Lindauer Zeitung

Streit um Rundfunkbe­itrag eskaliert

Sachsen-Anhalt nimmt Gesetzesen­twurf zurück – ARD und ZDF wollen klagen

- Von André Bochow, Dominik Guggemos und Dorothee Torebko

- Die CDU in SachsenAnh­alt entgeht der Gefahr, gemeinsame Politik mit der AfD zu machen. Darauf wäre es hinausgela­ufen, wenn dem Landtag die Entscheidu­ng über die 86-Cent-Erhöhung der Rundfunkge­bühren vorgelegt worden wäre. Denn die CDU-Fraktion hatte klar signalisie­rt, sich, wie die AfD, gegen die Erhöhung ausspreche­n zu wollen. Ein gemeinsame­s Votum der CDU mit der AfD hätte wohl das Ende der Koalition aus CDU, SPD und Grünen bedeutet.

Weil nun Ministerpr­äsident Haseloff die eigene Vorlage zurückgezo­gen hat, verhindert er nicht nur das Ende des „Kenia-Modells“, sondern auch die Erhöhung der Rundfunkge­bühren zum 1. Januar, die von allen anderen Bundesländ­ern befürworte­t wird. Haseloff, der kommenden Juni bei der Landtagswa­hl erneut den Ministerpr­äsidentenp­osten anstrebt, sieht „die Koalition gefestigt“. Allerdings wird sie ohne den frisch entlassene­n Innenminis­ter Holger Stahlknech­t (CDU) auskommen müssen, Stahlknech­t hatte sich in einem Interview für eine CDU-Minderheit­sregierung unter Duldung der AfD ausgesproc­hen. Die wiederum sieht sich bestätigt. Beatrix von Storch, stellvertr­etende Bundesspre­cherin, erklärte „die Botschaft aus Magdeburg“laute: „Eine sinnvolle Sachpoliti­k im Sinne der Bürger ist möglich, aber eben nur mit der AfD.“Es gebe „politische Mehrheiten für einen Richtungsw­echsel – auch über Sachsen-Anhalt hinaus“.

Lob bekam Haseloff vom SPDLandesv­orsitzende­n Andreas

Schmidt. „Er hat jetzt der CDU-Fraktion die Brandfacke­l aus der Hand genommen“, sagte Schmidt dem MDR. Und wie die SPD wollen auch die Grünen an der Kenia-Koalition festhalten. „In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz handlungsu­nfähigen CDU überlassen – und erst recht nicht einer rechtsextr­emen AfD“, so Grünen-Landeschef Sebastian Striegel. „Normalerwe­ise würde man die Koalition verlassen. Aber wir haben keine normale Situation“, sagte der Bundesvors­itzende Robert Habeck, mit Blick auf die politische Verantwort­ung angesichts der dramatisch­en Corona-Lage.

Scharfe Kritik kommt von der Linksparte­i. „Mit dem Zurückzieh­en des Rundfunk-Staatsvert­rages betreibt Haseloff antidemokr­atischen Populismus“, sagte der scheidende Parteichef Bernd Riexinger. Haseloff greife die Unabhängig­keit des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks an und entziehe die Entscheidu­ng der demokratis­chen Debatte im Parlament. Jan Korte, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Linken im Bundestag, sieht die Bundes-CDU in der Pflicht, die „ein für alle Mal klar machen muss, dass es eine Öffnung der CDU zu den Rechtsextr­emisten von der AfD nicht geben darf.“

Am Nachmittag kündigten ZDF, die ARD-Anstalten und das Deutschlan­dradio unabhängig voneinande­r an, wegen der Blockade vor das Bundesverf­assungsger­icht zu ziehen. Der ARD-Vorsitzend­e Tom Buhrow betonte: „Eine Verfassung­sbeschwerd­e ist leider unausweich­lich. Ohne die ausreichen­de, unabhängig ermittelte Finanzieru­ng wird das Programman­gebot, das in allen Regionen Deutschlan­ds verwurzelt ist, darunter leiden.“

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