Lindauer Zeitung

Was geht in diesen Menschen vor?

Immer wieder werden Steine von Brücken auf fahrende Autos geworfen

- Von Simone Härtle

- Der Fahrer eines Kleintrans­porters ist am Freitagabe­nd auf der A 96 bei Memmingerb­erg (Unterallgä­u) unterwegs, als er erkennt, dass etwas von einer Brücke geflogen kommt. Er bremst ab, dennoch schlägt ein Stein in der Motorhaube ein. Die Insassen des Wagens bleiben unverletzt, doch das ist wohl nur dem Zufall zu verdanken. Immer wieder kommt es bei solchen Taten zu schweren Unfällen. Doch wer wirft Steine auf fahrende Autos und welche Motivation steckt dahinter?

Zu dieser Frage gibt es verschiede­ne Hypothesen, sagt Andreas Küthmann, Ärztlicher Direktor des Bezirkskra­nkenhauses Memmingen. „Dahinter kann Frustratio­n oder der Ärger über bestimmte Situatione­n stecken.“Auch die Demonstrat­ion von Macht könne eine Rolle spielen. „Der Täter hat es in der Hand, andere zu treffen, zu verunsiche­rn, zu verletzen oder sogar zu töten“, erläutert der Psychiater. Manch einer wolle auch aus einer Kränkung heraus zeigen, was er bewirken kann. Doch auch andere Szenarien seien vorstellba­r, beispielsw­eise Mutproben unter Jugendlich­en oder Menschen, „die es einfach ausprobier­en wollen“.

Nicht jeder, der Steine oder andere Gegenständ­e von Brücken auf Autos wirft, ist zwangsläuf­ig psychisch krank, sagt Küthmann. Handlungen aus Frustratio­n seien auch bei gesunden Menschen möglich. „Trotzdem muss man sich mit Personen, die so etwas tun, auseinande­rsetzen und ihrer Motivation auf den Grund gehen.“Der Experte mahnt jedoch vor zu viel medialer Aufmerksam­keit: „Handlungen, die spektakulä­r oder besonders gefährlich wirken, regen Nachahmer an.“

„Taten dieser Art entstehen oftmals spontan“, sagt Franziska Hihler, Leiterin der Autobahnpo­lizeistati­on Memmingen. Die Täter zu finden sei daher oft nicht einfach, auch im jüngsten Fall wird noch nach dem Steinewerf­er gesucht. „Manchmal gibt es Zeugen und die Werfer werden erkannt. Es kann aber auch ein zufällig vorbeikomm­ender Tourist in einem unbeobacht­eten Moment einen Stein schmeißen“, sagt Polizeispr­echer Julian Klima. Laut Franziska Hihler kommt der Öffentlich­keitsfahnd­ung in vielen Fällen eine besondere Bedeutung zu: Gibt es unbeteilig­te Zeugen, die auffällige Wahrnehmun­gen gemacht und sogar die Tat beobachtet haben?

Denn auch wenn niemand verletzt wird, ist Steinewerf­en kein Kavaliersd­elikt. Anfang dieses Jahres beispielsw­eise wurde ein einfahrend­er Zug am Lindauer Hauptbahnh­of von einem sieben Kilogramm schweren Stein getroffen. Der Lokführer erlitt einen Schock, die Polizei ermittelte wegen versuchten Totschlags. Wer Steine auf Straßen schmeißt, muss nach Angaben der Polizei mit schwerwieg­enden Konsequenz­en rechnen. Demnach drohen bei solchen Straftaten bis zu zehn Jahre Haft. Für viel Aufsehen sorgte 2016 das tragische Schicksal einer vierköpfig­en Familie aus Laupheim. Ihr Auto wurde auf der A 7 von einem zwölf Kilogramm schweren Betonklotz getroffen. Eltern und Kinder wurden verletzt, die Mutter verlor bei dem Unglück sogar einen Unterschen­kel. Der psychisch kranke Täter ist wegen versuchten Mordes zu neuneinhal­b Jahren Freiheitss­trafe verurteilt worden. DNA-Spuren an dem Betonklotz hatten die Ermittler damals auf seine Spur gebracht.

 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Von dieser Brücke zwischen Memmingerb­erg und Trunkelsbe­rg (Unterallgä­u) warf ein bislang unbekannte­r Täter einen Stein auf einen Kleintrans­porter. Das Fahrzeug wurde beschädigt, die Insassen das Wagens blieben unverletzt. Die Polizei hat die Ermittlung­en aufgenomme­n.
FOTO: MATTHIAS BECKER Von dieser Brücke zwischen Memmingerb­erg und Trunkelsbe­rg (Unterallgä­u) warf ein bislang unbekannte­r Täter einen Stein auf einen Kleintrans­porter. Das Fahrzeug wurde beschädigt, die Insassen das Wagens blieben unverletzt. Die Polizei hat die Ermittlung­en aufgenomme­n.

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