Mann missbraucht Neffen auf Lindauer Campingplatz
Der zwölfjährige Junge rettet sich am Ende selbst – Sein Onkel muss jetzt für drei Jahre ins Gefängnis
- Er hatte sich auf den Camping-Ausflug mit seinem Onkel und seinem Cousin gefreut. Doch statt auf ihn aufzupassen, füllt sein Onkel den zwölfjährigen Jungen ab und missbraucht ihn
Der Cousin schläft währenddessen nebenan.
Bei seinem letzten Wort weint nicht nur der Angeklagte. „Es tut mir alles unendlich leid“, sagt er unter Tränen. Sein Sohn im Zuschauerraum schluchzt so laut, dass er kurz alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Ein paar Reihen vor ihm weint eine Frau ganz leise in ihre Jacke hinein, versteckt sich vor dem Blick des Mannes, der seine Entschuldigung an sie richtet. Sie ist die Schwester des Angeklagten und gleichzeitig die Mutter des Opfers. Das macht die Tat zusätzlich schlimm, wie Richter
Christoph Schwiebacher eine halbe Stunde später bei seiner Urteilsverkündung sagt: „Sie haben das Vertrauen ihrer Familie ganz schön missbraucht.“Eine Bewährungsstrafe, wie sie sowohl der Angeklagte als auch dessen Anwalt angedeutet hatten, komme auf keinen Fall in Betracht. Die Schöffenkammer am Kemptener Landgericht verurteilt den Mann zu drei Jahren Gefängnis. Zu seinen Gunsten wertete das Gericht vor allem, dass er die Tat vollumfänglich eingeräumt und damit seinem Neffen eine Aussage vor Gericht erspart hat.
Es ist Mitte August, die CoronaPandemie lässt Urlaube gerade zu, da nimmt der Mann, der in der Nähe von Stuttgart lebt, seinen 17-jährigen Sohn, dessen zwei Freunde und seinen zwölfjährigen Neffen mit auf seinen Dauercamping-Platz bei Lindau. Die fünf wollen Grillen, Wandern, vielleicht einen Escape-Room besuchen. Zum Grillen besorgt der Angeklagte im Lindaupark Bier und Likör, eine Flasche Whisky ist schon im Wohnmobil, die hat er von zu Hause mitgebracht.
Am 13. August gibt es für alle Alkohol – auch für den Zwölfjährigen. Wie die Älteren bekommt er unter der Aufsicht des Onkels Bier, Likör und Schnaps. Und zwar so viel, dass der Junge schon bald nicht mehr aufrecht stehen kann. Er schläft eine Zeit lang im Vorzelt des Wohnmobils, dann bringt ihn der Onkel ins Bett. Allerdings nicht in das Bett, in dem der Bub die Nächte zuvor geschlafen hatte, sondern in sein eigenes. Auch sein Sohn und die Freunde legen sich schlafen, sind nur durch eine Schiebetür vom Angeklagten und dem betrunkenen Zwölfjährigen getrennt.
Dann vergeht sich der Mann an seinem Neffen. Zuerst oral, dann versucht er es auch anal, doch das klappt nicht. „Er hat es auf jede erdenkliche Weise versucht“, sagt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Richter und Schöffen legen diese Hartnäschwer. ckigkeit des Mannes zu seinen Lasten aus, auch wenn es am Ende nicht zur Vergewaltigung kommt. „Wenn es geklappt hätte, dann hätten sie das auch mitgenommen“, ist sich Richter Schwiebacher sicher.
Der Junge rettet sich schließlich selbst. Seinem Onkel sagt er, er müsse dringend auf die Toilette. Dort sperrt er sich ein und schickt von seinem Handy aus panische Nachrichten an seinen Vater. „Du musst mich sofort abholen.“Der Vater, der zu diesem Zeitpunkt drei Autostunden von seinem Kind entfernt ist, versucht immer wieder, den Jungen anzurufen, versteht aber nur abgehackte Sätze. „Er war komplett aufgelöst“, sagt der Vater am Freitagvormittag bei Gericht aus. Weil der Onkel direkt vor der Toilette ist und ihn immer wieder fragt, wann er denn endlich fertig sei, traut sich der Junge nicht lange und nicht laut zu sprechen. Später sagt er bei der Polizei aus, er habe sich auch nicht zu schreien getraut. Aus Angst davor, dass sein Cousin und dessen Freunde nicht ihm, sondern dem Angeklagten helfen würden.
Der Vater sagt dem Bub schließlich, er solle aus dem Wohnmobil rennen und sich in irgendeinem Zelt auf dem Campingplatz in Sicherheit bringen. Das gelingt dem Zwölfjährigen tatsächlich. Kurz darauf ist die Polizei, die der Vater parallel verständigt hat, auf dem Campingplatz. Bald danach sind auch die Eltern in Lindau und nehmen ihr Kind mit. Auf dem Heimweg habe er anhalten müssen, weil sich sein Sohn übergeben habe, sagt der Vater.
Zum Zeitpunkt der Tat war der Angeklagte betrunken, laut einem Gutachter muss er um die 1,7 Promille gehabt haben. Er leide an einer Alkoholsucht,
wegen der er auch schon seinen Führerschein verloren habe, sagt er aus. „Sie wussten, dass Sie unter Alkohol Straftaten begehen“, sagt Richter Schwiebacher. Der Rausch habe den Angeklagten enthemmt.
Der Angeklagte ist homosexuell und steht laut seinem Anwalt zwar auf jüngere Männer, aber nicht auf Kinder. Nur einmal habe er eine kurze Beziehung zu einer Frau gehabt, aus der sein Sohn entstanden ist, der seit vier Jahren bei ihm lebt. Allerdings ist der Angeklagte einschlägig vorbestraft – wegen des Besitzes von kinderund jugendpornografischen Materials. Bis wenige Monate vor der Tat stand er unter Bewährung. „In den Pornos wurde dargestellt, was Sie jetzt in die Tat umgesetzt haben“, sagt Richter Schwiebacher. Aus seiner Vorstrafe habe der Angeklagte nichts gelernt, im Gegenteil, er habe sich weiter gesteigert. Eine positive Prognose sieht das Gericht nicht. „Das ist die letzte Straftat, die für Sie einigermaßen glimpflich abläuft“, sagt der Richter in seiner Urteilsbegründung. „Bei der nächsten Straftat ist die Sicherungsverwahrung nicht mehr weit weg.“
„Glimpflich“läuft es für den Angeklagten auch deswegen ab, weil sein Neffe, seine Schwester und sein Schwager einen Täter/Opfer-Ausgleich von 15 000 Euro akzeptieren. Einen Teil davon hat der Angeklagte bereits beglichen. „Es tut Ihnen leid und Sie haben die Verantwortung übernommen“, sagt Schwiebacher. „Gut gelaufen“sei für den Angeklagten, dass sein Neffe zumindest augenscheinlich weder unter physischen noch unter psychischen Folgen der Tat leidet. Zumindest bis jetzt. Sollte das Kind später noch psychische Probleme bekommen, dann muss der Angeklagte auch dafür bezahlen, so das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist.
„In den Pornos wurde dargestellt, was Sie jetzt in die Tat umgesetzt haben.“
Richter Christoph Schwiebacher in seiner Urteilsverkündung