Schneekanonen laufen: Aber wann geht’s los?
Liftbetreiber haben begonnen, für teures Geld zu beschneien – mit doppeltem Risiko
- Geschneit hat es in den vergangenen Nächten in den Bergen. Aber nicht überall. Denn der Schnee kam aus den Maschinen. Eine Nacht und einen halben Tag lang seien beispielsweise am Wochenende die Schneekanonen am Weiherkopf gelaufen, berichtet Winfried Tüchler, Chef der Hörnerbahn bei Bolsterlang im Oberallgäu. Auch in BuchenbergEschach bei Kempten rieselte der erste Kunstschnee der Saison aus den Maschinen. Und im hoch gelegenen Wintersportgebiet Fellhorn/ Kanzelwand nutzten die Verantwortlichen ebenfalls die niedrigen Temperaturen, um eine Grundlage für die Wintersaison zu schaffen.
Dass Mitte oder Ende November in den Skigebieten die Schneekanonen laufen, ist in normalen Jahren eigentlich kaum eine Notiz wert. Doch im Corona-Jahr 2020 ist alles anders. Niemand weiß, wann die Bahnen wegen des Lockdowns wieder fahren dürfen und wann ein geregelter Skibetrieb angeboten werden kann. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man wisse ja noch nicht einmal, ob überhaupt über die kommenden Weihnachtsfeiertage und in den Ferien die Lifte laufen dürften. Und gestern verpasste Bayerns Ministerpräsident Markus Söder der Hoffnung auf einen baldigen Beginn der Wintersaison einen Dämpfer. Er plädierte für eine vorübergehende europaweite Schließung von Skigebieten und -liften.
„Wir stehen alle in den Startlöchern“, sagt Winfried Tüchler von der Hörnerbahn. In der Branche verweist man auf Hygienekonzepte, mit deren Hilfe man im Sommer habe problemlos fahren können. Sollten Weihnachten keine Bahnen laufen und touristische Übernachtungen nicht möglich sein, „wäre das für die ganze Region eine Katastrophe“. Aber: Man sei sich mit allen Kollegen anderer Bergbahnen einig, dass man jetzt, im Frühwinter, jede Beschneiungsmöglichkeit nutzen müsse, erläutert Tüchler.
Je nach Luftfeuchtigkeit werden mindestens zwei bis vier Minusgrade zum Beschneien benötigt. Generell gilt: Je trockener und je kälter es ist, desto besser klappt die Kunstschnee-Produktion. Und die Erfahrung der letzten Jahre lehrt: Oftmals gibt es von Ende November bis Mitte Dezember genügend kalte Nächte (eventuell auch Tage), um ausreichend Kunstschnee zu erzeugen, der dann im günstigsten Falle auch das häufig zu beobachtende milde Wetter an den Feiertagen („Weihnachtstauwetter“) überlebt.
Ist die Beschneiung eines Skigebiets also ohnehin schon ein Lotteriespiel, kommt zum Wetterrisiko jetzt noch Corona. Und die sei deutlich schwieriger einzuschätzen, meint Tüchler. An einem Beispiel verdeutlicht er, um wie viel Geld es geht: Drei bis fünf Euro kostet die Produktion eines Kubikmeters Kunstschnee – abhängig von der Art der Beschneiungsanlage und den Wetterverhältnissen. Bei der Hörnerbahn, in einem für Allgäuer Verhältnisse mittelgroßen Skigebiet, werden pro Saison zwischen 100 000 und 150 000 Kubikmeter Kunstschnee erzeugt – je nachdem wie viel Schnee Frau Holle liefert. Mithin kostet die Schneeproduktion das Bolsterlanger Unternehmen pro Saison 400 000 bis 600 000 Euro.
Immer lauter wird aus der Wintersport-Branche der Ruf nach mehr Planungssicherheit. „Wir brauchen einen Vorlauf von 14 Tagen“, sagt beispielsweise Jörn Homburg
von den Oberstdorf/Kleinwalsertal (OK)-Bergbahnen. Was für den Branchenführer im Allgäu gilt, ist genauso bei kleinen Liftgesellschaften der Fall: Für die Gastronomie muss eingekauft werden, Saisonkräfte müssen aktiviert werden.
Mit dem Problem stehen nicht nur die Bergbahnen da. Die ganze Tourismus-Branche ist betroffen, vor allem die Übernachtungsbetriebe. „Vorlauf und Planungssicherheit brauchen auch die Gäste“, sagt Homburg. Er kann sich nicht vorstellen, dass Urlauber beispielsweise am 18. oder 20. Dezember noch einen Weihnachtsurlaub im Allgäu buchen würden. Ohne rechtzeitige Information der Gäste und der Tourismusbranche über das weitere Vorgehen könne die Wintersaison nicht gelingen, unterstreicht Bergbahn-Sprecher Homburg: „Wir brauchen einen Plan.“