Streit um Rundfunkbeitrag eskaliert
Sachsen-Anhalt nimmt Gesetzesentwurf zurück – ARD und ZDF wollen klagen
- Die CDU in SachsenAnhalt entgeht der Gefahr, gemeinsame Politik mit der AfD zu machen. Darauf wäre es hinausgelaufen, wenn dem Landtag die Entscheidung über die 86-Cent-Erhöhung der Rundfunkgebühren vorgelegt worden wäre. Denn die CDU-Fraktion hatte klar signalisiert, sich, wie die AfD, gegen die Erhöhung aussprechen zu wollen. Ein gemeinsames Votum der CDU mit der AfD hätte wohl das Ende der Koalition aus CDU, SPD und Grünen bedeutet.
Weil nun Ministerpräsident Haseloff die eigene Vorlage zurückgezogen hat, verhindert er nicht nur das Ende des „Kenia-Modells“, sondern auch die Erhöhung der Rundfunkgebühren zum 1. Januar, die von allen anderen Bundesländern befürwortet wird. Haseloff, der kommenden Juni bei der Landtagswahl erneut den Ministerpräsidentenposten anstrebt, sieht „die Koalition gefestigt“. Allerdings wird sie ohne den frisch entlassenen Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) auskommen müssen, Stahlknecht hatte sich in einem Interview für eine CDU-Minderheitsregierung unter Duldung der AfD ausgesprochen. Die wiederum sieht sich bestätigt. Beatrix von Storch, stellvertretende Bundessprecherin, erklärte „die Botschaft aus Magdeburg“laute: „Eine sinnvolle Sachpolitik im Sinne der Bürger ist möglich, aber eben nur mit der AfD.“Es gebe „politische Mehrheiten für einen Richtungswechsel – auch über Sachsen-Anhalt hinaus“.
Lob bekam Haseloff vom SPDLandesvorsitzenden Andreas
Schmidt. „Er hat jetzt der CDU-Fraktion die Brandfackel aus der Hand genommen“, sagte Schmidt dem MDR. Und wie die SPD wollen auch die Grünen an der Kenia-Koalition festhalten. „In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz handlungsunfähigen CDU überlassen – und erst recht nicht einer rechtsextremen AfD“, so Grünen-Landeschef Sebastian Striegel. „Normalerweise würde man die Koalition verlassen. Aber wir haben keine normale Situation“, sagte der Bundesvorsitzende Robert Habeck, mit Blick auf die politische Verantwortung angesichts der dramatischen Corona-Lage.
Scharfe Kritik kommt von der Linkspartei. „Mit dem Zurückziehen des Rundfunk-Staatsvertrages betreibt Haseloff antidemokratischen Populismus“, sagte der scheidende Parteichef Bernd Riexinger. Haseloff greife die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an und entziehe die Entscheidung der demokratischen Debatte im Parlament. Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Bundestag, sieht die Bundes-CDU in der Pflicht, die „ein für alle Mal klar machen muss, dass es eine Öffnung der CDU zu den Rechtsextremisten von der AfD nicht geben darf.“
Am Nachmittag kündigten ZDF, die ARD-Anstalten und das Deutschlandradio unabhängig voneinander an, wegen der Blockade vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow betonte: „Eine Verfassungsbeschwerde ist leider unausweichlich. Ohne die ausreichende, unabhängig ermittelte Finanzierung wird das Programmangebot, das in allen Regionen Deutschlands verwurzelt ist, darunter leiden.“