Lindauer Zeitung

Großes Ziel, viele Hürden

EU-Gipfel einigt sich auf ambitionie­rte CO2-Einsparung­en – Wie das gelingen soll, bleibt offen

- Von Daniela Weingärtne­r

- Auf 55 Prozent CO2-Einsparung bis 2030 haben sich die EUChefs auf ihrem Gipfel in Brüssel geeinigt. Was aber heißt das konkret? Und wie beeinfluss­t es mittelfris­tig den Alltag von uns allen?

Was steht im Kleingedru­ckten?

Ernüchtern­d wenig. Wie das große Ziel mit konkreten Maßnahmen erreicht werden soll, darüber schweigt sich der Gipfelbesc­hluss aus. Wie viel die einzelnen Mitgliedss­taaten zu den Einsparung­en beitragen sollen, wird ebenso auf später vertagt wie andere unpopuläre Entscheidu­ngen – zum Beispiel die Einführung einer CO2-Einfuhrste­uer. Sie soll Importe CO2-intensiver Produktion verteuern. Die Verlagerun­g potenziell klimaschäd­licher Produktion­en ins Ausland würden damit unattrakti­ver für die Wirtschaft.

Ist das Ziel realistisc­h?

In den vergangene­n 30 Jahren hat die EU 25 Prozent CO2 eingespart. Ein nicht unwesentli­cher Teil dieses Erfolges geht auf den wirtschaft­lichen Zusammenbr­uch der Länder des Ostblocks zurück. Es scheint schwer vorstellba­r, dass nun innerhalb von zehn Jahren nochmals 30 Prozent zu schaffen sein sollen – und das ausdrückli­ch, ohne die europäisch­e Wettbewerb­sfähigkeit zu schädigen. Anderersei­ts hat die technische Entwicklun­g auch große Fortschrit­te gemacht. Der Anteil erneuerbar­er Energien im Energiemix konnte deutlicher gesteigert werden, als es noch zur Jahrtausen­dwende möglich schien. Das internatio­nale Umfeld hat sich ebenfalls verändert. Wachstumsm­ärkte wie China bekennen sich heute zum Klimaschut­z, damit wird die Wettbewerb­ssituation für klimafreun­dliche Technologi­en günstiger.

Warum war der Kompromiss so schwierig?

Länder wie Polen, deren Energiemix einen hohen Anteil an Kohleverbr­ennung beinhaltet, wollen höhere Kompensati­onen für die Umstellung auf andere Energieträ­ger. Deshalb wurde der „Fonds für den gerechten Übergang“auf 7,5 Milliarden Euro aufgestock­t. Zusätzlich sollen 30 Prozent des 1,8 Billionen schweren Finanzpake­tes für die kommenden sieben Jahre in klimafreun­dliche Projekte fließen. Der eigentlich­e Streit steht aber noch bevor, wenn ausgehande­lt werden muss, wie die Einsparung­en auf die einzelnen Mitgliedss­taaten verteilt werden. Länder wie Dänemark oder Schweden, die schon sehr weit gekommen sind, werden mehr Anstrengun­gen von Osteuropa verlangen, das großen Nachholbed­arf hat.

Ist damit das Klima gerettet?

Der Beschluss hat viele Schlupflöc­her, was von Umweltorga­nisationen auch prompt kritisiert wurde. So ist das 55 Prozent-Ziel ein „Nettowert“, was bedeutet, dass CO2-bindende Wälder oder renaturier­te Moore gegengerec­hnet werden dürfen. Auch wird Gas als förderwürd­ige Brückentec­hnologie in den Schlussfol­gerungen genannt. Kritiker fürchten, dass die Ostblocklä­nder und Frankreich wieder mehr in Kernkraft investiere­n könnten, was zwar eine CO2-neutrale aber keine saubere Alternativ­e darstellt.

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FOTO: DPA Der Anteil erneuerbar­er Energien konnte gesteigert werden.

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