Heiße Debatte um Glühweinverbot
Südwesten untersagt Alkoholausschank im Freien – Hohe Bereitschaft zum Regelbruch
(dpa) - In der Corona-Krise sind in Deutschland Glühwein to go und Familientreffen zu Weihnachten ein heißes Thema geworden. Der Außerhausverkauf alkoholischer Getränke im Advent und der angedachte Regelbruch an den Festtagen beschäftigen weite Teile der Bevölkerung.
Derweil hat das Land BadenWürttemberg Fakten geschaffen: Die baden-württembergische Landesregierung will den Alkoholausschank unter freiem Himmel insbesondere aufgrund des hohen Andrangs an Glühweinständen im Land verbieten. Man werde ein flächendeckendes Alkoholverbot in die nächste Corona-Verordnung aufnehmen, kündigte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart an. Die Kommunen sollten das schon zum 3. Advent umsetzen. Lucha begründete: „Wir haben jetzt gerade am Wochenende in den großen Innenstädten gesehen, dass im Prinzip die Weihnachtsmärkte über die
Hintertür kommen, dass wir Riesenschlangen an Glühweinständen hatten.“
Mit dieser Maßnahme dürfte Lucha sich unbeliebt machen: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov vermisst mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland (53 Prozent) in diesem Jahr den Besuch von Weihnachtsmärkten, einer anderen Umfrage zufolge sind außerdem viele Menschen bereit zum Corona-Regelbruch an den Feiertagen – und das obwohl mehr als drei Viertel der Befragten die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie befürworten, wie die Studie im Auftrag der Universität der Bundeswehr München ergab.
Die Bereitschaft zum Regelbruch sei besonders dann gegeben, wenn Menschen die Regeln für übertrieben hielten oder sicher seien, dass nichts passieren könne. „Überdurchschnittlich viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass sie eine Situation
wie diese im Gegensatz zu anderen Menschen überdurchschnittlich gut einschätzen können – weshalb sie Verbote für andere Menschen gutheißen, sich selbst aber darüber hinwegsetzen“, erläuterte Philipp Rauschnabel von der Professur für digitales Marketing und Medieninnovation an der Universität. „Zum anderen ist es sehr wahrscheinlich, dass mehr Menschen die Regeln missachten, wenn sie bemerken, dass andere Menschen das auch machen.“42 Prozent sagten demnach, sie wollten sich unter Umständen über geltende Regeln hinwegsetzen.
Menschenansammlungen sollen schon zurzeit wegen Corona vermieden werden – doch Glühweinstände jenseits der abgesagten Weihnachtsmärkte bewegen das Land. In zahlreichen Städten nutzen Bars und Gastronomen ein Schlupfloch und bieten reihenweise Glühwein to go an. Der soll zwar nicht am Stand getrunken werden, dennoch entstehen Glühwein-Pulks und
Schlangen. Gesundheitsexperten zeigen sich wenig begeistert. Immer mehr Städte gehen gegen den Verkauf vor.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mahnte derweil zu deutlich mehr Solidarität untereinander . „Es kann ja nicht sein, dass die einen für den Glühwein zuständig sind, und die anderen für die Intensivstation“, sagte er am Sonntag im RTL-Jahresrückblick „2020! Menschen, Bilder, Emotionen“. Während manche „mit 40, 50 Mann am Glühweinstand“stünden, arbeiteten zur selben Zeit Pflegekräfte rund um die Uhr und gäben „alles, um Menschen eben das Überleben möglich zu machen“.
In Köln tat sich als Kritiker der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hervor. „Glühweinstände unterlaufen unsere Kontaktbeschränkungen“, schrieb er auf Twitter. „Das kostet zum Schluss Neuinfizierte und Tote. Dazu ist später noch Zeit, wenn wir geimpft sind.“