Wo Kinder fit für die Grundschule werden
Susanne Obermeier und ihr Team helfen Kindern mit Auffälligkeiten und Verzögerungen
- Als nächstes darf Karsten in das blau-weiß karierte Säckchen hineingreifen und nach dem Inhalt tasten. Nicht schauen, bloß fühlen. „Es ist ein Löffel“, sagt der Bub freudestrahlend. Erzieherin Gitti Kierok nickt. Den Löffel darf Karsten auf den Boden legen, wo bereits Federn und ein Stein liegen. Ertastet und erkannt von den anderen Kindern im Stuhlkreis.
Ein Stockwerk höher hat die kleine Susann eine knifflige Aufgabe zu meistern. Vor ihr auf dem Tisch liegen kleine Dreiecke. Eine Seite ist gelb, die andere blau. Mit diesen Teilen muss sie das Abbild eines großen Dreiecks nachbauen. Richtig angeordnet und mit den richtigen Farben. Sie ist konzentriert und löst die Aufgabe in nur wenigen Sekunden. „Das war richtig schnell“, lobt Susanne Obermeier das Mädchen mit dem gelben Pullover.
Die 42-jährige Sonderschullehrerin ist seit September die neue Leiterin der Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) im Brennterwinkel in Lindenberg. Die in zwei Gruppen („Regenbogen“und „Sonnenblume“) aufgeteilte Einrichtung gehört organisatorisch zur einen Steinwurf entfernten Antonio-Huber-Schule.
Betreut werden hier Kinder aus dem ganzen Landkreis Lindau, die zwischen vier und sechs Jahre alt sind und einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben. Weil sie zum Beispiel Sprachauffälligkeiten haben, sich Dinge schlecht merken und sich nicht konzentrieren können, ihnen das Zahlenverständnis fehlt oder sie motorische Defizite haben. „Teilweise fehlen den Kindern beim Sprechen noch viele Laute, wenn sie zu uns kommen und entwickeln diese Fähigkeit erst im Laufe der Zeit“, sagt Obermeier. Ein anderes Beispiel: „Selbst das selbstständige Ausziehen und Aufhängen der Jacke ist für manche schwierig.“
Der Förderbedarf kann aber auch im sozialen und emotionalen Bereich liegen. Manche Kinder etwa tun sich schwer damit, still zu sitzen oder sich in eine größere Gruppe einzuordnen. Die SVE ist für sie die richtige Alternative zum Regelkindergarten. Denn die beiden Gruppen sind mit jeweils zehn Mädchen und Buben vergleichsweise klein. Hingegen ist der Betreuungsschlüssel deutlich größer als anderswo: „An manchen Tagen haben wir vier Betreuer pro Gruppe“, sagt Obermeier. Zum Team gehören unter anderen heilpädagogische Förderlehrerinnen, Individualbetreuerinnen, eine Sonderpädagogin und eine Kinderpflegerin.
Klarer Vorteil dieser Personalstärke: „Du kannst mit den Kindern intensiv arbeiten und besser beobachten“, sagt Obermeier. Das geschieht anhand eines Förderplans, der nach einer ausführlichen Testdiagnostik anhand der Stärken und Schwächen auf jedes Kind passend zugeschnitten wird. Über allem steht das gleiche Ziel: Die Kinder sollen fit gemacht werden für den Schulbesuch. In welche Schulart dieser Weg führt, entscheiden die Eltern selbst. „Wir sind nur beratend tätig“, sagt Obermeier. Mehr als die Hälfte der Kinder wechseln hinterher an eine Regelschule. Ein entscheidender Punkt aus ihrer Sicht: Der Förderbedarf
eines Kindes muss frühzeitig erkannt und gezielt aufgefangen werden. „Je später die Kinder zu uns kommen, desto schwieriger wird es, die förderpädagogische Schiene wieder
ANZEIGEN zu verlassen“, sagt Obermeier. Die 42-Jährige aus Scheidegg unterrichtet seit 2006 an der Antonio-Huber-Schule. Und das tut sie auch weiterhin parallel: Zwei Tage pro Woche ist sie in der SVE, den Rest in der Schule. „Ich freue mich sehr, in einem ganz anderen Bereich tätig zu sein, aber weiterhin unterrichten zu können“, sagt sie.