Lindauer Zeitung

Ein Stück Wiener Hofreitsch­ule im Allgäu

Ein ausgebilde­ter Hengst der Spanischen Hofreitsch­ule dreht jetzt Pirouetten in Oberreute

- Von Stefanie Böck

- Im Showpferde­stall von Elmar Kretz steht eine echte Seltenheit: ein Lipizzaner-Hengst direkt aus der Spanischen Hofreitsch­ule in Wien. „So ein Pferd kann man normal nicht kaufen“, sagt der Pferdetrai­ner und Direktor des Ravensburg­er Weihnachts­circus Elmar Kretz beim Stallrundg­ang in Oberreute. Bei diesem Satz streicht er dem Schimmel mit den klugen, dunklen Augen aufwärts über den Nasenrücke­n den Schopf aus dem Gesicht. „Einmal aus der Zucht ausgewählt und in Ausbildung, bleiben die Pferde eigentlich bis zum Ende ihrer Karriere in Wien“– in der über 450 Jahre alten Traditions­ausbildung­sstätte.

Trotzdem dreht der mächtige Schimmel jetzt mitten im Allgäu seine Galopp-Pirouetten – und das mit der erst zwölfjähri­gen Kretz Tochter Milena im Sattel. Bisher war „Siglavy Biserka“nur unter Profi-Bereitern zwischen anderen schneeweiß­en Hengsten in den edelsten Reitarenen Europas unterwegs. Er war eins der Pferde in der weltberühm­ten Quadrille, die sich zu Wiener Orchesterm­elodien wie Perlen aufgereiht in vollendete­r Versammlun­g präsentier­en.

Wie kommt so ein Pferd in den Allgäuer Showpferde­stall? „Biserka hatte ein Problem. Der Hengst kam mit den hohen Anforderun­gen in Wien nicht zurecht“, sagt Elmar Kretz, der sich auf Freiheitsd­ressuren und klassisch gerittene Dressurpfe­rde spezialisi­ert hat. Seit acht Monaten kümmert er sich um das Tier. Der Pferdetrai­ner hat „einen guten Draht“zu den Bereitern der Hofreitsch­ule. „Man kennt sich und weiß, wie man arbeitet.“Die Fachleute glaubten das problemati­sche Pferd bei Kretz in guten Händen – und verkauften dem Allgäuer den Lipizzaner, der ihn nun behutsam weiter ausbildet und fördert.

„Wir hatten riesiges Glück“, sagt Elmar Kretz heute. Seine Arbeit zahlt sich aus: In den ersten Tagen baute der Pferdetrai­ner zu dem „schwierig gewordenen“Hengst das Vertrauen auf. „Schon nach wenigen Wochen bemerkten wir in der täglichen Stallund Trainingsa­rbeit, dass vor allem Milena gut mit ihm zurechtkom­mt.“Die Schülerin des Gymnasiums in Isny schwang sich in den Sattel – viele Lektionen klappten sofort tadellos.

Als Beweis zeigt Milena einer kleinen Gruppe interessie­rter Fachund Lokaljourn­alisten in der Trainingsh­alle

eine der schwierigs­ten Lektionen der klassische­n Dressur: die Passage. Was aussieht wie Trab in Zeitlupe mit verzögerte­n Schwebetri­tten gehört zur sogenannte­n hohen Schule. Hier ist maximale Versammlun­g gefragt – genau wie bei der Galopp-Pirouette.

Bei der wird Biserka dann kurz pampig: Hoppelnd bockt der Hengst durch den Hallensand. Milena bleibt sicher im Sattel und beruhigt das Tier mit ihrer Stimme und Geduld.

Als er steht streicht sie über den imposanten Hals – und beginnt die Lektion einfach vorne. „Ganz in Ruhe“, sagt Vater Elmar Kretz. Milena folgt – auch Biserka ist jetzt anständig.

Angst? „Nein, hab ich eigentlich nie“, sagt die junge Reiterin. Zum Beweis rutscht sie elegant vom Pferd, schnallt Sattel und Trense ab und setzt sich ohne Kontakt zum Pferdemaul wieder auf Biserkas Rücken. Erst im Schritt, dann im Trab schwebt sie mit dem Pferd in Kringeln durch die Halle. Einmal schüttelt der Hengst aufmüpfig die Mähne und wölbt seinen Hals. Ein „Hohoooo“von Milena reicht und Biserka trabt gelassen weiter.

Geschmeidi­g gleicht das Mädchen die Bewegungen des Hengstes aus. „Die zwei haben unheimlich Spaß aneinander“, kommentier­t der Vater das harmonisch­e Paar. „Er lernt von ihr und sie von ihm.“Das schwierigs­te daran sei, sich sanft aber konsequent durchzuset­zen: „Manchmal ist er echt faul“, nennt Milena Biserkas größte Schwäche. „Aber das kriegen wir schon noch hin.“

Ihr Ziel ist klar: Sie will mit dem weißen Hengst an Ostern im Wintercirc­us in Ravensburg auftreten. „Mit weniger Plätzen und einem umfangreic­hen Sicherheit­skonzept – aber genauso hochwertig wie sonst eigentlich zu Weihnachte­n“, verspricht Vater Elmar Kretz. Ob sie das schaffen? „Das klappt schon“, sagt der Zirkusdire­ktor und klopft dem Schimmelhe­ngst zuversicht­lich an den Hals. „Auch wenn die Zeiten für Veranstalt­er nicht einfach sind – wir machen weiter. Wir proben unser Programm.“

Tickets für den Wintercirc­us in Ravensburg vom 27. März bis 11. April gibt es unter www.wintercirc­us.de sowie an allen regional bekannten Vorverkauf­sstellen von Reservix und bei der Schwäbisch­en Zeitung.

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FOTO: STEFANIE BÖCK Milena und Biserka verstehen sich auch ohne Sattel und Zaumzeug: Die Zwölfjähri­ge will den Hengst beim Wintercirc­us vorstellen.

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