Elektrifizierung und Bahnknoten machen Lindau attraktiver
Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer hält die Inbetriebnahme der Bahnprojekte für überaus wichtig
- Am 13. Dezember fährt erstmals ein Zug unter Strom mit Fahrgästen von Lindau nach München. Zudem hält erstmals ein Zug im neuen Reutiner Bahnhof. Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer schätzt die Bedeutung beider Projekte überaus hoch ein, wie sie im Interview mit Dirk Augustin erklärt.
Welche Bedeutung hat die Elektrifizierung der Strecke Lindau-München aus Ihrer Sicht?
Der Streckenausbau zwischen München und Lindau hat eine herausragende Bedeutung. Es geht ja nicht nur um die Elektrifizierung, sondern auch um die Schnelligkeit der Verbindung und die vielen mit dem Projekt zusammenhängenden Ausbaumaßnahmen, die auch im Kleinen für Verbesserungen sorgen. Ich nenne dabei nur einmal den barrierefreien Ausbau der Stationen entlang der Strecke, der mir besonders am Herzen liegt, oder gerade den umfangreichen Ausbau im Bahnknoten Lindau. Die neue Infrastruktur erlaubt es, mehr und deutlich schnellere Fernverkehrsverbindungen zwischen den Wirtschaftszentren München und Zürich zu etablieren, wovon natürlich auch gerade die Region rund um Lindau profitiert. Wir können durch diese Infrastrukturmaßnahmen auch sukzessive das Nahverkehrsangebot auf der Schiene verbessern, weil elektrische Züge fahrdynamischer und auch kostengünstiger sind. Und letztendlich profitieren auch die Anwohner entlang der Strecke, denn es gehen die Schadstoff- und Lärmbelastungen zurück, noch dazu bei erheblich verbesserten Lärmschutz. Kurzum: Der über eine Milliarde Euro teure Streckenausbau war bereits in den vergangenen zehn Jahren ein Baukonjunkturfaktor und er wird nun ein standortstärkender Faktor für die Regionen entlang der Strecke sein, weil er das Leben und Arbeiten dort noch attraktiver macht.
Und welche Bedeutung hat der neue Festlandbahnhof in LindauReutin?
In meinen Augen darf man den neuen Lindauer Festlandbahnhof nicht isoliert sehen, denn es ist die Kombination mit dem immer noch bedeutsamen Inselbahnhof, die den Kern des Knoten Lindaus ausmacht. Lindau-Reutin ist zum einen wichtig, damit wir die schnelleren Linienzeiten von Lindau nach München und Zürich und dann später über die elektrifizierte Südbahn auch nach Ulm erreichen. Aber er liegt eben auch verkehrstechnisch deutlich günstiger für fast alle Bewohner im Raum Lindau als der Inselbahnhof. Durch die kürzeren und unkomplizierteren Wege dahin hoffe ich, dass noch mehr Menschen aus der Region die Schiene nutzen werden. In diesem Zusammenhang hoffe ich auch, dass die Stadt und die DB erfolgreich sein werden bei ihren Bemühungen, am neuen Bahnhof über einen privaten Investor ein multifunktionales Gebäude zu errichten. Denn das würde diesen neuen Fernverkehrsbahnhof noch einmal deutlich aufwerten.
Wenn im kommenden Jahr auch die Strecke der Südbahn über Friedrichshafen nach Ulm elektrifiziert ist, bleibt nur noch die Allgäustrecke über Kempten unter Diesel. Sieht das Ministerium Chancen, dass auch auf dieser Strecke in absehbarer Zeit kein Diesel mehr nötig ist?
In der Tat ist die nun vor der Inbetriebnahme stehende Elektrifizierung zwischen Lindau und München der erste und auch große Einstieg ins elektrische Zeitalter für den Bahnbetrieb im Allgäu und Oberschwaben. Dort haben wir ja bundesweit die größte Diesel-Insel im Bahnnetz bisher. Die Elektrifizierung der Südbahn ist der nächste, sehr zeitnahe Schritt. Perspektivisch muss auch eine Oberleitung auf der Strecke über Kempten verfolgt werden, denn insbesondere im Oberallgäu und Ostallgäu ist man nicht erfreut darüber, dass wegen der Elektrifizierung nach Lindau über Memmingen jetzt die Direktverbindungen nach München darunter leiden, weil wir halt möglichst wenig Dieselzüge unter Fahrdraht laufen lassen wollen. Ich sage aber auch ehrlich: Es geht nicht alles auf einmal. Und als nächstes großes Elektrifizierungsprojekt schieben wir jetzt im südlichen Schwaben den Ausbau der Illertalbahn zwischen Ulm und Kempten voran. Erst Ende November habe ich den Vertrag unterzeichnet, durch den die DB jetzt mit den Planungen hierfür beginnen kann.
Sollte diese Strecke über Kempten aus Sicht des Ministeriums ebenfalls elektrifiziert werden? Oder wären dort andere Antriebsformen wie Wasserstofftechnologie besser?
Was die emissionsfreien Alternativen zum Diesel anbelangt, kann ich versichern, dass wir uns das ganz genau anschauen, sei es jetzt als Übergangslösungen bis zu einer Komplettelektrifizierung oder auch als dauerhafte Lösung. Wasserstoff ist nicht die alleinige Variante, auch Akku-Oberleitungszüge, gegebenenfalls in Verbindung mit Teilelektrifizierungen kommen in Frage. Meine Experten basteln gerade an einem Konzept, wie wir den Schienenpersonennahverkehr im Freistaat bis zum Jahr 2040 lokal emissionsfrei hinbekommen. Und speziell bezogen auf den Wasserstoffzug: Wir wollen und werden testen, wie sich der im Allgäuer Netz macht. Leider ist die geplante Fahrt heuer bereits zweimal wegen Corona verschoben worden, aber wir sind dabei, einen neuen Termin im kommenden Jahr zu finden.
Freistaat und Bahn planen im Rahmen der Stationsoffensive im Landkreis Lindau neue Bahnhalte. Wann können Fahrgäste der Bahn damit rechnen, dass die Züge auf der Allgäustrecke in Lindau-Aeschach, Lindau-Oberreitnau, Weißensberg, Sigmarszell-Schlachters und Hergensweiler halten?
Die neuen Halte im Stadt- und Landkreisgebiet sind uns viel wert. Wir nehmen dort – Stand heute – nahezu 30 Millionen Euro freiwillig in die Hand, denn eigentlich ist für die Finanzierung der DB-eigenen Schieneninfrastruktur der Bund zuständig. Die von uns bei der DB beauftragten Planungen laufen derzeit. Es sind aktuell noch diverse Details an den meisten Standorten der Stationen zu klären, auch mit den Kommunen. Nachdem das nur vor Ort geht, sorgt hier die Pandemie zugegebenermaßen leider für zeitliche Verzögerungen. Ich kann daher seriöserweise keine voraussichtlichen Inbetriebnahmetermine benennen.
Dass ab 13. Dezember Züge unter Strom zwischen Lindau und München fahren und im Reutiner Bahnhof halten, bedeutet für Stadt und Landkreis Lindau ein enormer Fortschritt. In einer Serie erinnert die LZ an die Vorgeschichte, lässt
Wir streben aber als Ziel an, dass dort Anfang der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts die ersten Züge halten werden. verschiedene Beteiligte zu Wort kommen und erklärt, welche Arbeiten der Bahn in den kommenden Jahren noch folgen. Den Auftakt macht ein Interview mit Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer.