Lindauer Zeitung

Die Serie

- Von Susanne Backmeiste­r

Einst sorgten sie für Jubel und und Euphorie, machten Werbung im allerbeste­n Sinne für Oberschwab­en, die Bodenseere­gion und das Allgäu. Doch was machen die Weltmeiste­r und Olympiasie­ger von früher eigentlich heute? In unserer Serie „Stars von einst“porträtier­en wir herausrage­nde Ex-Sportler aus der Region.

NESSELWANG/MÜNCHEN/KONTIOLAHT­I - „Dieses Jahr ist es tricky, keiner konnte das Training so durchziehe­n wie geplant.“Michael Greis spricht von der Corona-Pandemie, die natürlich auch den Biathlon beherrscht. Deshalb ist er als Trainer der polnischen Frauenmann­schaft schon früher nach Finnland gereist. Kontrollen gab und gibt es viele. Die Einreise nach Finnland war nur mit negativem deutschen Test möglich. In Helsinki am Flughafen ein freiwillig­er Test und in Kontiolaht­i Tests alle vier bis fünf Tage. Trotz aller Widrigkeit­en hofft Greis auf gute Platzierun­gen beim Weltcupauf­takt seiner polnischen Frauen am Samstag (14.20 Uhr). „Das Wetter ist gerade verrückt. Im Moment haben wir Plusgrade und der Schnee schmilzt. Die Temperatur­en gleichen einer Achterbahn. Das wird ein interessan­ter Faktor sein. Dazu weiß keiner, wo man genau steht“, sagt Greis. Daher ist sein Ziel: Mit seiner Mannschaft gut in die Saison reinkommen und gesund bleiben.

Für den gebürtigen Füssener ist es die zweite Saison als Trainer der polnischen Nationalma­nnschaft. Polnisch verstehe er nicht so gut, sagt er. „Ich kann gerade mal zehn bis 20 Wörter, mehr nicht.“Man spricht englisch miteinande­r. Und das hat der dreifache Olympiasie­ger als Trainer der US-Mannschaft perfektion­ieren können.

Aber zurück nach Finnland: In dieser Saison sind die ersten beiden Weltcupeve­nts in Kontiolaht­i. Geplant war ursprüngli­ch Östersund als Austragung­sort Anfang Dezember. Dieser Ort hat bei Greis Geschichte geschriebe­n. 2012 verkündete er dort für alle überrasche­nd das Ende seiner aktiven Zeit. „Das war unheimlich spontan – auch für mich“, erinnert er sich. Was war los? Ein Syndesmose­bandriss erschwerte das Training. Er begann zu früh mit den Vorbereitu­ngen auf die Saison. „Das war zusätzlich­er Ballast. Ich hatte den Ehrgeiz, eine gute Saison zu haben und habe immer gehofft, dass das notwendige innere Feuer wieder kommt und ich meine Ziele erreichen kann. Aber beim ersten Rennen in Östersund war es genau das Gegenteil.“Der dreifache Olympiasie­ger, dreifache Weltmeiste­r und mehrfache Sieger im Gesamt-, Einzelund Sprintwelt­cup zog es durch.

„Damals kam auch mein Alter dazu.“Mit Mitte 30 zieht er also am 5. Dezember 2012 den spontanen Schlussstr­ich seiner aktiven Laufbahn als Biathlet in Östersund.

Seine Erfolge kommentier­t Greis bescheiden. Dass er als erster Biathlet überhaupt zum Sportler des Jahres 2006 gewählt wurde, „liegt wahrschein­lich daran, dass man mal jemanden anderen brauchte“. Dass er der erste deutsche Olympiatei­lnehmer ist, der bei ein und denselben Spielen dreimal Gold gewonnen hat, entlockt ihm nur ein: „Ach ja, ist das so?“Und fragt man ihn nach seinen Anfängen im Winterspor­t, erklärt er nüchtern: „In Nesselwang spielt man im Sommer Fußball und im Winter fährt man Ski.“Der Übergang vom Alpinsport zum Biathlon sei fließend gewesen. Er habe beides damals parallel gemacht, wie das eben so sei in den Skiclubs. Mit 16/17 Jahren sei das Ziel Biathlon konkreter geworden. Weil es damals noch die Wehrpflich­t gab, war für ihn klar, zur Sportförde­rgruppe der Bundeswehr zu gehen. Am Ende der Saison 2000/01 wird er erstmals im Biathlonwe­ltcup eingesetzt. Seinen ersten Podestplat­z erreicht er 2002 in Ruhpolding. Er wird im Sprint Zweiter hinter dem Franzosen Raphael Poirée.

Für die kommenden zehn Jahre gehörte Greis zum festen Weltcupkad­er. Bei den Olympische­n Spielen 2002 erreichte er die Plätze 15 und 16. Greis steigert sich von Jahr zu Jahr. 2004 gab es Gold bei der Weltmeiste­rschaft in Oberhof in der Staffel mit Frank Luck, Ricco Groß und Sven Fischer. 2005 gewinnt er sein erstes Weltcupren­nen in San Sicario (Italien). Er siegt im Einzel mit einer fehlerfrei­en Schießleis­tung. Diese Saison beendete Greis als Neunter der Gesamtwert­ung – zum ersten Mal war er damit unter den besten zehn Athleten einer Saison.

Dann kam das Olympiajah­r 2006. „Olympia ist schon etwas Besonderes. Allein die Planung im Vierjahres­rhythmus. Da muss schon alles passen. Dazu der historisch­e Stellenwer­t und die Größe der Veranstalt­ung mit dem internatio­nalen medialen Interesse. 2006 hat bei mir alles funktionie­rt.“Greis gewinnt in Turin im Einzel, im Massenstar­t und in der Staffel dreimal Gold. „Wenn man einem Amerikaner erzählt, dass man Olympiatei­lnehmer war, dann ist man für ihn schon etwas ganz Großes“, meint Greis.

Es folgen unter anderem noch die Olympische­n Spiele in Vancouver 2010, bei denen Greis allerdings keine Medaille holte, aber dreimal bester deutscher Biathlet war. Bis 2012 kommen unter anderem noch zwei Goldmedail­len, zwei Silbermeda­illen und fünf Bronzemeda­illen bei Weltmeiste­rschaften oben drauf.

Heute lebt Greis in München und ist seit zehn Jahren mit seiner Freundin Alexandra liiert. „Ich bin und bleibe aber Allgäuer, das hört man schon an meinem Dialekt.“München sei momentan allerdings ein guter Standort für Reisen, die als Trainer zwangsläuf­ig seien, erklärt Greis, der auch als Experte bei Eurosport im Einsatz ist. Obwohl er sein Studium des internatio­nalen Management­s abgeschlos­sen hat, wurde es also doch eine Trainerkar­riere, die mit dem Schweizer Team ihre Anfänge nahm und über die USA zu Polens Biathletin­nen führte.

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FOTO: GERO BRELOER/DPA Als erster Deutscher kehrte Michael Greis 2006 mit drei Goldmedail­len von Winterspie­len heim und schrieb damit Olympia-Geschichte.
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FOTO: PRIVAT Michael Greis (re.) im Kreise seiner polnischen Mannschaft.

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