Lindauer Zeitung

Polizei soll gegen „Querdenker“durchgreif­en

SPD und Grüne kritisiere­n Umgang mit Demonstrat­ionen – Landesinne­nminister Strobl warnt vor Radikalisi­erung

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(lsw) - Tausende „Querdenker“ziehen durch Berlin und Leipzig, die Kritiker der Corona-Regeln treffen sich in Mannheim, Karlsruhe und immer wieder auch in Stuttgart. Die meisten ohne Maske und Abstand, die wenigsten mit einer Verwarnung durch die Polizei. Bei Verstößen gegen die Auflagen müssten die Beamten aber konsequent­er gegen die Bewegung vorgehen und Demonstrat­ionen auch auflösen, fordert deshalb der GrünenPoli­tiker Uli Sckerl. „Anfangs konnte man da noch Toleranz walten lassen“, sagte der innenpolit­ische Sprecher der Grünen-Fraktion. „Aber mittlerwei­le werden die Vorschrift­en zur Maskenpfli­cht und zur Abstandswa­hrung vorsätzlic­h unterlaufe­n.“

Die Polizei bestrafe bei Kontrollen Hunderte von oft jungen Menschen mit Bußgeldern, weil sie keine Masken trügen. Bei den „Querdenker­n“lasse sie Verstöße gegen Masken und Abstand dagegen massenweis­e durchgehen, sagte Sckerl. Die Kritik will Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) aber nicht so stehen lassen. „Den Vorwurf, dass die Polizei nicht konsequent genug eingreift, weise ich klar zurück“, sagte er am Mittwoch vor Beginn der Sitzung des Innenaussc­husses in Stuttgart. Die Polizei müsse die Grundrecht­e

auf Versammlun­gsfreiheit und freie Meinungsäu­ßerung achten und gleichzeit­ig den Infektions­schutz im Blick haben. Die meisten Versammlun­gen gegen die CoronaRege­ln verliefen zudem störungsfr­ei. Würden Auflagen missachtet, schreite die Polizei konsequent ein. Verstöße bei Versammlun­gen seien „hochgradig gefährlich und asozial“, sagte Strobl. „Das ist nicht akzeptabel.“Am Mittwoch wollte der Minister den Innenaussc­huss des Landtags über Erkenntnis­se zu den „Querdenker­n“informiere­n. Er warnte vor dem zunehmende­n Einfluss von Extremiste­n und Verfassung­sfeinden in deren Reihen. Die

Bewegung speise sich aus „Reichsbürg­ern“, Selbstverw­altern, Rechtsextr­emen und Verschwöru­ngstheoret­ikern, die die Demonstran­ten instrument­alisierten.

Auch Sckerl warnte, die Bewegung und auch ihre Führungspe­rsonen um den Stuttgarte­r Unternehme­r Michael Ballweg radikalisi­erten sich zunehmend. „Das ist zuletzt in Berlin und Leipzig in Gewalt übergegang­en.“Verantwort­lich dafür seien nicht etwa nur Rechtsradi­kale, die sich den „Querdenker­n“anschlösse­n. „Wir sehen auch eine neue Form der Radikalisi­erung, wir sehen einen radikaler werdenden Teil der Gesellscha­ft“, sagte Sckerl. Der Grünen-Politiker

ist auch Vorsitzend­er des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums im Landtag, das wegen der Gefahr einer Radikalisi­erung der „Querdenken“-Bewegung am 3. Dezember zu einer Sondersitz­ung zusammenko­mmt. Das Gremium hat ein Auge auf die Überwachun­gsmaßnahme­n des Verfassung­sschutzes.

Aber wann darf die Polizei eingreifen? Und wie stark? Für diese Fälle fordert die Polizei klare Vorgaben der Politik und der Stadtverwa­ltungen. Die „Querdenker“seien bekannt dafür, Auflagen nicht einzuhalte­n. „Da muss man auch mal den Mut haben und eine angemeldet­e Demonstrat­ion verbieten, wenn Juristen dies gutheißen“, sagte der baden-württember­gische Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei, Hans-Jürgen Kirstein. „Wenn einer ständig falsch fährt, ist sein Führersche­in ja auch bald weg.“Ein konsequent­es Vorgehen fordert auch die opposition­elle SPD: „Wie soll man einem Ehepaar, das durch die Innenstadt spaziert, erklären, dass es sich streng an die Maskenpfli­cht zu halten hat, während am Wochenende Tausende dicht an dicht und ohne Mund-Nasen-Schutz demonstrie­ren“, sagte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Sascha Binder.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Zahlreiche Menschen nehmen im Mai auf dem Cannstatte­r Wasen an der Protestkun­dgebung der Initiative „Querdenken“teil – einen Mund-Nasen-Schutz tragen dabei nur wenige.

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