhofsmission hat unter der Woche von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Samstags sind die Ehrenamtlichen von 9.30 bis 14.30 Uhr zu erreichen.