Eine singende und klingende VaterSohn-Geschichte
Josef Wetzels Leben findet seit 52 Jahren zwischen Chorproben und Auftritten statt
- Musik und Gesang begleiten Josef Wetzel durch sein ganzes Leben. Sein Sohn Uwe lässt sich erst schwer, dann restlos dafür begeistern. „Ich habe als kleines Kind schon immer fröhlich vor mich hingesungen“, erinnert sich Josef Wetzel. Dies ist die Geschichte der beiden Hergensweilerer.
Als Schulbub lernt Josef Wetzel Blockflöte und Querflöte spielen. Im Internat des Benediktinerklosters Sankt Ottilien kommt die Geige dazu. Selbstverständlich wirkt er auch in der Blaskapelle des Internats mit. „Das war großartig. Als Mitglied des Orchesters bist du hinaus- und herumgekommen“, erzählt Josef Wetzel und zeigt stolz ein Foto aus dem Jahr 1961. Darauf sitzt er direkt neben dem späteren Abtprimas Notker Wolf, damals noch Werner Wolf, beide spielen die Querflöte. Wenn Ferien sind, verstärkt er den Kirchenchor seiner Heimatgemeinde Hergensweiler.
Als er von Sankt Ottilien ans Bodenseegymnasium nach Lindau wechselt, singt er auch dort im Chor mit – „du hast in Musik immer eine Note besser bekommen, wenn du im Chor gesungen hast“, erinnert er sich augenzwinkernd – und spielt Geige im kleinen Schulorchester. Als Student singt er an der Pädagogischen Hochschule im PH-Chor und im Studentenchor, den ein Freund gründet.
Als junger Lehrer kommt er 1968 zuerst nach Auers. Er ist inzwischen glücklich mit Irid verheiratet. Geht fleißig in die Kirche und singt „feste und laut“mit. Eines Tages kommen drei Sänger vom Männerchor Röthenbach (MCR) auf ihn zu, der 2020 sein 100-jähriges Bestehen gefeiert hätte. Sie haben seine schöne Stimme gehört und wollen ihn als Chorleiter. Josef Wetzel belegt einen Chorleiterlehrgang beim Schwäbisch-Bayerischen Sängerbund und übernimmt den MCR mit zwölf Sängern. „Mein Ziel war, 25 Sänger aufzubauen“, erklärt er.
Innovativ sucht er nach neuen Möglichkeiten für Auftritte bei Konzerten und Heimatabenden. Etabliert die beliebten Geburtstagsständchen. Als Lehrer wird er zeitgleich in sein Heimatdorf Hergensweiler berufen und bekommt auch gleich den dortigen Kirchenchor übertragen. Er ist jetzt also Leiter zweier Chöre.
Das erste vieler legendärer Weinfeste des MCR organisiert er 1970 im alten Pfarrheim in Röthenbach. Neben dem Singen sammeln sie Papier und Alteisen und finanzieren damit 1977 ihre erste gemeinsame Tracht. Immer wieder kommen nach schönen Auftritten neue Sänger dazu. Zu Spitzenzeiten in den 1980er-Jahren singen 36 Sänger im MCR. Wetzel führt den Chor mit Leidenschaft und füllt das Vereinsleben mit viel Geselligkeit.
Am 22. Juli 1979 wird Josef Wetzel nach langer Vorbereitung zum Diakon geweiht. Seine Freude am Singen kommt ihm auch am Altar zugute. Wegen „zu vieler Ämter und Aufgaben“gibt er dennoch nach zwölf erfolgreichen Jahren den Dirigentenstab des MCR an den Sigmarszeller Peter Kurzemann weiter, bleibt aber, bis heute, dessen zweiter Dirigent.
Das Konzertprogramm des MCR wird immer hochwertiger. Sie führen die zweitägigen Pfingstkonzerte ein. Singen Operetten, mit aufwändiger Bühnendekoration. Etablieren 1996 das erste Adventskonzert in der Freien Waldorfschule in Wangen – das bis 2014 ein Höhepunkt im Musikkalender der Region ist. Peter Kurzemann verlangt von seinen Sängern das freie und auswendige Singen, was dem Chor noch mehr Professionalität gibt.
„Sensationell“, bewundert Josefs Sohn Uwe Wetzel, der im Jahr des ersten Weinfestes das Licht der Welt erblickt. Chortechnisch kommt er erst 2008 ins Spiel. Sein Chorerlebnis als Kind: Am Freitagabend ist der Papa immer weg. „Als junger Kerl hatte ich überhaupt kein Interesse an seiner Singerei. Ich dachte, was machen die da für ein altmodisches Zeug“, gibt er lachend zu.
Uwe Wetzel ist Vollblutfußballer. Dem Sport gehört seine Leidenschaft. Wenn sein Papa zu ihm sag:t „Komm doch mal zu uns zum Singen, du kannst das auch“, lehnt er ab. Erst als seine Fußballkarriere im TSV Hergensweiler vorbei ist, macht er sich Gedanken um den Chor. Am 29. Januar 2008 besucht er zum ersten Mal die Chorprobe und denkt sich: „Ist ja gar nicht so schlecht.“Es sind ein paar Sänger in seinem Alter dabei, darunter der Vereinsvorsitzende Norbert Kurzemann, Sohn des Dirigenten.
Die internationalen Konzertreisen begeistern ihn zudem: Budapest, Rom, St. Petersburg und viele mehr. Sie geben an den unglaublichsten Orten Konzerte. Lernen andere Kulturen kennen. Viele internationale Sängerfreundschaften entstehen. Mit derselben Begeisterung, die Uwe Wetzel zuvor dem Fußball gewidmet hat, engagiert er sich von nun an im Chor. Ist lange Jahre stellvertretender Vorsitzender und wird 2019 Norbert Kurzemanns Nachfolger.
„Unsere Väter haben den MCR mit Passion und unermüdlichem Engagement aufgebaut. Sie sind mir Vorbild und der Motor für den Wunsch, die Geschichte des Männerchors erfolgreich weiterzuschreiben“, sagt Uwe Wetzel und ergänzt: „So sehr uns unsere Vater-Sohn-Geschichte freut, die von Peter und Norbert Kurzemann ist mindestens genauso bemerkenswert: Peter ist seit 39 Jahren Dirigent, und Norbert war in dieser Zeit 23 Jahre lang Vorsitzender des MCR. Er wurde es als sehr junger Mann, mit 24 Jahren, und er hat eine ganz wunderbare Arbeit geleistet, die ich so gut es geht weiterführen will.“
Neue Ideen, Projekte, Wettbewerbe und Mitglieder seien notwendig, um dem Chor, dessen Hälfte seiner aktuell 18 Sänger aus Sigmarszell und Hergensweiler stammen, den hohen Stellenwert zurückzugeben, den er verdient habe. Das Jubiläumsfest zum 100. Geburtstag ihres Chors haben sie wegen der Chorona-Pandemie ausfallen lassen. Uwe Wetzel verspricht aber: „Sobald wir wieder dürfen, sind wir wieder da.“Er will Lust aufs Singen machen: „Die Freude, die ich beim Singen empfinde, ist unbeschreiblich. Und ich hätte nie erwartet, welch wunderschöne Erlebnisse wir mit dem Männerchor haben.“Dem stimmt auch sein 76-jähriger Vater Josef zu: „Ich hätte in meinem Leben ohne den MCR nur einen Bruchteil von dem gesehen, was ich erleben durfte.“