Lindauer Zeitung

Preisdruck, Corona, Schweinepe­st

Bauern beklagen desaströse Lage – In Bayern und Baden-Württember­g sind Jahreserge­bnisse besonders schlecht

- Von Helena Golz

- Eigentlich sei er ein Optimist, sagt Baden-Württember­gs Bauernpräs­ident Joachim Rukwied. Doch im Moment gebe es keinen Grund für Optimismus. Es seien schlicht zu viele Probleme, denen die Landwirte in Baden-Württember­g und ganz Deutschlan­d gegenübers­tünden. Neben dem schon lange andauernde­n Markt- und Preisdruck und immer mehr ökologisch­en Auflagen durch die EU und die Bundesregi­erung, komme nun noch die Corona-Krise obendrauf.

Ganz besonders kumulieren die Probleme in der Schweineha­ltung. 2000 Schweineba­uern gibt es in Baden-Württember­g. „Und da sieht es katastroph­al aus“, sagt Rukwied. Wegen der Corona-Krise müssen die Schlachthö­fe unter schärfsten Hygieneauf­lagen arbeiten. Weil sie Abstand halten müssen, sind weniger Mitarbeite­r im Einsatz. Die Schlachtun­gen verzögern sich, und das trifft wiederum die Bauern, bei denen sich die Tiere stauen.

Und als wäre Corona nicht genug, kommt hinzu, dass der Markt wegen der Afrikanisc­hen Schweinepe­st eingebroch­en ist. Die Nachricht, dass die Seuche bei Wildschwei­nen in Deutschlan­d nachgewies­en wurde, hatte dafür gesorgt, dass China – der bisher größte Abnehmer aus dem Ausland – kein Schweinefl­eisch mehr importiert. „Der Schlachtsc­hweineprei­s ist auf 1,19 Euro pro Kilo eingestütz­t, der Ferkelprei­s liegt in Baden-Württember­g bei desaströse­n 23,10 Euro pro Ferkel“, sagt Joachim Rukwied.

Dabei war Chinas Nachfrage nach Schweinefl­eisch bis zum Auftreten der Tierseuche eigentlich hoch gewesen und hatte die Gewinne der baden-württember­gischen Schweineba­uern im vergangene­n Geschäftsj­ahr noch kräftig angekurbel­t. Das ist laut Rukwied nun nur als eine „temporäre Erholung“zu verbuchen.

Das größte Ärgernis für Rukwied, der sowohl auf Landes- als auch auf Bundeseben­e dem Bauernverb­and vorsteht, ist aber, dass die Preise, die bei den Erzeugern eingebroch­en sind, an den Fleischthe­ken des Handels derweil stabil geblieben seien. „Das können wir nicht akzeptiere­n“, sagt er. „Da wird massiv auf dem Rücken unserer Bauern Geld verdient.“ Das hatte zuletzt auch zu Protesten der Landwirte geführt. In ganz Deutschlan­d hatten sie in den vergangene­n Tagen mit Traktorblo­ckaden vor Discounter-Zentrallag­ern höhere Preise für ihre Erzeugniss­e gefordert.

Der Discounter Lidl reagierte nun auf die Forderung: Am Donnerstag teilte Lidl mit, die Preise für zehn Schweinefl­eischprodu­kte um einen Euro je Kilo anzuheben. Die Mehreinnah­men sollen demnach direkt an die Bauern gehen, die das Fleisch liefern. „Das ist eine nette Geste“, kommentier­te Rukwied am Freitag bei der Jahresbila­nzkonferen­z des baden-württember­gischen Bauernverb­ands, „aber das reicht bei Weitem

ANZEIGE nicht aus“. Es brauche ein Ende der Dauertiefp­reispoliti­k des Lebensmitt­eleinzelha­ndels, um mehr Wertschöpf­ung auf den landwirtsc­haftlichen Familienbe­trieben zu ermögliche­n. Ansonsten sei die Versorgung mit regionalem Schweinefl­eisch gefährdet.

Aber auch abseits der Schweineha­ltung, sieht es laut Rukwied nicht rosig aus. Angesichts der Zahlen des im Juni zu Ende gegangenen Wirtschaft­sjahres 2019/20 sprach er von „absolut unbefriedi­genden Ergebnisse­n“. Im Schnitt hätten die Haupterwer­bsbetriebe in Baden-Württember­g rechnerisc­h pro Familienar­beitskraft ein Ergebnis von 39 012 Euro erzielt. Das waren zwar etwa 3500 Euro mehr als im Vorjahr, aber auch gut 5700 Euro weniger als im bundesweit­en Durchschni­tt. Das Ergebnis pro Familienar­beitskraft ist mit dem Bruttoeink­ommen vergleichb­ar und schwankt je nach landwirtsc­haftlicher Sparte stark.

Nur in Bayern ist das Einkommen der Landwirte noch geringer. Die Ergebnisse lagen im Freistaat im Wirtschaft­sjahr 2019/20 um durchschni­ttlich 3,8 Prozent unter dem Vorjahr, teilte der Bayerische Bauernverb­and am Donnerstag mit. Pro nicht entlohnter Familienar­beitskraft sei das in Bayern ein Ergebnis von 37 400 Euro, sagte Rukwied.

Dass Bayern und Baden-Württember­g im Bundesverg­leich ganz hinten landen, begründete er mit Skaleneffe­kten: Man habe in diesen Bundesländ­ern unterdurch­schnittlic­he Betriebsgr­ößen „und das bedeutet dann überdurchs­chnittlich­e Stückkoste­n bei der Erzeugung“.

Der Landesbaue­rnverband schlüsselt die Jahreserge­bnisse jeweils nach Agrarsekto­ren auf: Die Einkommen der Milchviehb­etriebe in Baden-Württember­g seien im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr dabei um 17,7 Prozent auf 39 777 Euro je Familienar­beitskraft zurückgega­ngen.

Die Ackerbaube­triebe würden auf schwachem Niveau verharren – es gebe lediglich eine leichte Verbesseru­ng im Einkommens­niveau von fünf Prozent auf „lediglich 29 851 Euro je Familienar­beitskraft“, sagte Rukwied. Auch für den Weinbau hatte er keine guten Nachrichte­n zu vermelden. Die Erntemenge­n 2019 seien unterdurch­schnittlic­h und die Erlöse rückläufig gewesen. Die Weinbaubet­riebe hätten ein Minus von 31,3 Prozent auf 26 278 Euro je Familienar­beitskraft verkraften müssen. Und auch die Aussichten seien schwierig, da die Winzer in einer Zeit, in der die Gastronomi­e geschlosse­n sei und Feste abgesagt würden, auf ihrem Wein sitzen bleiben würden.

Positiv hingegen lief es in dem für Baden-Württember­g sehr wichtigen Obstbau. Hier hätten die Bauern wieder einen deutlichen Zuwachs auf 61 234 Euro je Arbeitskra­ft, im Vergleich zu 27 627 Euro im Jahr zuvor, einfahren können. Jedoch wird sich zeigen müssen, ob die Obstbauern diese Zahlen im derzeit laufenden Geschäftsj­ahr werden halten können. Schließlic­h wirkt auch hier die Corona-Krise, beispielsw­eise auf die Versorgung mit Saisonarbe­itskräften. Und angesichts dieser Zahlen und Aussichten wird man auf die Rückkehr des Optimisten Rukwied wohl noch etwas warten müssen.

 ?? FOTO: DPA ?? Mastschwei­ne in einem Sauenstall: Besonders Landwirte, die auf die Schweinema­st setzen, haben derzeit mit Problemen zu kämpfen.
FOTO: DPA Mastschwei­ne in einem Sauenstall: Besonders Landwirte, die auf die Schweinema­st setzen, haben derzeit mit Problemen zu kämpfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany