Das halbe Leben hinter Gittern, jetzt wieder
Angeklagter in Kempten wegen schwerer Diebstähle zu zwei Jahren Haft verurteilt – Im Strafregister steht auch Mord
- Kriminelle Energie bringt der Angeklagte offenbar mit. Immerhin steht er wegen besonders schweren Diebstahls vor Gericht, wird in drei Fällen verurteilt. Was im Lauf des Prozesses vor dem Amtsgericht Kempten ans Licht kommt, lässt allerdings tiefer in eine verbrecherische Karriere blicken: Mehr als die Hälfte seines Lebens hat der 47-Jährige hinter Gittern verbracht. Wegen eines Mordes war er einmal zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Jetzt schließt sich an eine aktuelle Haft die nächste Gefängnisstrafe für den Familienvater an.
Im Ostallgäu war der Mann im Frühjahr auf Beute aus. Eine Schülerin ertappte ihn in der Umkleide ihrer Sporthalle. Als klar war, dass Handys fehlten, verfolgte die Jugendliche mit Hilfe der Sportlehrerin den Dieb. Die beiden stellten ihn, er gab eines der Handys heraus. Wenige Tage später schlug der Angeklagte in einer Tiefgarage das Seitenfenster eines Autos ein und stahl Papiere aus dem Handschuhfach. Wohl noch am gleichen Tag stieg er in eine Arztpraxis ein und ließ eine Spardose mitgehen.
Erinnern kann sich der gelernte Schreiner an keinen der Vorfälle. In dieser Phase habe er „Etliches“getrunken, bis Nachmittag zehn Bier und einige Schnäpse. Ein Polizist attestiert dem schon länger bekannten Mann indes „relativ normales“Auftreten, als er ihn noch kurz vor der Tat in der Tiefgarage antraf. Stehe der Gelegenheitsarbeiter unter Strom, neige er zu aggressivem Verhalten. Auch deswegen war ihm auferlegt worden, die Finger von Alkohol und Drogen wegzulassen.
DNA-Spuren, Schuhabdrücke und Aufnahmen einer Überwachungskamera sind für Amtsrichter Stefan Peter in den aktuellen Fällen letztlich hinreichende Beweise für ein Urteil. Angesichts der vielen Vorstrafen kommt keine Bewährung mehr infrage: Gefährliche Körperverletzung, Diebstähle – auch gewerbsmäßig, versuchter Raub, Betrug, Nachstellung, Sachbeschädigungen und eben der Mord finden sich in der Akte des Mannes.
Der Vorsitzende verhängt eine Gesamtstrafe von zwei Jahren Haft. Erst vor wenigen Tagen hatte das Landgericht dem Angeklagten in anderer Sache zwei Jahre und neun Monate aufgebrummt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verfügt – nicht zum ersten Mal. Vor dem Entzug kommt nun aber der Vollzug – neun Monate Knast stehen an.
Ganz verstanden hat der Beschuldigte diesen Urteilsspruch nicht, wie er selbst sagt. Meist wirkt er abwesend,
Der Pflichtverteidiger des Angeklagten bat um Aufschub der Verlegung vom Kemptener Gefängnis in eine andere Justizvollzugsanstalt. schaut niemand in die Augen. Lediglich seiner Frau im Zuschauerraum, mit der er eine kleine Tochter hat, zwinkert er immer wieder zu, grinst vielsagend. Sein Pflichtverteidiger bittet um Aufschub der Verlegung vom Kemptener Gefängnis in eine andere Justizvollzugsanstalt: „Ich möchte ihm das noch einmal erklären, bevor wir ein Urteil annehmen.“
Als „relativ strafunempfindlich“, sagt der Richter, zeige sich der Angeklagte. Ein Gutachter geht davon aus, dass der Alkoholkranke weitere Straftaten verüben könnte. Kommt in solchen Fällen nicht irgendwann Sicherungsverwahrung in Betracht? Da gibt das Strafgesetzbuch einen engen Rahmen vor, erklärt Robert Kriwanek, Pressesprecher und stellvertretender Direktor des Amtsgerichts. Neben Kapitalverbrechen können auch Raub, Erpressung und Brandstiftung der Auslöser sein, dass ein Mensch auf unbestimmte Zeit weggesperrt wird. „Voraussetzung ist jedoch, dass Straftaten im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren bedroht sind.“
„Ich möchte ihm das noch einmal erklären, bevor wir ein Urteil annehmen.“