Azubi kommt mit Bus nicht rechtzeitig zur Arbeit
Kreisräte uneinig über Startzeiten der Regionalbuslinie 18 – Wie flexibel muss der künftige Nahverkehrsplan sein?
- Als die Schweizer Firma Metron den neuen Nahverkehrsplan für den Landkreis Lindau erarbeitet hat, ist für die Verkehrsplaner klar gewesen: Das neue Linienund Fahrplankonzept müsse eine breite Masse der Landkreisbewohner ansprechen, könne „kein Maßanzug“mehr sein. Doch wie flexibel muss so ein Nahverkehrskonzept sein? Das fragte sich in der jüngsten Sitzung des Wirtschafts- und Mobilitätsausschusses der ein oder andere Kreisrat. Auslöser war ein Antrag der CSU-Fraktion, wonach die Buslinie 18 morgens früher starten sollte. Weil beispielsweise Auszubildende sonst zu spät zur Arbeit kommen.
Vor gut zwei Jahren hat der Lindauer Kreistag das künftige Nahverkehrskonzept einstimmig beschlossen. Zunächst war der Start für Dezember 2021 geplant. Wegen Linienkonzessionen, die bis zum Herbst 2023 laufen, muss das um zwei Jahre verschoben werden. Damit aber schon vor Dezember 2023 Bewegung in den öffentlichen Nahverkehr kommt, hatten die Kreisräte einzelne Schritte der Schweizer Verkehrsplaner vorziehen wollen.
So rollt die Buslinie 21 zwischen Wasserburg, Bodolz und LindauReutin bereits jetzt im Stundentakt. Die geplanten Verbesserungen für die große „Querlinie“18 zwischen Weiler, Lindenberg und Lindau sind jedoch vertagt – weil in diesem Sommer wegen der Corona-Pandemie nicht viele Menschen in den Regionalbussen
im Landkreis unterwegs sind und es deswegen einen dicken sechsstelligen Betrag an „Mindereinnahmen“gebe, wie der Nahverkehrsfachmann des Landratsamtes Eduard Stützle im Wirtschaftsausschuss feststellte.
Mit Blick auf die Lindauer Gartenschau im kommenden Jahr, aber auch auf den Alltagsbedarf im Kreisgebiet, haben in den vergangenen Wochen sowohl Gemeinden als auch die CSU-Kreistagsfraktion schnellere Verbesserungen für die AllgäuBodensee-Buslinie beantragt. So halten Sigmarszell und Scheidegg – sie sind Außenstandorte der Gartenschau – für die Buslinie 18 einen
Stundentakt für sinnvoll, und das zusätzlich zum Vorarlberger Landbus. Die CSU-Räte halten zwar einen Zwei-Stunden-Takt im Wechsel mit dem Landbus für ausreichend, wollen aber den ersten Bus morgens bereits um 5.30 Uhr losfahren sehen.
Denn im Alltag sind beispielsweise junge Leute, die noch kein eigenes Auto haben, auf den Regionalbus angewiesen. So wie der 17-jährige Auszubildende eines Handwerksbetriebs in Schlachters: Dort ist Arbeitsbeginn um 7 Uhr. Doch der Azubi kann, weil er im Westallgäu lebt, erst rund eine Viertelstunde später im Betrieb sein – weil dann erst der erste Bus aus Richtung Lindenberg in Schlachters hält, wie Firmenchef Paul Breyer im Gespräch mit der LZ schildert.
„Das sieht dann so aus, dass entweder einer meiner Mitarbeiter hier warten muss, bis unser Azubi in Schlachters ist, oder jemand anderes den jungen Mann zur Baustelle hinterherfahren muss.“Beides passt nicht in den Tagesablauf des Betriebs. Dabei ist Breyer froh, dass er einen interessierten Jugendlichen ausbilden kann – denn andere Handwerksbetriebe suchen oft vergeblich Nachwuchs.
„Es wäre schön, wenn es einen Bus gäbe, der in der Früh eine halbe Stunde eher fährt“, sagt Breyer und verweist darauf, dass auch Mitarbeiter anderer Firmen in Lindau aus dem Westallgäu kommen. Doch aufgrund des bisherigen Fahrplans „ist die Akzeptanz halt schlecht“.
Breyer ist durchaus bewusst: „Alles geht nicht.“So wie auch den Kreisräten sowohl bei ihrer Grundsatzentscheidung vor gut zwei Jahren als auch jetzt im Wirtschaftsausschuss klar ist, dass sich der Landkreis finanziell nicht alles leisten kann, was im öffentlichen Nahverkehr wünschenswert wäre. Doch dass die Kreisverwaltung in ihrem Beschlussvorschlag zum Thema Ausbau der Buslinie 18 nun den Fahrplan doch später, nicht bereits gegen 5.30 Uhr starten lassen will, hat insbesondere Kreisrat Eberhard Rotter gestört.
Den Hinweis des zuständigen Landratsamtsjuristen Erik Jahn, dass die Verwaltung mit diesem „Sammelbeschluss“den Anträgen nachkomme, ließ Rotter nicht gelten: Dann müsse einzeln über jeden Antrag abgestimmt werden. Für einige Kreisräte stellt sich aber auch die Frage, wie viel Flexibilität der ab Spätherbst 2023 geltende Nahverkehrsplan ermögliche.
Denn schließlich habe der Landkreis in diesem Sommer die Kreisbewohner doch befragt, wo sie Schwachpunkte im ÖPNV sehen – dann müsse man auch in der Lage sein, solche Anregungen zu berücksichtigen, ist Kreisrätin Hannelore Windhaber überzeugt. Ihr Ausschusskollege Thomas Baumgartner erinnerte hingegen an die Devise der Verkehrsplaner: „Wir können nicht jeden jederzeit an jeder Ecke abholen.“
Für Landrat Elmar Stegmann erschien in der Sitzung eine Antwort wichtig: „Was kostet das?“, wenn die Busse der Linie 18 noch früher am Tag starten und abends länger fahren, damit Beschäftigte nach getaner Arbeit auch abends mit dem ÖPNV wieder von Lindau nach Hause ins Westallgäu kommen. Darauf hatte die Verwaltung im Wirtschaftsausschuss jedoch keine Zahlen parat. Weshalb Stegmann den Beschluss vertagte: Der Wirtschafts- und Mobilitätsausschuss soll sich im Dezember erneut treffen.
Handwerksmeister Paul Breyer überlegt sich unterdessen, den Führerschein seines Azubis mitzubezahlen. Damit der junge Mann im zweiten Lehrjahr dann morgens im eigenen Auto pünktlich zur Arbeit kommen kann.