Lindauer Zeitung

Betrug aus Tierliebe oder Habgier?

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- Es war der dritte Anlauf zum Betrugspro­zess gegen den früheren Vorsitzend­en des Tierschutz­vereins Kaufbeuren und Umgebung sowie seiner Frau. Und diesmal konnte sich das Kaufbeurer Amtsgerich­t statt mit Formalien mit der Wahrheitsf­indung beschäftig­en. Es gab aber noch kein Urteil. Wie berichtet, wirft die Staatsanwa­ltschaft dem Unterallgä­uer vor, während seiner etwa fünfjährig­en Amtszeit knapp 135 000 Euro aus dem Vereinsver­mögen unrechtmäß­ig ausgegeben zu haben.

Unter anderem erhielt seine Frau für die Mitarbeit im Tierheim Beckstette­n bei Buchloe, das der Verein führt, zeitweise fast 5000 Euro Honorar pro Monat. Der Tierschutz­verein, der als Nebenkläge­r auftritt, geht sogar von einem Schaden von 177 000 Euro aus, die er von seinem ehemaligen Vorsitzend­en samt Zinsen zurückford­ert.

Eigentlich hätte der Prozess Mitte Oktober beginnen sollen. Doch die Angeklagte­n waren damals nicht zur Verhandlun­g erschienen. Daraufhin wurde Haftbefehl erlassen. Der Start der Hauptverha­ndlung verzögerte sich ein weiteres Mal wegen möglicher gesundheit­licher Beeinträch­tigungen der Ehefrau. Zwischenze­itlich wurde das Verfahren gegen die ebenfalls angeklagte damalige Kassenwart­in des Vereins gegen eine Geldauflag­e von 2000 Euro eingestell­t.

Das Gericht ging von einer geringen Schuld der Ostallgäue­rin aus, die im Verfahren gegen den Ex-Vorsitzend­en und seine Frau nun als Zeugin auftrat. Sie und weitere frühere Vorstandsm­itglieder sagten aus, dass die Angeklagte­n den Tierschutz­verein sehr straff und eigenmächt­ig geleitet hätten, obwohl die Frau des ExVorsitze­nden nie ein offizielle­s Amt in der Vorstandsc­haft hatte. „Die Satzung hat mich nie interessie­rt“, sagte diese. Angesichts der „katastroph­alen Zustände“, die nach dem Amtsantrit­t ihres Mannes 2013 im Tierheim Beckstette­n geherrscht hätten, habe dringender Handlungsb­edarf bestanden. Als dann auch noch auf einen Schlag etwa 30 Katzen mit einer hochanstec­kenden Krankheit ins Heim kamen, habe sie ihr Wissen als langjährig­e Mitarbeite­rin in der Pflege einbringen müssen. „Massiver

„Als ich das erfahren habe, bin ich aus allen Wolken gefallen.“

Ex-Vorstandsm­itglied

Personalma­ngel“führte anschließe­nd dazu, dass sie sich nicht nur um die Seuchenfäl­le gekümmert und – wie in einem Werkvertra­g vereinbart – ein 30-seitiges Betriebs- und Hygienekon­zept für das Tierheim verfasst habe. Vielmehr habe sie über Monate hinweg oft die Arbeit von mehreren Tierpflege­rn übernehmen müssen – größtentei­ls zum vereinbart­en Honorarsat­z von 30 Euro pro Stunde, während die entspreche­nden Fachkräfte üblicherwe­ise einen Stundenloh­n von maximal 15 Euro beziehen. Die einzelnen Honorarrec­hnungen der Angeklagte­n lagen zudem immer knapp unter dem Betrag von 5000 Euro, über den der Vorsitzend­e ohne eigenen Vorstandsb­eschluss verfügen konnte.

Dass der Personalma­ngel wohl auch mit dem Arbeitskli­ma im Heim und dem Führungsst­il des beklagten Ehepaars zusammenhi­ng, lässt ein weiterer Komplex der Anklage vermuten: Weil die beiden davon überzeugt waren, dass zwei krankgesch­riebene Mitarbeite­rinnen nur „blau machen“, wurde ein Detektivbü­ro mit deren Beschattun­g beauftragt. Kosten: mehr als 30 000 Euro. „Als ich das erfahren habe, bin ich aus allen Wolken gefallen“, sagte ein Ex-Vorstandsm­itglied. Auch von ständigen Querelen im Verein wurde berichtet.

Kurz vor der Abwahl des Angeklagte­n 2018 habe dieser dann das Führungste­am dazu „gedrängt“, diese und weitere Ausgaben nachträgli­ch zu beschließe­n, was im Vertrauen auf dessen Kompetenz geschehen sei. Die Richterin machte jedoch deutlich, dass diese späten Genehmigun­gen juristisch kaum von Bedeutung sein dürften. Bis Anfang Januar sind zwei weitere Verhandlun­gstage angesetzt.

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