Lindauer Zeitung

So viele Menschen brauchen wirklich Hilfe

Während des Lockdowns melden sich mehr Personen bei der Bahnhofsmi­ssion - Bessere Zusammenar­beit gefragt

- Von Anne Jethon

- Bei der Lindauer Bahnhofsmi­ssion melden sich seit dem Lockdown mehr Hilfesuche­nde als sonst, und häufiger haben sie psychische Probleme. Trotzdem ist Corona laut Leiterin Conny Schäle nicht die Ursache des Problems. Viel eher mache die Pandemie klar, wie viele Menschen wirklich Hilfe bräuchten. Auch deshalb wünscht sie sich, dass alle sozialen Organisati­onen in Lindau besser zusammenar­beiten.

„Seit dem Lockdown kommen doppelt so viele Menschen zu uns wie normalerwe­ise“, sagt Conny Schäle mit Blick auf die vergangene­n Tage. Oft seien Obdachlose da, die auf ein Gespräch vorbeikomm­en oder Hilfe beim Ausfüllen verschiede­ner Anträge brauchen. „Viele dieser Anträge müssen mittlerwei­le online ausgefüllt werden“, sagt Schäle. Die Obdachlose­n und andere Menschen, die Hilfe brauchen, haben aber weder Smartphone noch Computer.

„Wichtig ist, dass die Menschen wieder selbststän­dig werden. Deshalb bekommen sie bei uns einen Computer zur Verfügung gestellt“, sagt sie. Das Formular müssen sie dann aber mit eigener Kraft ausfüllen. Conny Schäle findet, wenn die Menschen lernen, selbststän­dig zu sein, bräuchten sie später weniger Hilfe. Auch deshalb findet sie es besonders wichtig, dass die sozialen Einrichtun­gen in Lindau zusammenar­beiten.

So könnte man die Menschen an verschiede­nen Stellen in ihrem Leben begleiten, und die Ehrenamtli­chen und Sozialarbe­iter wissen, wo noch angepackt werden muss, erklärt sie. Denn die Probleme, mit denen die Obdachlose­n und andere Menschen zu kämpfen haben, sind vielfältig. Bei der Bahnhofsmi­ssion bekommen sie Essen oder Hilfe, wenn sie auf der Suche nach einer Unterkunft sind. Was Conny Schäle aber auffällt: Immer mehr Menschen, die bei der Bahnhofsmi­ssion vorbeikomm­en, scheinen psychische Probleme zu haben. Eine Frau habe beispielsw­eise Probleme mit ihren Nachbarn und behauptet, sie hätten ihr das eine Glas Sauerkraut direkt aus der Küche geklaut. Auch wenn das sehr unwahrsche­inlich ist - solche Probleme versuche sie ernst zu nehmen. „Nur, wenn sich jemand ernst genommen fühlt, kann man auch herausfind­en, wo das wirkliche Problem liegt.“

Seit dem Lockdown habe sich dieser Eindruck verstärkt. Die Menschen haben weniger sozialen Kontakt, die Vereinsamu­ng verstärke sich. „Ich glaube aber nicht, dass Corona alleine an dieser Entwicklun­g schuld ist“, sagt sie. Viel mehr mache die Pandemie klar, dass die Probleme tiefer liegen, als gedacht. Denn momentan sind viele soziale Einrichtun­gen in Lindau geschlosse­n. Unter anderem die Tafel, das Wallstüble, der Treffpunkt Zech. „Außerdem fallen die Zusammenkü­nfte im St. Josef weg“, erklärt Conny Schäle. Auch deshalb kommen vermutlich mehr Menschen zur Bahnhofsmi­ssion.

Was fehle, sei beispielsw­eise eine Wärmestube, in der sich die Menschen treffen könnten. Außerdem müsse die digitale Versorgung besser abgedeckt werden, damit die Menschen sich selbst helfen können.

Die Bahnhofsmi­ssion hat unter der Woche von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Samstags sind die Ehrenamtli­chen von 9.30 bis 14.30 Uhr zu erreichen.

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Conny Schäle unterhält sich mit Hans-Jörg Boschner, Ehrenamtli­cher bei der Bahnhofsmi­ssion.
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FOTOS: AJ/DOL

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