Infantino schießt erbost zurück
Die Schweiz verschärft den Ton und die Ermittlungen gegen den FIFA-Präsidenten, der spricht von Rufmord
(SID) - Der Ärger mit der Schweizer Justiz ist bei der FIFA ja schon ein Dauerthema, zumindest wahrte der Fußball-Weltverband aber bislang noch den guten Ton. Doch nach den neuen Anschuldigungen gegen Präsident Gianni Infantino ist auch damit Schluss. „Böswillig“und „diffamierend“seien die jüngsten Vorwürfe des Schweizer Sonderermittlers, sie grenzten sogar an „Rufmord“. Rumms, die FIFA schlägt zurück.
Die scharfe Reaktion zeigt aber vor allem: Der Druck auf Infantino nimmt immer stärker zu. „Es gibt deutliche Anzeichen für ein strafbares Verhalten des FIFA-Präsidenten“, hatte der Außerordentliche Bundesanwalt Stefan Keller am Donnerstag mitgeteilt – und damit nicht das ohnehin schon laufende Strafverfahren gegen Infantino gemeint.
Diesmal geht es um Infantinos Nutzung eines Privatjets zwischen Surinam und der Schweiz vor drei Jahren. Die Vorwürfe sind nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“seit Sommer bekannt, am Ende einer Dienstreise soll der FIFA-Boss wegen der ungünstigen Linienflug-Verbindungen einen Privatjet gechartert haben. Als Grund ließ Infantino gegenüber dem Compliance-Chef der FIFA ein Treffen mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin angeben – dieses soll aber nicht geplant gewesen sein und auch nicht stattgefunden haben.
Für den ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger ist ein solches Verhalten ein Unding. „Jeder Mensch kann einen Fehler machen – die entscheidende Frage ist natürlich, wie man damit umgeht“, sagte er und kritisierte Infantino: „Ausgerechnet der Mann, der seit seinem Amtsantritt bei der FIFA so tut, als hätte er den Anstand im Sport erfunden, lügt, um eine Pflichtverletzung unter den Teppich zu kehren.“
Keller sah in der „Flugaffäre“den Verdacht auf ungetreue Geschäftsführung und sprach sich für zusätzliche Untersuchungen aus. Er war eigentlich als Sonderstaatsanwalt eingesetzt worden, um drei nicht protokollierte Geheimtreffen zwischen Infantino und dem inzwischen abgelösten Bundesanwalt Michael Lauber zu untersuchen. In dem Fall läuft bereits ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs und des Verrats von Amtsgeheimnissen sowie der Anstiftung dazu, es droht eine Anklage im kommenden Jahr.
Da die „Flugaffäre“aber nicht in seinen Kompetenzbereich falle, leitete Keller seine Ergebnisse an die Bundesanwaltschaft
weiter. Pikant: Die Ethikkommission mit der Kolumbianerin Claudia Maria Rojas an der Spitze hatte auch diesen Fall schon im Sommer untersucht – und konnte kein Vergehen Infantinos feststellen.
Zahlreiche Skeptiker sehen schon lange eine zu große Nähe zwischen dem FIFA-Chef und der offiziell als unabhängig bezeichneten Kommission. Rojas’ kritische Vorgänger Cornel Borbely und Hans-Joachim Eckert hatte Infantino 2017 abgesetzt. Auch Zwanziger fühlt sich nach den jüngsten Entwicklungen in seiner Kritik bestätigt. „Das zeigt, dass diese Personen nicht unabhängig sind“, sagte der 75-Jährige. „Damit haben sie der Glaubwürdigkeit der Ethikkommission irreparablen Schaden zugefügt.“
Klein beigeben wollen Infantino und die FIFA auf gar keinen Fall. Sie würden „selbstverständlich alle notwendigen rechtlichen Schritte und Rechtsmittel ergreifen, um diesen haltlosen und böswilligen Anschuldigungen ein Ende zu setzen“, hieß es in dem Statement zu den Keller-Vorwürfen. Die Auseinandersetzung bietet weiter gewaltigen Zündstoff.