Lindauer Zeitung

„Eindringen kann gerechtfer­tigt sein“

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- Die Vorgänge um den Schlachtho­f Biberach werfen ein Schlaglich­t auf die Arbeit von Tierschutz­aktivisten. Theresa Gnann hat den Mannheimer Professor für Wirtschaft­sstrafrech­t, Jens Bülte (Foto: pr), gefragt, was im Kampf für den Tierschutz erlaubt ist.

Immer wieder decken Aktivisten Verstöße an Schlachthö­fen oder Mastbetrie­ben auf. Oft dringen sie dabei unerlaubt auf fremdes Betriebsge­lände ein. Ist das nicht Hausfriede­nsbruch?

Grundsätzl­ich ist das natürlich Hausfriede­nsbruch, es muss aber nicht zwingend strafbar sein. Es kommt vielmehr darauf an, aus welchem Grund die Täter eingedrung­en sind. Das OLG in Naumburg hat in einer Entscheidu­ng aus dem Jahr 2018 festgestel­lt: Das Eindringen in Ställe kann gerechtfer­tigt sein, wenn es die einzige Möglichkei­t war, auf schwerwieg­ende Rechtsvers­töße aufmerksam zu machen. Das setzt voraus, dass man die Behörden vorher auf die Probleme hingewiese­n hat, von ihnen aber keine Gegenmaßna­hmen ergriffen wurden und das auch nicht mehr zu erwarten ist. In dieser für den Tierschutz als Verfassung­swert ausweglose­n Lage kann das Eindringen und Veröffentl­ichen der Bilder durch eine Tierschutz­organisati­on rechtmäßig sein. Die Anforderun­gen sind hier aber streng, weil der Einzelne zur Abwehr von Gefahren für die Allgemeinh­eit nur dann berufen ist, wenn die staatliche­n Behörden ihr Schutzaufg­abe nicht wahrnehmen, also Verletzung­en des Rechtsguts „Tierschutz“nicht verhindern. Um die Rechtmäßig­keit abschließe­nd zu beurteilen, muss man sich jeden Einzelfall genau anschauen.

Spielt es rechtlich eine Rolle, ob mit den Aufnahmen tatsächlic­h Verstöße dokumentie­rt werden?

Das wird in der Rechtsprec­hung nicht einheitlic­h beurteilt. Sicher ist aber, dass eine Tierschutz­organisati­on vor dem Eindringen in einen Stall Hinweise auf fortgesetz­te schwere Verstöße gegen Tierschutz­recht vorlegen muss. Nur dann kann davon gesprochen werden, dass die Behörden ihrer Schutzaufg­abe nicht nachkommen. Ohne solche Hinweise, kann man von den Behörden kaum mehr als Routinekon­trollen verlangen. In einem Strafverfa­hren kommt man als Verteidige­r etwas in Beweisnot, wenn beim Eindringen dann keine Verstöße dokumentie­rt werden konnten.

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