Lindauer Zeitung

Schneekano­nen laufen: Aber wann geht’s los?

Liftbetrei­ber haben begonnen, für teures Geld zu beschneien – mit doppeltem Risiko

- Von Michael Munkler

- Geschneit hat es in den vergangene­n Nächten in den Bergen. Aber nicht überall. Denn der Schnee kam aus den Maschinen. Eine Nacht und einen halben Tag lang seien beispielsw­eise am Wochenende die Schneekano­nen am Weiherkopf gelaufen, berichtet Winfried Tüchler, Chef der Hörnerbahn bei Bolsterlan­g im Oberallgäu. Auch in Buchenberg­Eschach bei Kempten rieselte der erste Kunstschne­e der Saison aus den Maschinen. Und im hoch gelegenen Winterspor­tgebiet Fellhorn/ Kanzelwand nutzten die Verantwort­lichen ebenfalls die niedrigen Temperatur­en, um eine Grundlage für die Wintersais­on zu schaffen.

Dass Mitte oder Ende November in den Skigebiete­n die Schneekano­nen laufen, ist in normalen Jahren eigentlich kaum eine Notiz wert. Doch im Corona-Jahr 2020 ist alles anders. Niemand weiß, wann die Bahnen wegen des Lockdowns wieder fahren dürfen und wann ein geregelter Skibetrieb angeboten werden kann. Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es, man wisse ja noch nicht einmal, ob überhaupt über die kommenden Weihnachts­feiertage und in den Ferien die Lifte laufen dürften. Und gestern verpasste Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder der Hoffnung auf einen baldigen Beginn der Wintersais­on einen Dämpfer. Er plädierte für eine vorübergeh­ende europaweit­e Schließung von Skigebiete­n und -liften.

„Wir stehen alle in den Startlöche­rn“, sagt Winfried Tüchler von der Hörnerbahn. In der Branche verweist man auf Hygienekon­zepte, mit deren Hilfe man im Sommer habe problemlos fahren können. Sollten Weihnachte­n keine Bahnen laufen und touristisc­he Übernachtu­ngen nicht möglich sein, „wäre das für die ganze Region eine Katastroph­e“. Aber: Man sei sich mit allen Kollegen anderer Bergbahnen einig, dass man jetzt, im Frühwinter, jede Beschneiun­gsmöglichk­eit nutzen müsse, erläutert Tüchler.

Je nach Luftfeucht­igkeit werden mindestens zwei bis vier Minusgrade zum Beschneien benötigt. Generell gilt: Je trockener und je kälter es ist, desto besser klappt die Kunstschne­e-Produktion. Und die Erfahrung der letzten Jahre lehrt: Oftmals gibt es von Ende November bis Mitte Dezember genügend kalte Nächte (eventuell auch Tage), um ausreichen­d Kunstschne­e zu erzeugen, der dann im günstigste­n Falle auch das häufig zu beobachten­de milde Wetter an den Feiertagen („Weihnachts­tauwetter“) überlebt.

Ist die Beschneiun­g eines Skigebiets also ohnehin schon ein Lotteriesp­iel, kommt zum Wetterrisi­ko jetzt noch Corona. Und die sei deutlich schwierige­r einzuschät­zen, meint Tüchler. An einem Beispiel verdeutlic­ht er, um wie viel Geld es geht: Drei bis fünf Euro kostet die Produktion eines Kubikmeter­s Kunstschne­e – abhängig von der Art der Beschneiun­gsanlage und den Wetterverh­ältnissen. Bei der Hörnerbahn, in einem für Allgäuer Verhältnis­se mittelgroß­en Skigebiet, werden pro Saison zwischen 100 000 und 150 000 Kubikmeter Kunstschne­e erzeugt – je nachdem wie viel Schnee Frau Holle liefert. Mithin kostet die Schneeprod­uktion das Bolsterlan­ger Unternehme­n pro Saison 400 000 bis 600 000 Euro.

Immer lauter wird aus der Winterspor­t-Branche der Ruf nach mehr Planungssi­cherheit. „Wir brauchen einen Vorlauf von 14 Tagen“, sagt beispielsw­eise Jörn Homburg

von den Oberstdorf/Kleinwalse­rtal (OK)-Bergbahnen. Was für den Branchenfü­hrer im Allgäu gilt, ist genauso bei kleinen Liftgesell­schaften der Fall: Für die Gastronomi­e muss eingekauft werden, Saisonkräf­te müssen aktiviert werden.

Mit dem Problem stehen nicht nur die Bergbahnen da. Die ganze Tourismus-Branche ist betroffen, vor allem die Übernachtu­ngsbetrieb­e. „Vorlauf und Planungssi­cherheit brauchen auch die Gäste“, sagt Homburg. Er kann sich nicht vorstellen, dass Urlauber beispielsw­eise am 18. oder 20. Dezember noch einen Weihnachts­urlaub im Allgäu buchen würden. Ohne rechtzeiti­ge Informatio­n der Gäste und der Tourismusb­ranche über das weitere Vorgehen könne die Wintersais­on nicht gelingen, unterstrei­cht Bergbahn-Sprecher Homburg: „Wir brauchen einen Plan.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER Für die kommende Wintersais­on ist in den Skigebiete­n – wie hier in Nesselwang – alles vorbereite­t. Doch wegen der Corona-Pandemie weiß niemand, wann Skifahrer die ersten Schwünge ziehen können.

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