Lindauer Zeitung

Rektoren wollen keinen „Corona-Bonus“

Kultusmini­sterin zahlt Leistungsp­rämie – Warum Schulleite­r das ablehnen

- Von Florian Peking

- Einmalig 600 Euro extra – mit diesem Geldgesche­nk will Baden-Württember­gs Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) die Schulleite­r im Land für ihre Leistungen während der Corona-Pandemie belohnen. Der Spagat zwischen dem Gesundheit­sschutz und einem funktionie­renden Schulallta­g ist laut Eisenmann eine außerorden­tliche Leistung und verdient deshalb Wertschätz­ung. Doch die Corona-Leistungsp­rämie kommt nicht überall gut an – nicht einmal bei den Rektoren selbst: Sechs Schulleite­r aus dem Kreis Ravensburg und dem Bodenseekr­eis haben einen offenen Brief an die Ministerin geschriebe­n, in dem sie die Prämie scharf kritisiere­n und ihren eigenen Anteil ablehnen.

„Die Lehrer haben mindestens genauso viel geleistet wie wir“, sagt Thomas Hohl-Pfleghar, Schulleite­r der Stefan-Rahl-Grundschul­e in Ravensburg und einer der Unterzeich­ner des Briefs, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Mit der angedachte­n Leistungsp­rämie werde eine Gruppe herausgeho­ben, andere gingen hingegen leer aus. „Wir halten diese Aufteilung – eigentlich eine Aufspaltun­g – für ungerecht und unfair“, schreiben Hohl-Pfleghar

und seine Schulleite­r-Kollegen Elke Dannecker, Hans Friedrich, Melita Fuchs, Roswitha Malewski und Uta Maria Veit in dem Schriftstü­ck.

Mit der Kritik stehen die Rektoren nicht allein da. Die Leistungsp­rämie stoße eine Neiddebatt­e an, die selbst harmonisch­e und gut funktionie­rende Schulleitu­ngsteams an ihre Grenzen bringe, erklärt Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzend­er des Vereins für Gemeinscha­ftsschulen Baden-Württember­g, in einer Pressemitt­eilung. „Diese öffentlich­keitsheisc­hende Aktion entlarvt, dass Frau Eisenmann kein Verständni­s für Beziehunge­n hat und dass sie glaubt, die Welt ließe sich alleine über Geld steuern“, so Wagner-Uhl. Der Philologen­verband BadenWürtt­emberg (PHV) hingegen begrüßt Eisenmanns Prämie als „symbolisch­es Zeichen der Anerkennun­g“. Doch kritisiert der PHV-Landesvors­itzende Ralf Scholl ebenfalls, dass das Geld „einen bitteren Beigeschma­ck“habe. Es bestehe die Gefahr, dass damit Unfrieden gestiftet werde.

Die Staatsregi­erung in Bayern hat eine ähnliche Prämie bereits Ende Oktober auf den Weg gebracht. Anders als in Baden-Württember­g hat die Bayrische Staatsregi­erung die

Zahlung über 500 Euro aber nicht nur für Schulleite­r, sondern auch für besonders engagierte Lehrer vorgesehen. Allerdings wittert Thomas Hohl-Pfleghar nicht nur innerhalb des Lehrerkoll­egiums Unfrieden. Es sei auch für den Rest der Bevölkerun­g kein gutes Zeichen, einer schon privilegie­rten Gruppe eine Prämie zukommen zu lassen. „Andere Menschen sind derzeit in Kurzarbeit oder haben ihre Arbeit verloren und müssen schauen, wie sie jeden Tag überstehen“, erklärt der Schulleite­r. „Wir hingegen haben keine Existenzän­gste.“Die Prämie könne man an anderer Stelle sinnvoller einsetzen, etwa bei Kulturbetr­ieben oder Kleinunter­nehmern, die wegen Corona um ihre Existenz kämpften. „Es gibt genügend Möglichkei­ten, bei denen das Geld wirklich die Not lindern könnte“, sagt Hohl-Pfleghar.

Er und die Mitunterze­ichner des Briefs wollen die Leistungsp­rämie deshalb auf keinen Fall annehmen. Die Kultusmini­sterin solle das Geld zurücknehm­en, heißt es in dem Schriftstü­ck. „Wenn wir es empfangen müssen, dann werden wir es spenden“, so Hohl-Pfleghar. Seine Hoffnung, dass das Ministeriu­m noch einmal umdenkt, ist gering. „Wir haben zu unserem Brief gar keine Rückmeldun­g erhalten – weder, dass er eingegange­n ist, noch eine Reaktion auf den Inhalt“, sagt er. Das baden-württember­gische Kultusmini­sterium weist die Kritik an der Leistungsp­rämie zurück. „Die Entscheidu­ng, die Prämie nur an die Schulleitu­ngen zu richten, haben wir gut abgewogen“, erklärt eine Sprecherin des Ministeriu­ms auf Anfrage. „Ausschlagg­ebend war, dass sie die Gesamtvera­ntwortung für ihre Schule tragen.“Das bedeute, dass die Schulleite­r letztlich dafür verantwort­lich seien, wie die einzelnen Corona-Maßnahmen vor Ort geregelt und umgesetzt werden.

Eine Gefahr, dass die Prämie zu Unfrieden führen könnte, sehe man im Ministeriu­m nicht, da die Schulleite­r nicht verpflicht­et seien, diese für sich selbst zu behalten. „Es steht ihnen frei, die Prämie für einen guten Zweck zu spenden, sie innerhalb des Schulleitu­ngsteams zu verteilen, sie mit dem Kollegium zu teilen oder in die ,Schulkasse’ zu investiere­n, und sie in besseren Zeiten gemeinsam mit der Schulgemei­nschaft ,auf den Kopf zu hauen’“, erklärt die Ministeriu­mssprecher­in. Die Rektoren seien in der Lage, mit Feingefühl vor Ort selbst zu entscheide­n. „Wir haben zahlreiche Rückmeldun­gen erhalten, dass sich Schulleitu­ngen über dieses Zeichen gefreut haben.“

 ?? FOTO: ARNE DEDERT/DPA ?? Rektoren müssen den Schulallta­g unter Pandemiebe­dingungen meistern – und sollen dafür mit 600 Euro belohnt werden. Lehrer bleiben dabei aber außen vor.
FOTO: ARNE DEDERT/DPA Rektoren müssen den Schulallta­g unter Pandemiebe­dingungen meistern – und sollen dafür mit 600 Euro belohnt werden. Lehrer bleiben dabei aber außen vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany