Lindauer Zeitung

Trau dir etwas zu – Fang einfach an

Jürgen Hartmann hat ein erstes Etappenzie­l: die Sanierung der Alten Schule

- Von Susi Donner

- Im März wurde Jürgen Hartmann für die Unabhängig­e Liste Sigmarszel­l (UNS) in den Gemeindera­t gewählt. Er ergänzt seither das Gremium, das er „buntes und interessan­tes Völkchen“nennt, in dem unter anderem Lehrer, Erzieher, Landwirte, Beamte und ein Wirt ihr gesundes und gemischtes Spektrum an Wissen, Interessen, Ansichten und Fähigkeite­n für Sigmarszel­l einbringen und die Herausford­erung annehmen, für drei Dörfer zuständig zu sein. „Das gefällt mir sehr gut. Nur die Jungen, die Zwanzigjäh­rigen, die fehlen und das ist sehr schade. Ich würde mir wünschen, dass gerade sie etwas für ihre Zukunft bewirken wollen“, bedauert er. Seiner Meinung nach wisse die Bevölkerun­g viel zu wenig über die Tätigkeite­n in einem Gemeindera­t. Auch er habe früher gedacht, das sei halt „so eine Bierrunde meist älterer Herren“. Dabei sei die Mitarbeit anspruchsv­oll wie in einem Unternehme­n. Wenn auch wesentlich zäher und langatmige­r, wie der umtriebige Bösenreuti­ner freimütig erklärt.

Eine kleine Geschichte, die Jürgen Hartmann sehr gut beschreibt: Als er mit seinem Unternehme­n City GmbH in Schlachter­s noch in den Startlöche­rn stand, fragte ihn ein Kunde „könnt ihr uns Trumspannu­ngsmessger­äte bauen?“Er antwortete: „Ich weiß zwar nicht was das ist, aber ja, wir können das.“Er entwickelt­e also ein neues Messgerät für Keilriemen­spannung. „Alle sagten, ‚was wollt ihr denn? So was gibt es doch schon, es kann doch nicht sein, dass ihr das neu erfindet.‘ Wir haben es trotzdem gemacht und heute sind wir damit Weltmarktf­ührer“, erzählt der staatlich geprüfte Techniker, der in seiner Branche als innovative­r Tüftler und Erfinder gehandelt wird. „Trau dir etwas zu – Fang einfach an“, sei seine Devise. Er selbst habe mit Hauptschul­abschluss als Berufsgrun­dlage eine normale Elektriker­ausbildung gemacht.

Der 61-jährige Jürgen Hartmann stammt aus Wasserburg, war nach seiner Ausbildung acht Jahre bei der Bundeswehr. Arbeitete in Ravensburg, in Lindau und in der Schweiz als Entwicklun­gs- und Produktion­sleiter, bevor er sich vor zwanzig Jahren selbständi­g gemacht hat. Bereits vor dreißig Jahren zog er mit seiner Frau Monika in ihr Heimatdorf Bösenreuti­n und er habe diese Entscheidu­ng noch keine Sekunde bereut. „Ich habe mich von Anfang an wohlgefühl­t. Ich war bald in Vereinen aktiv und dadurch in der Gemeinde integriert. Die Bösenreuti­ner haben es mir leicht gemacht.“Bis heute ist er bei den Maibäumler­n, seine beiden Söhne sind bei den Fetzenhexe­n und seine Frau ist im Kirchencho­r aktiv. „Wir pflegen unsere Kontakte gut. Wenn man zuhört, erfährt man auch etwas“, sagt er.

Wie damals, als seine Frau noch im Gemeindera­t war: Als das neue Feuerwehrh­aus in Bösenreuti­n gebaut wurde, war danach der alte Spielplatz beim Feuerwehrh­aus platt. Leute kamen zu seiner Frau und fragten sie, warum der Kinderspie­lplatz nicht wieder aufgerüste­t worden war. Seine Frau brachte das im Gemeindera­t vor. Heute hat Bösenreuti­n wieder einen superschön­en Kinderspie­lplatz. Es waren solche Erlebnisse, die ihn motiviert haben, quasi den Platz seiner Frau im Gremium einzunehme­n, die aus berufliche­n und familiären Gründen im Frühjahr nicht mehr kandidiert­e. „Obwohl wir keinen Ortskern haben, herrscht ein schönes Miteinande­r. Wir haben ein vielfältig­es Dorfleben mit vielen Vereinen. Aber ich wünsche mir so sehr, dass wir wieder einen Mittelpunk­t haben – einen Ort, an dem man sich am Samstagabe­nd treffen, ein Bier zusammen trinken, etwas besprechen kann.“Deshalb sei die Alte Schule Bösenreuti­n, in der früher fröhliche Feste gefeiert wurden, für ihn zentraler Kern seiner Arbeit im Gemeindera­t. Die er zuweilen, wie er ehrlich zugibt, besonders nach langen Arbeitstag­en, als „anstrengen­d und staubtrock­en“empfinde. „Wir sitzen nicht nur zusammen und quatschen. Wir beschäftig­en uns in stundenlan­gen Sitzungen auch mit langweilig­en Sachen, die erledigt werden müssen.“

Doch dann gebe es wieder die Themen, die ihm Spaß machen, die ihn motivieren. Wie eben seine Herzensang­elegenheit, die Alte Schule von Bösenreuti­n. Das Bauwerk, das um 1900 errichtet wurde und nicht denkmalges­chützt ist, ist längst sanierungs­bedürftig. „Die Alte Schule zerfällt. Die Küche ist nichts mehr, der Brandschut­z und die Statik sind eine Katastroph­e, der Dachstuhl ist von Insekten befallen. Seit 2016 ist ihre Sanierung in Planung, kam aber irgendwie nicht zum Laufen. Meine Zielsetzun­g ist es, genau solche Themen anzugehen und konsequent durchzufüh­ren“, verspricht Hartmann. Von der Schwäbisch­en Bezirksreg­ierung seien bereits seit drei Jahren Gelder aus der Förderinit­iative „Innen statt außen“, freigegebe­n, und auch im Haushalt der Gemeinde seien Mittel dafür bereitgest­ellt. Dennoch sei es immer wieder verschlepp­t worden. Aber nun haben sie, auf Wunsch der Bezirksreg­ierung

ANZEIGE

und der Gemeinde, den Arbeitskre­is Alte Schule Bösenreuti­n gebildet, der bei seinem ersten Treffen schon auf großes Interesse gestoßen sei. „Bestimmt 30 Leute waren da, haben Ideen und die Zusicherun­g mitgebrach­t, sich dafür einzusetze­n“, erzählt Hartmann froh. „Unser Ansprechpa­rtner der schwäbisch­en Regierung sagt, dass wir, wenn es gut läuft, Ende 2021 mit den Arbeiten beginnen können.“Aktuell werden Ingenieuru­nd Architekte­nbüros gesucht, die den tatsächlic­hen Zustand des Gebäudes und die Möglichkei­ten seines Erhalts feststelle­n.

Ein weiteres Projekt, das ihm am Herzen liege, seien neue Gewerbegeb­iete. „In diesem Bereich ist Sigmarszel­l im Vergleich zu den Gemeinden ringsum schlecht aufgestell­t.“Er spreche dabei von mittelstän­dischen Unternehme­n, von Kleingewer­be, von Handwerker­n und von Mischgebie­ten. „Wenn wir wollen, dass unsere jungen Leute hierbleibe­n, müssen wir Arbeitsplä­tze vor Ort schaffen, bezahlbare­n Wohnraum, Betreuungs­plätze für Kinder und die nötige Infrastruk­tur.“Bürgermeis­ter und Gemeindera­t seien verzweifel­t auf der Suche nach geeigneten Grundstück­en. Wer hier wohnen möchte, müsse aktuell oft weite Arbeitsweg­e in Kauf nehmen, oder ziehe irgendwann einfach in die Nähe der Arbeitsste­lle. Das führe zu einer Verarmung der Dörfer an jüngeren Leuten.

Was Jürgen Hartmann nach seiner ersten Amtszeit sagen können will? „Wir haben Zeit, Kraft und Herzblut in unsere Arbeit gelegt und viele sichtbare Ergebnisse erzielt. Aber vor allem: Die Alte Schule ist fertig!“

 ?? FOTO: SD ?? So sehen Tüftler und Erfinder aus: Der Unternehme­r Jürgen Hartmann setzt sich für die Sanierung der Alten Schule Bösenreuti­n ein.
FOTO: SD So sehen Tüftler und Erfinder aus: Der Unternehme­r Jürgen Hartmann setzt sich für die Sanierung der Alten Schule Bösenreuti­n ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany