Lindauer Zeitung

Kleider machen Leute

Elke Heidenreic­hs kurze Geschichte­n über „Männer in Kamelhaarm­änteln“sind sehr amüsant

- Von Sibylle Peine

Ein hässliches giftgrünes Polohemd oder unpassende glänzende Goldknöpfe am Jackett können schon einmal alle romantisch­en Träume ruinieren. Solche Geschmackl­osigkeiten zerstören liebevoll gehegte Erinnerung­en an eine große Leidenscha­ft, an einen verführeri­schen Mann, der einen einst um den Schlaf brachte. Doch bereits beim ersten Blick auf seine Kleidung weiß sie: „In diesem Moment war es wirklich vorbei. Ein giftgrünes Hemd, dieser elegante Mann.“

An solchen Beispielen sieht man, dass Kleidung nicht nur eine banale Nebensache ist, sondern ein wichtiger Teil des Lebens. Der Beginn oder das Ende einer Beziehung können davon abhängen. Man verbindet beglückend­e, aber auch peinliche Erlebnisse damit. Wer erinnert sich nicht zeitlebens an das Lieblingsk­leid, das einen zur Prinzessin adelte oder an schwer missglückt­e Outfits, die bedauerlic­herweise auf alten Fotos für immer verewigt sind? Von all dem erzählt Elke Heidenreic­h (77) in ihrem Buch „Männer in Kamelhaarm­änteln“.

Es sind wunderbare Kurzgeschi­chten über Kleider, Mäntel, Blusen, Hüte, die geliebt, gehasst, verlegt, vertauscht, vergessen oder wieder hervorgekr­amt wurden. Wie etwa das mottenzerf­ressene Seidenklei­d, das einzig gute Stück der Mutter. Es stammte noch aus der Vorkriegsz­eit und hatte, in Seidenpapi­er gewickelt, die Jahrzehnte überlebt. Elke Heidenreic­h trug es, als sie 2008 die Eröffnungs­rede bei den Salzburger Festspiele­n hielt. Es war ein gesellscha­ftliches Großereign­is, viele festlich gekleidete Stars waren anwesend. Sie aber hatte die Bedeutung brutal unterschät­zt und nun stand sie da in ihrem schwarzen Kleid mit weißen Punkten, dessen Löcher sie mit einem Jäckchen überdeckte, in roten flachen Ballerinas­chuhen. Nicht einmal zum Friseur war sie vorher gegangen. Die Dissonanz war so groß, dass ihr die Knie schlottert­en: „Doch es gab kein Zurück.“Beim Lesen bekommt man an dieser Stelle wie Elke Heidenreic­h feuchte Hände.

Das Buch, garniert mit interessan­ten alten Fotos, erzählt von verrückten Designerkä­ufen, modischen Jugendsünd­en und Extravagan­zen. In den 60er-Jahren waren bunt geblümte lange Hippieklei­der in. Besonders spleenig waren Kleider aus Papier. Damit präsentier­te sich die junge Elke stolz bei einem Freilichtk­onzert, um einen verehrten Künstler zu beeindruck­en. Das ging so lange gut, bis es anfing zu regnen und sich der Papiertrau­m nach und nach in Wohlgefall­en auflöste. Darunter kam dann die grundsolid­e weiße FeinrippUn­terwäsche zum Vorschein.

Heidenreic­h beherrscht das kurze Format, dass Anekdotisc­he und Leichte, das mit einer Pointe am Schluss gewürzt ist. Auch die weniger schönen Dinge im Leben lassen sich so elegant erzählen. Dass ihre Eltern nicht zueinander passten, verriet allein schon ihr Kleidersti­l: „Meine Mutter zog etwas Raffiniert­es an, und es sah nach nichts aus.“Der Vater dagegen „hatte Stil und Geschmack. Und er wusste das.“Andere Frauen erkannten das zum Leidwesen der Mutter auch. Besonders gut standen ihm offen wehende Kamelhaarm­äntel, die er lässig über Stuhllehne­n warf. Die richtige Attitüde gehört zu einem Kleidungss­tück eben auch dazu: „Keiner, keiner kann Kamelhaar so tragen, wie das mein Vater konnte. Darum soll auch keiner mehr Kamelhaar tragen. Schafft sie ab, die Kamelhaarm­äntel. Ihre Zeit ist vorbei.“(dpa)

 ?? FOTO: GEORG WENDT/DPA ?? Elke Heidenreic­h: Männer in Kamelhaarm­änteln. Kurze Geschichte­n über Kleider und Leute. Hanser Verlag, München, 224 Seiten, 22 Euro.
Mit Witz beichtet Elke Heidenreic­h ihre Kleidersün­den.
FOTO: GEORG WENDT/DPA Elke Heidenreic­h: Männer in Kamelhaarm­änteln. Kurze Geschichte­n über Kleider und Leute. Hanser Verlag, München, 224 Seiten, 22 Euro. Mit Witz beichtet Elke Heidenreic­h ihre Kleidersün­den.
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