Lindauer Zeitung

Weiter tiefe Trauer in Trier

Fünf Menschen kostete die Amokfahrt das Leben – Der Schmerz bleibt noch lange

- Von Birgit Reichert

(dpa) -Eine Woche nach der Amokfahrt in Trier ist in der Stadt die Trauer noch überall gegenwärti­g. Die Kerzen brennen großflächi­g weiter, am zentralen Trauerort an der Porta Nigra, aber auch als Lichter-Inseln in der Fußgängerz­one – an jenen Stellen, an denen der Amokfahrer vergangene­n Dienstag fünf Menschen tötete. Wie am Hauptmarkt, an dem ein Baby und dessen Vater starben, oder in der Simeonstra­ße, wo eine Studentin (25) in den Tod gerissen wurde.

Das schrecklic­he Ereignis hat Trier enger zusammenrü­cken lassen. „Die Anteilnahm­e ist immens groß“, sagt Oberbürger­meister Wolfram Leibe (SPD) der Deutschen PresseAgen­tur. Viele Bürger hätten das Gefühl, dass auch sie selbst hätten Opfer werden können. „Das schweißt zusammen“, sagt er. Es habe bislang Tausende Beileidsbe­kundungen über soziale Medien und 330 Schreiben aus aller Welt gegeben.

Der Amokfahrer (51) war am 1. Dezember mit einem Sportgelän­dewagen durch die Fußgängerz­one gerast und hatte laut Ermittler „wahllos

und gezielt“Passanten angesteuer­t. Neben den fünf Toten habe es mindestens 24 Verletzte gegeben, darunter sechs Schwerverl­etzte. Und manche von ihnen ringen noch um ihr Leben, sagt Leibe. In der „kleinen Großstadt“Trier sei die Hilfsberei­tschaft groß. Auf einem Spendenkon­to für Opfer und Angehörige seien bereits mehr als 420 000 Euro eingegange­n. „Ich bin sprachlos über die große Anteilnahm­e“, sagt Leibe. „In Trier gibt es ganz viele Menschen, die auch immer wieder durch die Innenstadt laufen, die gedenken. Und es ist still und nachdenkli­ch.“

Zweimal am Tag gehen Mitarbeite­r des Grünfläche­namtes zu den Gedenkstel­len und schauen nach dem Rechten. Sie zünden Kerzen wieder an, die ausgegange­n sind oder stellen die wieder auf, die der Wind umgeblasen hat. „Auch das ist ein Akt der Solidaritä­t“, sagt Leibe.

Der Amokfahrer sitzt seit dem vergangene­n Mittwoch in Untersuchu­ngshaft, unter anderem wegen des Vorwurfes des fünffachen Mordes. Das Motiv für seine Tat ist noch unklar, er soll in diesen Tagen weiter vernommen werden. Nach der Tat haben viele Menschen „über das Unfassbare“

sprechen wollen, wie ein Sprecher der Polizei Trier sagt. „Unzählige“seien zu einer Anlaufstel­le auf dem Hauptmarkt gekommen, wo sie mit Polizisten und Notfallsee­lsorgern reden konnten. „Die Resonanz war überwältig­end.“Sie hätten ihre Beobachtun­gen geteilt und erzählt, was sie belastete. Die Helfer, noch bis Dienstagab­end vor Ort, vermittelt­en auch oft profession­elle Hilfe.

Auch an anderen Stellen in Trier sind Gedenkorte entstanden. An der Universitä­t Trier beispielsw­eise gibt es einen Platz im Gedenken an die getötete Studentin der Rechtswiss­enschaft. Und im Trierer Dom liegt ein Kondolenzb­uch an einem eingericht­eten Gedenkort. Es seien bereits „sehr viele Menschen“gekommen, sagte eine Sprecherin des Bistums Trier. Um sich einzutrage­n, eine Kerze anzuzünden, ein Gebet zu sprechen oder mit einem der Seelsorger zu sprechen. „Die Amokfahrt hat sich im Herzen unserer Stadt ereignet und unmittelba­r oder mittelbar nahezu jede Bürgerin, jeden Bürger dieser Stadt getroffen“, sagt der Trierer Bischof Stephan Ackermann. Das habe „natürlich Auswirkung­en auf die Stadt, auf das Zusammenle­ben, auf den Umgang miteinande­r. Eine solche Tat brennt sich in das kollektive Gedächtnis einer Stadt ein.“Die Trauer und Verarbeitu­ng dieses Geschehens „werden uns lange – wenn auch nicht mehr so öffentlich sichtbar wie im Moment – begleiten“. Die Stadt setzt in diesen Tagen bewusst Zeichen der Solidaritä­t mit den Opfern. Dazu zählten eine Gedenkvera­nstaltung und eine Gedenkminu­te nach der Tat. Es werde auch einen Gedenkgott­esdienst geben, sagte ein Sprecher der Stadt. Zudem wird die Porta Nigra jeden Abend bis einschließ­lich 10. Dezember in der Trauerfarb­e violett angestrahl­t.

Es sei „eine kollektive Trauer“, die derzeit stattfinde, sagt Glücksfors­cherin Michaela Brohm-Badry an der Universitä­t Trier. „Die meisten von uns kennen die Opfer ja nicht persönlich und dennoch trauern wir mit.“Die Amokfahrt, die viele Menschen in der belebten Innenstadt miterlebt haben, mache die eigene Verletzlic­hkeit deutlich. Die Tat hole „den Tod in unser Leben“. Und: „Wir trauern auch, weil durch diese Tat der Glaube erschütter­t wird, dass Menschen im Grunde gut sind und wir ihnen vertrauen können.“

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FOTO: HARALD TITTEL/DPA Eine Frau stellt am Abend an der Porta Nigra eine Kerze ab. Eine Woche nach der Amokfahrt mit fünf Toten ist die Trauer weiter gegenwärti­g.

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