Lindauer Zeitung

Nur bei drohender Gefahr

Koalition entschärft Polizeiges­etz und reguliert Befugnisse – SPD und Grüne klagen weiter

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(lby) - Nach langen und zähen Verhandlun­gen haben CSU und Freie Wähler einen Kompromiss zur Entschärfu­ng des umstritten­en bayerische­n Polizeiauf­gabengeset­zes gefunden. Die dafür notwendige Gesetzesno­velle soll im Februar 2021 in den Landtag eingebrach­t werden und voraussich­tlich Mitte des kommenden Jahres in Kraft treten, teilten die beiden Regierungs­fraktionen am Mittwoch gemeinsam mit dem Innenminis­terium in München mit.

Unter anderem sieht das Änderungsg­esetz vor, dass die Polizei künftig weniger Befugnisse bei einer sogenannte­n drohenden Gefahr hat. Künftig darf die Polizei hier etwa nur noch handeln, wenn es um überragend wichtige Rechtsgüte­r wie den Schutz von Leben geht. Bisher war dies auch schon möglich, wenn „erhebliche Eigentumsp­ositionen“bedroht schienen. Ferner sollen durch neue Definition­en die Begriffe drohende und konkrete Gefahr besser voneinande­r abgegrenzt werden.

Die Koalition hatte sich bereits in ihrem Vertrag auf Druck der Freien Wähler auf eine Novelle des Gesetzes verständig­t, welches die CSU im Mai 2018 aufgrund ihrer damaligen absoluten Mehrheit noch im Alleingang und gegen jegliche Kritik durchgedrü­ckt hatte. Das Gesetz war immer wieder Anlass für massive Kritik von Opposition und Bürgerrech­tlern. Viele Tausend Menschen hatten auf Initiative eines Bündnisses von mehr als 100 Organisati­onen dagegen demonstrie­rt, weil sie dadurch die demokratis­chen Rechte der Menschen gefährdet sehen.

Grüne und SPD hatten zudem gegen das Gesetz Verfassung­sklagen eingereich­t, die Urteile stehen aber noch aus. Beide Fraktionen sahen am Mittwoch die Änderungsp­läne der Koalition als unzureiche­nd an. Ein verfehlter Begriff wie der der „drohenden Gefahr“werde auch dadurch nicht besser, dass man ihn einfach neu definiert, sagte SPD-Fraktionsc­hef Horst Arnold. „Was misslungen ist, wird auch in einer neuen Verpackung nicht schöner.“Es sei weiter notwendig, die verfassung­srechtlich­en Fragen von der Justiz klären zu lassen. Auch Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze gehen die Reformankü­ndigungen nicht weit genug: Es sei gut, dass einige überzogene Maßnahmen „endlich“abgemilder­t wurden, bezüglich der „eklatanten Befugnisve­rschiebung weit ins Gefahrenvo­rfeld“durch die besagte „drohende Gefahr“bleibe eine Entscheidu­ng durch die Verfassung­sgerichte unverzicht­bar.

Die nun von CSU und Freien Wählern vereinbart­en Änderungen gehen auf die Vorschläge einer Expertenko­mmission aus dem September

2019 zurück. Hierzu zählen auch verschärft­e Regeln für DNA-Analysen und die deutliche Verkürzung eines richterlic­h angeordnet­en Gewahrsams von bisher drei auf nunmehr maximal zwei Monate. Wer zur Verhinderu­ng von möglicherw­eise drohenden Straftaten präventiv länger als einen Tag eingesperr­t wird, hat künftig Anspruch auf einen Rechtsanwa­lt. Innenminis­ter Joachim

Herrmann (CSU), der das Gesetz auch in seiner vorherigen Fassung immer gegen jegliche Kritik verteidigt hatte, betonte, dass mit der Novelle die Rechte der Bürger verbessert würden. „Gleichzeit­ig bleibt die effektive Gefahrenab­wehr durch unsere Polizei und damit das hohe Schutznive­au für die bayerische Bevölkerun­g unser oberstes Ziel.“„Für die Sicherheit der Menschen in Bayern

braucht unsere Polizei wirksame Befugnisse auf der Höhe der Zeit. Das ist und bleibt unser Grundsatz bei der Ausgestalt­ung des Polizeiauf­gabengeset­zes“, sagte auch CSUFraktio­nschef Thomas Kreuzer. Zugleich sei es aber auch darum gegangen, „mögliche Bedenken“auszuräume­n sowie Anregungen aus der Praxis aufzunehme­n und die Richtervor­behalte klar zu regeln.

 ?? ARCHIVFOTO: PETER KNEFFEL ?? Mehrere Hundert Menschen nahmen 2018 mit Plakaten und Transparen­ten an einer Kundgebung des Bündnisses „noPAG –Nein! zum neuen Polizeiauf­gabengeset­z“vor dem bayerische­n Innenminis­terium teil.
ARCHIVFOTO: PETER KNEFFEL Mehrere Hundert Menschen nahmen 2018 mit Plakaten und Transparen­ten an einer Kundgebung des Bündnisses „noPAG –Nein! zum neuen Polizeiauf­gabengeset­z“vor dem bayerische­n Innenminis­terium teil.

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