Lindauer Zeitung

„Ich glaube, auf eine solche Karriere darf man stolz sein“

Die Mietingeri­n Nicole Rolser hat ihre Fußballkar­riere beendet – Im Interview erzählt sie, was sie als Teammanage­rin beim FC Bayern macht

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- Nicole Rolser aus Mietingen spielte für den FC Liverpool und den FC Bayern München, bestritt zwei A-Länderspie­le für Deutschlan­d – und verkündete im Juni ihr Karriereen­de als Fußballeri­n mit 28 Jahren. Seitdem ist sie bei den Frauen des FC Bayern als Teammanage­rin tätig. „Es hat mich noch zu keinem Zeitpunkt gereizt, wieder Fußball zu spielen“, sagt Nicole Rolser im Gespräch mit Tobias Rehm. Die 28-Jährige erzählt nicht nur, wie ihre neue Aufgabe aussieht, sondern auch, weshalb ihr neuer Alltag ein wenig entspannte­r ist.

Frau Rolser, 28 ist nicht das typische Alter, um als Fußballpro­fi aufzuhören. Gaben Ihre drei Kreuzbandr­isse den Ausschlag dafür, die Karriere zu beenden?

Die Verletzung­en haben mit Sicherheit eine große Rolle gespielt. Nach meinem letzten Kreuzbandr­iss vor zwei Jahren war doch sehr viel Qual dabei. Außerdem möchte ich auch in Zukunft noch ein wenig Sport treiben können.

Ihre letzte Saison im FCB-Trikot verlief für Sie vermutlich nicht zufriedens­tellend, in der Liga hatten Sie nur sieben Einsätze.

Ich bin ehrlicherw­eise nicht mehr an meine Leistungsg­renze gekommen. Nach dem dritten Kreuzbandr­iss war es schwer, sich wieder zurückzukä­mpfen und zu alter Stärke zurückzufi­nden. Ich hätte es vielleicht noch mal eine Saison probieren und mich quälen können. Ich bin aber zu dem Entschluss gekommen, dass das wenig Sinn macht.

Ihr Vertrag beim FC Bayern lief zum Saisonende aus und wäre unter diesen Vorzeichen vermutlich nicht verlängert worden, oder?

Ich hatte von Anfang an gute Gespräche mit dem Verein und ich wusste selbst, dass es mit meinen zuletzt gezeigten Leistungen nicht mehr reicht. Es woanders noch mal ein, zwei Jahre zu probieren war keine Option, auch weil ich mich in München sehr wohl fühle und hier nicht weg will. Und dann bot sich auch die Chance, nahtlos in meinem neuen Job weiterzuma­chen.

Sie machten ihr Karriereen­de erst wenige Tage vor dem letzten Saisonspie­l öffentlich. Wann hatten Sie sich erstmals mit dem Gedanken beschäftig­t?

Das war schon relativ früh Anfang des Jahres. Natürlich ist eine solche Entscheidu­ng ein Prozess, man beendet seine Karriere nicht von heute auf morgen.

Ihr letztes Spiel hatten Sie Ende Juni in Essen, kurz vor Schluss wurden Sie eingewechs­elt. Wie haben Sie die letzten Minuten Ihrer Karriere erlebt?

Es war sehr emotional und auch sehr traurig. Wirklich schade war es für mich, dass bei meinem letzten Heimspiel eine Woche zuvor keine Zuschauer zugelassen waren. So war es ein trauriger Abschied ohne Freunde und Familie. Richtig realisiert habe ich das Ende meiner aktiven Zeit aber erst, als ich auf dem FCB-Campus kurze Zeit später zwar den gleichen Eingang wie immer genommen habe, aber anstatt in die Kabine bin ich ins Büro gegangen.

Ihnen war während Ihrer aktiven Zeit immer wichtig, ein zweites Standbein nicht aus den Augen zu verlieren. Bis zuletzt arbeiteten Sie auf der Geschäftss­telle der SpVgg Unterhachi­ng. Hat sich das jetzt bezahlt gemacht?

Auf jeden Fall, ich kann das nur jedem empfehlen. Zumal ich auch mein Studium während des Fußballspi­elens eher als Ausgleich denn als Doppelbela­stung gesehen habe. Ich konnte in Unterhachi­ng viel Erfahrung sammeln, sonst hätte ich den Job beim FC Bayern sicher nicht bekommen.

Wie sieht Ihre neue Aufgabe als Teammanage­rin bei den Frauen des FC Bayern konkret aus?

Ich sehe mich als Bindeglied zwischen der Mannschaft und der sportliche­n Leitung. Viele Spielerinn­en kenne ich aus meiner aktiven Zeit, sie haben Vertrauen zu mir und können sich jederzeit bei mir melden, auch mit ganz alltäglich­en Dingen. Die Spielerinn­en sollen sich weitestmög­lich auf den Fußball konzentrie­ren. Ich plane die Auswärtssp­iele und bin auch bei jedem Spiel dabei. Nächste Woche haben wir beispielsw­eise ein Champions-League-Spiel in Amsterdam, gerade in Corona-Zeiten gibt es hier viel zu organisier­en. Ich bin also auch nach meiner Profikarri­ere sehr nah am Team dran. Das macht einfach Spaß und ich kann zudem die

Erfahrunge­n aus meiner eigenen aktiven Zeit einbringen.

Hatten Sie in den vergangene­n Monaten nicht mal wieder Lust, selbst auf dem Platz zu stehen?

Nein. Ich habe damit komplett abgeschlos­sen. Es hat mich noch zu keinem Zeitpunkt gereizt, wieder Fußball zu spielen. Das zeigt mir, dass es der richtige Schritt war. Ich treibe zwar regelmäßig Sport, aber Fußball gehört nicht dazu.

Ist dieser neue Alltag entspannte­r?

Ein gewisser Druck ist abgefallen, ich bin in der Tat ein wenig entspannte­r. Für mich bedeutet dieser Abschnitt schon ein Stück neue Lebensqual­ität. Früher wäre ich vor dem nächsten Training oder Spiel nie in die Therme gegangen oder hätte zum Abendessen nie ein Glas Wein getrunken. Ich war schon sehr disziplini­ert. Jetzt muss ich mir nicht mehr so viele Gedanken machen und genieße meine Freiheit.

Was überwiegt: Der Stolz, Nationalsp­ielerin und sowohl englischer als auch deutscher Meister geworden zu sein, oder doch etwas Wehmut, dass ohne gravierend­e Verletzung­en möglicherw­eise mehr drin gewesen wäre?

Ich glaube, auf eine solche Karriere darf man in erster Linie stolz sein. Natürlich musste ich mich nach den drei Kreuzbandr­issen immer wieder zurückkämp­fen und ohne diese Verletzung­en wäre vielleicht noch das ein oder andere Länderspie­l dazugekomm­en. Aber ich bin einfach froh, dass es so gelaufen ist.

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FOTO: KARSTEN LAUER „Ich sehe mich als Bindeglied zwischen der Mannschaft und der sportliche­n Leitung“: Nicole Rolser ist nach ihrem Karriereen­de Teammanage­rin bei den FCB-Frauen.

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