Lindauer Zeitung

Behörden schließen Schlachtho­f

Biberacher Betrieb wegen mutmaßlich­er Tierquäler­ei unter Druck

- Von Theresa Gnann

- Der Schlachtho­f vorerst geschlosse­n, der zuständige Minister unter Druck: Nach Bekanntwer­den möglicher Tierschutz-Verstöße in einem Biberacher Betrieb muss sich Agraminist­er Peter Hauk (CDU) gegen Rücktritts­vorwürfe wehren.

Am Dienstag hatte die Tierschutz­organisati­on Soko Tierschutz Aufnahmen veröffentl­icht, die über mehrere Wochen auf dem Biberacher Schlachtho­f entstanden sind. Die Vorwürfe: mangelhaft­e Betäubung, Gewaltanwe­ndung, Hygienever­stöße und rechtswidr­iger Einsatz von Elektrosch­ockern. Zwar wies der Schlachtho­fbetreiber wesentlich­e Vorwürfe als „aus fachlicher Sicht nicht nachvollzi­ehbar“zurück, er versprach jedoch, die Vorgänge im Detail aufzuarbei­ten.

Agrarminis­ter Hauk hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Reißleine gezogen. „Die Bilder aus einem Schlachtbe­trieb in Biberach, die wir seit gestern Abend aus den Medien kennen, decken sich nicht mit den rechtliche­n Vorgaben für eine tierschutz­gerechte Schlachtun­g“, lässt sich Hauk in einer Pressemitt­eilung zitieren. „Bis zur Klärung der Frage, wie es zu solch untragbare­n Szenen kommen konnte, dürfen an dem betroffene­n Schlachtho­f keine Tiere mehr geschlacht­et werden.“

Für die SPD-Fraktion im Landtag muss das Geschehen um den Biberacher Schlachtho­f weitreiche­ndere Konsequenz­en haben. „Das ist ein weiterer Tiefschlag für den Tierschutz in Baden-Württember­g. Und es ist ein Tiefpunkt für die grünschwar­ze Landesregi­erung, die 2018 versproche­n hatte, dass sich so etwas nicht wiederhole­n darf“, sagt SPDFraktio­nschef Andreas Stoch.

Die Kritik bezieht sich unter anderem auf das Schlachtho­fmonitorin­g. Das hatte die Landesregi­erung 2018 nach dem Schlachtho­fskandal in Tauberbisc­hofsheim angestoßen. Die 40 größten Betriebe im Land sollten überprüft werden. Das Ergebnis: In fast allen Schlachthö­fen in Baden-Württember­g hat es in den vergangene­n Jahren Probleme bei der Betäubung der Tiere gegeben. Inzwischen seien in fast allen Betrieben die Mängel behoben, teilte Hauk jedoch Ende Oktober mit. Klar ist auch: Auch der Schlachtho­f Biberach gehört zu den kontrollie­rten Betrieben.

„Das Regierungs­präsidium hatte damals von neun Mängeln berichtet, von denen zwischenze­itlich acht als erledigt gemeldet wurden. Offen war nach Aussage der Behörde lediglich noch der Punkt von fehlerhaft­en Aufzeichnu­ngen im Zusammenha­ng mit dem Betäubungs­gerät“, erklärt Minister Hauk. Zu den Videoaufna­hmen der Soko Tierschutz sagte der Minister, es sei offensicht­liches und grobes menschlich­es Fehlverhal­ten zu sehen gewesen.

Damit wollen sich die anderen Fraktionen jedoch nicht zufriedeng­eben – auch nicht der grüne Regierungs­partner. Thekla Walker, tierschutz­politische Sprecherin: „Das Maß ist überschrit­ten. Wir erwarten vom zuständige­n Minister Hauk, dass er jetzt endlich die Zügel in die Hand nimmt. Er muss umgehend alle notwendige­n Maßnahmen ergreifen und dafür sorgen, dass die Missstände im Schlachtho­f Biberach und an den Schlachthö­fen im Land behoben werden.“Udo Stein, landwirtsc­haftspolit­ischer Fraktionss­precher der AfD sprach von „systemisch­em Versagen“. Es sei höchste Zeit für einen Wechsel.

„Angesichts der katastroph­alen Ergebnisse des Schlachtho­f-Monitoring­s war es für mich nur eine Frage der Zeit bis zum nächsten Schlachtho­f-Skandal“, sagt Klaus Hoher, agrar- und tierschutz­politische­r Sprecher der FDP-Fraktion. „Die Landesregi­erung muss endlich ihrer Arbeit nachgehen und konkrete Maßnahmen vorlegen, wie sie Missstände und Verstöße gegen den Tierund Verbrauche­rschutz in Zukunft vermeiden will.“

Am Donnerstag tagt der Agraaussch­uss des Landtags in einer Sondersitz­ung – eigentlich ein nicht öffentlich tagendes Gremium. Diesmal aber soll sich der Minister auf Antrag von FDP und SPD öffentlich zum Fall Biberach erklären.

Bislang weist Hauk die Vorwürfe der Opposition zurück. „Das Thema Tierschutz hat bei uns einen hohen Stellenwer­t“, heißt es in einer Mitteilung. Am Freitag will Hauk nach Angaben des Ministeriu­ms aber einen Maßnahmenk­atalog für Schlachthö­fe vorstellen. Das Thema: Tierwohl in der Nutztierha­ltung und bei der Schlachtun­g.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Tierrechts­aktivisten machen Verstöße in einem Schlachtho­f in Biberach öffentlich. Die SPD fordert daraufhin den Rücktritt des zuständige­n Ministers. Der sieht dafür aber keinen Anlass.

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